Supportive Supervision im Hinterland – was mache ich hier eigentlich

And at once I knew I was not magnificent
High above the highway aisle
(Shake it, fake it, stick with us)
I could see for miles, miles, miles

(Bon Iver)

English version via Google Translate after the click..

Lindi Region. Gelb: Asphalt. Rot: Sandpiste.
Hinterland

Hinterland*

Tock-Tacka-Tock-Tacka-Tick. Und dann nichts mehr. Die plötzliche Stille lässt mich aus dem Schlaf erwachen, ich komme langsam zu mir und stelle beunruhigt fest, dass unser Fahrer Onsemo mitten im Nichts auf der Sandpiste angehalten hat und hinten etwas an der Ersatzrad-Halterung betrachtet.

Doch die Entwarnung kommt schnell: alles in Ordnung, „haina shida!“und wir können weiterfahren auf unserer Supportive Supervision durch die ganze Region Lindi. Die monotone Geräuschkulisse des Nissan Patrol Jeeps auf der löchrigen Straße, mit all dem Klackern und Knarzen, monoton unterlegt vom tiefen Brummen des V8-Motors, lässt mich wieder weiter dösen. Im somnolenten Halbschlaf sehe ich durchs Fenster endloses Grün an mir vorbeiziehen, vereinzelt unterbrochen durch verstreute Häuser und kleine Dörfer, in überwiegend braun-roter Erdziegel-Farbe und mit Palmblätterdächern. Wellblech ist hier selten. Kurz nach dem Ende der kleinen Regenzeit zum Anfang des Jahres wirkt es so, als schießt und sprießt die Natur innerhalb von wenigen Tagen in einen Dschungel aus Grüntönen. Riesige Mangobäume mit wie gezeichnet wirkenden Baumkronen, knorrige Cashewnuss-Bäume und unendlich viel Buschwerk aus Farnen und hohem Gras. Immer wieder stehen im hohen Gras am Straßenrand Frauen, mit faltigem Gesicht und gegerbter Haut, oft eingerahmt durch eine aus buntem Kitenge kunstvoll gefaltete Kopfbedeckung; auf dem Kopf Wassereimer oder gesammeltes Feuerholz. Durch meine Perspektive mit Blick durch das Autofenster wirkt es, als schweben sie in Zeitlupe vorbei, umrahmt vom Grün des Grases. Ich muss an die Bambus-Sequenz von „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ denken und lächle.

Normalerweise ist nicht viel los auf der Straße, die allenfalls doppelt so breit ist wie unser Auto; meist treffen wir auf schaukelnde kleine Busse, alte Fahrräder, mit Kohle, Hühnern oder Obst beladen, und sporadische Motorrad-Taxis, die Fahrer meist in dicke Winterjacken gehüllt. Diesmal kommt uns ein Konvoy aus Militärlastwagen entgegen, die vermutlich in Liwale in staatlichem Auftrag die Erzeugnisse der diesjährigen Cashewnuss-Ernte eingesammelt haben (Zusammenfassung hier, Hintergründe hier, Interview hier). Ich fühle mich an die Atmosphäre von Agentenfilmen aus den 70ern erinnert und bin froh, als der Konvoy vorbei ist.

* der Begriff „Hinterland“ hat auch eine kolonialistische Konnotation („Teil des Landes, in dem die Staatsgewalt bereits Zugriff hat, ohne aber rechtmäßig bereits unterworfen zu sein“). Von dieser Bedeutung nehmen wir Abstand und beziehen uns ausschließlich auf den humangeographischen Kontext (siehe hierzu Glaser, R. et. al, 2016: Gegraphie: physische Geographie und Humangeographie, Berlin) 

Arbeiten als Entwicklungshelfer – Lokal, Regional, National

Als wir uns entschieden haben, für zwei Jahre nach Afrika zu gehen, kannte ich zwar die Berichte meiner beiden Vorgänger, wusste aber nicht, was mich beruflich in dieser Zeit erwarten würde. Ich wusste nur, dass ich in der Qualitätsverbesserung der medizinischen Versorgungvon Müttern und Neugeborenen tätig sein werde. Nun, nach knapp 2 Jahren, ist es Zeit geworden zu beschreiben, was ich mache, und was für Konzepte dahinter stehen.

Generell würde ich die Lage der medizinischen Versorgung als schwierig, aber durchaus in Entwicklung beschreiben. Dem/r westlich geprägten LeserIn wird es schwerfallen, sich vorzustellen, mit welchen Problemen GesundheitsmitarbeiterInnen hier konfrontiert werden. Zuerst ein paar Zahlen der Region: in der gesamten Region Lindi leben etwa 900.000 Menschen, davon sind 45% jünger als 15 Jahre. Es gibt ein Regionalkrankenhaus in Lindi, 5 Distrikt-Hospitäler und zwei kleine kirchliche Häuser. Im Jahr 2017 wurden in diesen 8 Krankenhäusern 13.812 Kinder geboren (Life Birth), von denen 254 Neugeborene innerhalb der ersten 7 Tage verstarben (Early Neonatal Mortality Rate 18,4 pro 1.000 Kinder). Gleichzeitig starben 26 Mütter vor, während oder nach der Geburt (Maternal Mortality Ratio 188 pro 100.000 Lebendgeburten; Zahlen aus Erhebungen der GIZ).

Von Seiten der Betreuung gibt es Probleme im Personalbereich – so sind zur Zeit in der Region Lindi etwa 60% der geplanten medizinischen Stellen nicht besetzt. Die Ausbildung ist weniger professionalisiert und die meiste ärztliche Arbeit wird von Clinical Officers (kurz CO, 3 jährige Ausbildung) geleistet. Medical Doctors (kurz MD, 5 Jahre Studium) gibt es selten. Die meisten Krankenschwestern sind Medical Attendants (einjährige Ausbildung) oder Enlisted Nurses (EN, 2 Jahre Ausbildung mit Zertifikat), Registered Nurses (RN, Krankenschwester mit Abschluss, mindestens 3 Jahre Ausbildung) gibt es kaum. Spezifische Fachweiterbildungen gibt es nur in Dodoma und Daressalam, Medical Specialists (Fachärzte) in der Region aktuell genau vier, eine Gynäkologin, einen Chirurgen, einen Pädiater und mich.

Schwierig ist auch der Materialfluss: es fehlt an vielen Dingen wie Verbrauchsartikel (Spritzen, Kanülen, Sauerstoffbrillenschläuche), bestimmte Medikamente gehen häufig zur Neige und Nachschub verzögert sich(spezielle Antibiotika, Krampfanfall-Mittel). Automatisches Nachfüllen der Stationslager findet nicht statt.

Strukturell sind die eigentlichen Krankenhausgebäude zwar stabil, aber meist zwischen 20-40 Jahre alt und abgenutzt. Platz ist oftmals nicht ausreichend, es fehlt an Sitzmöglichkeiten und Betten. Keine einzige Neugeborenenstation bietet die Möglichkeit, infektiöse und nicht-infektiöse Kinder zu trennen.

Meine Arbeit als Entwicklungshelfer hat drei große Bereiche: ich arbeite lokal in meinem Regionalkrankenhaus in Lindi mit dem Kreißsaal und der Neugeborenenstation zusammen. Hier bin ich praktisch als Arzt auf Station tätig („hands-on“), begleite Visiten, mache Bedside-Teaching und sammle gleichzeitig Ideen zur Verbesserung von Abläufen und Strukturen.

Auf nationaler Ebene war ich an der Entwicklung der ersten landesweit gültigen Guideline für Neugeborenenmedizin beteiligt, einer Art Leitliniensammlung für die Behandlung von Neugeborenen. Hierfür gab es über 12 Monate immer wieder Treffen mit VertreterInnen des Gesundheitsministerium, der WHO und der Universität Muhimbili, bei denen ich neben dem Schreiben einiger Kapitel vor allem zum didaktischen Aufbau der Guideline beitragen konnte.

Regional unterstütze ich die gesamte Region Lindi, also die 5 Distriktkrankenhäuser (und die beiden kleinen kirchlich getragene Hospitäler) bei der Verbesserung der Schwangeren- und Neugeborenen-Versorgung. In der Umsetzung sind das so konkrete Dinge wie Weiterbildungen für Ärzte und Schwestern oder die Entwicklung neuer oder verbesserter Tools zur Patientendokumentation (Aufnahmebögen, Patientenkurven).

Schwerer fassbar ist die Beratung des regionalen Gesundheitsmanagement-Teams (RHMT, Regional Health Management Team), die als Fachleute von der Regierung eingesetzt werden, um die Qualität der Versorgung zu sichern, also beispielsweise Medikamentennachschub und Gerätschaften organisieren, aber auch Personalentscheidungen treffen und Teile des Budgets verwalten. Ich nehme regelmäßig an Treffen des Teams teil, vor allem der RRCHCo (Regional Reproductive Child Health Coordinator, verantwortlich für Mutter/Kind-Gesundheit) und des RMO (Regional Medical Officer, medizinischer Regionalleiter, in etwa Landesärztekammerchef plus Landesgesundheitsamtleiter). Hierzu gehört auch die Planung und Durchführung der regionalen MPDSR-Meetings, bei denen sich Ärzte und Schwestern aller Hospitäler treffen und mit Hilfe der systematischen Aufarbeitung von Todesfällen (Schwangere vor/während/nach der Geburt und Neugeborene) vermeidbare Fehler identifizieren und Verbesserungskonzepte erarbeiten (MPDSR = Maternal and Perinatal Death Surveillance and Response, siehe hier und für Tansania hier). Zuletzt hielt ich bei einer politischen Veranstaltung einen Fachvortrag, als die Kampagne „Jiongeze tuwavushe salama“ (Artikel im Citizen, Original-Tweet zu meinem Vortrag hier, Youtube-Beitrag zur Veranstaltung hier) zur Reduktion der Sterberate von Müttern und Säuglingen in der Region gestartet wurde.

Supportive Supervision liegt irgendwo zwischen diesen beiden Polen der regionalen Arbeit, Beratung und konkreten Dingen.

Krankenhaus von Ruangwa

Ruangwa

Wir sind den zweiten Tag unterwegs. Gestern waren wir in aller Herrgottsfrühe in Lindi gestartet, um noch vor 9:00 Uhr am Distriktkrankenhaus in Ruangwa ankommen zu können. Aus Ruangwa stammt auch der aktuelle Premierminister Tanzanias, Kassim Majaliwa, und die Stadt erlebt einen Aufschwung: es gibt nun eine neue, sehr schicke Lodge, ein neues Einkaufszentrum mit grasverziertem Vorplatz und eine englische Schule. Die Straßen wurden ausgebaut und durch den berühmten Sohn der Stadt kommen mehr Gäste. Nur die 2-3 Stunden Sandpiste bis zur Hauptstraße dämpfen ein bisschen. Dafür ist die Strecke sehr abwechslungsreich, es geht durch eine hügelige fruchtbare Landschaft mit vielen Flüssen und im kleinen Dorf „Nkowe“ auf halber Strecke, zeugt eine große katholische Kirche von der Aktivität der europäischen Missionare des späten 19 Jahrhunderts.

Meist gehe ich auf der Fahrt meine alten Aufzeichnungen der letzten Meetings und die Zahlen der letzten Monate durch und bereite mich auf die bevorstehende changa moto (wörtlich übersetzt „heißer Sand“, dem Sinn nach„Herausforderung“) vor – der Zugriff auf Notizen und Daten funktioniert durch Tablet, Pen und viel Synchronisierungsarbeit inzwischen fast vollständig papierlos, auch wenn Schreiben beim Fahren auf dieser Buckelpiste nicht möglich ist.

Das Krankenhaus in Ruangwa hat gute Fortschritte gemacht, seitdem hier 2016 eine Neugeborenen-Station aufgebaut worden war. Ich bin jetzt zum vierten Mal hier, inzwischen kenne ich die Teams von Kreißsaal und NCU, zuletzt hatten wir uns alle bei einem politischen Treffen mit dem Regional Commissioner (RC, eine Art Ministerpräsident der Region) gesehen. Die Stimmung bei der Klinikleitung ist gut, in den letzten Monaten kam es zu einem Rückgang der mütterlichen Todesfälle, und die Versorgung mit Medikamenten und Ausrüstung funktioniert.

Nach der offiziellen Vorstellung begeben wir uns in den Kreißsaal und lesen uns durch das Geburtenbuch. Hier werden alle Informationen über Mütter und Kinder gesammelt, inklusive Geburtsgewicht, APGAR-Werten und möglichen Komplikationen. Das Buch ist sehr gut geführt. Auch der eigentliche Kreißsaal hinterlässt einen positiven Eindruck, die Standard-Behandlungsrichtlinien (SOPs, Standard Operational Procedure) hängen an den Wänden und inzwischen gibt es auch einen zweiten Paravent als Sichtschutz zwischen den insgesamt fünf Geburtsliegen.

In der Neugeborenenstation finden wir einen neuen Kollegen, der die Station auf Grund von Schwangerschaft der vorherigen Ärztin heute den zweiten Tag betreut. Er ist ein erfahrener Kollege und behält die Übersicht.

Ich untersuche ein zwei Tage altes Neugeborenes, das – so erzählt man mir – in einer Gesundheitsstation (Dispensary) geboren wurde und bei „Problemen nach der Geburt“ nach einigen Stunden in das Krankenhaus überwiesen worden war. Das Baby liegt in einem Wärmebettchen, bekommt Sauerstoff über eine Nasenbrille, Muttermilch über eine Magensonde und ist an ein Pulsoxymeter angeschlossen. Dort sehe ich eine Sauerstoffsättigung von 92% bei einer Herzfrequenz von 175/min. Das Baby atmet sehr schnell und bewegt sich insgesamt wenig, die Haut ist deutlich überwärmt, aber rosig. Ich vermute eine perinatale Asphyxie (Sauerstoffmangel bei der Geburt), was mir durch den schlaffen Muskeltonus und die fehlenden Reflexe (peripher und zentral) bestätigt zu werden scheint. Die Augen sind halb geöffnet, geschwollen und eitrig verquollen (Ophthalmia neonaturorum), eine Lichtreaktion ist noch erkennbar.

Über der Lunge höre ich massive Rasselgeräusche und Brummen und denke zuerst an eine  Mekoniumaspiration, jedoch finden sich die Geräusche überall. Ich inspiziere die Magensonde im rechten Nasenloch und sehe eitrig-seröse Flüssigkeit, also lasse ich mir den Pinguin-Sauger geben (eine geniale Erfindung aus Norwegen, denn eine Absaugmaschine gibt es nicht) und entferne zähes eitrig-schleimiges Sekret aus Mundhöhle und rechtem Nasenloch. Nach einiger Zeit bessert sich die Sauerstoffsättigung des Kindes, das Atemmuster wird etwas ruhiger.

Wenn das Team an diesem Kind dran bleibt und es weiter kontinuierlich versorgt (Wärme, Sauerstoff, Muttermilch, Flüssigkeit, Antibiotika), hat es eine Überlebenschance. Die Asphyxie bleibt natürlich, aber eine Prognose zu so einem frühen Zeitpunkt ist nicht möglich. Ich bespreche mit dem Arzt das weitere Vorgehen und biete ihm an, ihm unser digitales Material zur Neugeborenenversorgung zu schicken.

Im Anschluss treffen wir die Distrikt-Koordinatorin für Mutter/Kind-Gesundheit und besprechen mit ihr unsere Beobachtungen. Inzwischen ist es Nachmittag geworden und wir machen uns auf den Weg nach Nachingwea, um dort am nächsten Morgen das Distriktkrankenhaus zu besuchen. Vorher lasse ich mich noch beim lokalen Schneider für einen Anzug vermessen, denn sein Ruf reicht bis Lindi.

Supportive Supervision

Alle drei Monate fahre ich mit einem Kollegen des RHMT durch die Region (siehe eingerückter Bericht) und wir besuchen für jeweils einen Tag die fünf großen Distriktkrankenhäuer.

Dort erheben wir alle relevanten Daten aus Kreißsaal und Neugeborenenstation (z.B. Zahl der Entbindungen, Kaiserschnitte, Stillgeburten, Arten der Schwangeren-Komplikationen, Anzahl an Asphyxien und bei Geburt untergewichtigen Babys, neonatale Komplikationen, Todesfälle). Diese Daten dienen zum einen dazu, Verbesserungen durch vom Projekt durchgeführte Maßnahmen zu dokumentieren. Weiterhin können durch Analyse der Daten im Vergleich mit anderen Hospitälern individuelle Veränderungen im positiven („best practise“) und negativen Sinn („worst practise“) gefunden und darauf reagiert werden.

Wir prüfen, wie die empfohlenen und vom regionalen Managementteam vorgegebenen Maßnahmen umgesetztwerden. Dazu gehört z.B. die Nutzung der von meinem Vor-Vorgänger entwickelten und nun erfreulicherweise auch in der landesweiten Guideline vertretenen NTC-Card (ein Tool zur Triage von Neugeborenen, was zum einen zur Förderung der Überwachung der ersten 24 Stunden hinsichtlich Risikofaktoren, zum anderen als Entscheidungshilfe für das weitere Vorgehen dient). Dazu gehört die Durchführung von Todesfallanalysen (MPDSR), insbesondere bei Neugeborenen, was bislang eher vernachlässigt wurde. Ein möglicher Grund hierfür ist die schiere Menge an Todesfällen gegenüber dem zeitlichen und personellen Aufwand für ein Death Review. Denn hier muss der komplette Fall detailliert aufgearbeitet werden, was bei häufig unvollständiger Dokumentation sehr schwierig ist. Für das Review selbst gibt es genaue Vorgaben, wer alles dabei sein muss, und die offiziellen Vertreter haben wenig Zeit. Und dazu gehört die Durchführung von Partograph-Reviews – ein Partograph ist die analoge Variante des Wehenschreibers, ein in den 1970ern entwickeltes System, bei dem der Geburtsfortschritt in der Austreibungsphase dokumentiert wird und die visuelle Darstellung als Entscheidungshilfe für geburtsmedizinische Maßnahmen dient (z.B. Wehenmittel, Volumengabe, Vakuumextraktion, Kaiserschnitt). In den Reviews sollen die Teams gemeinsam anhand von durchgeführten Partographs Fehler erkennen und die Anwendung verbessern.

Natürlich sprechen wir auch viel mit Ärzten und Schwestern vor Ort, begleiten sie bei Geburten und Visiten, diskutieren Fälle und helfen bei schwierigen Patienten. So sehen wir, was gut läuft und wo noch Schwierigkeiten bestehen. Das gilt auch für die Verfügbarkeit von essentiellen Medikamenten (Antibiotika, Wehenmittel, Magnesium, Phenobarbital, Aminophyllin, …), Diagnostik im Labor und den Zustand der Geräte (insbesondere Pulsoxymeter, Baby-Warmer, Sauerstoff-Konzentratoren und Verbrauchsmittel).

All dies wird am selben Tag noch in einer Feedback-Sitzung an Matron/Patron und Distrikt-Mutter/Kind-Gesundheits-Koordinatoren zurückgemeldet und, wenn notwendig, auch noch in größerer Runde mit dem gesundheitlichen Leiter des Distrikts (DMO, District Medical Officer) und dem Chefarzt (MOiC, Medical Officer in Charge) besprochen.

Krankenhaus von Nachingwea

Nachingwea

Wir erreichen Nachingwea noch vor Einbruch der Dunkelheit. Die Verbindung zwischen den beiden Städten, eine alte Straße, die dem Begriff Feldweg sehr nahekommt, kostet Zeit: für die 50 Kilometer brauchen wir 90 Minuten und an den Reaktionen der vorüberziehenden Kinder merke ich, dass hier wenig Weißnasen durchkommen. Auf diesem Weg finden sich auch die Überreste einer anderen Kirche,  die mir bei der ersten Tour aufgefallen war (ich hatte mir in meine Kartenapp Maps.Me eine Erinnerung markiert.

Nachingwea ist ein kleiner Ort mit etwa fünfzehntausend Einwohnern und liegt wie Ruangwa in einer sanften und fruchtbaren Hügellandschaft. 1947 versuchte der Kolonialherrscher Großbritannien, mit dem Tanganyika Groundnut Scheme  große Erdnussplantagen zu etablieren, was aber nicht gelang. Ab 1964 gewann Nachingwea an Bedeutung mit einem Militärstützpunktzur Unterstützung der Mozambique Liberation Front (FRELIMO) im Kampf für die Unabhängigkeit von Mozambique gegenüber Portugal (bis 1974). In einem hochinteressanten Bericht des Kollegen Dr. Jäger, der 1981-1983 als Entwicklungshelfer/Gynakologe in Nachingwea gearbeitet hat (PDF, Homepage), finden sich Details zum Dorf vor 35 Jahren: damals gab es eine Weißnase (ihn), zwei Diskotheken, indische Händler (die alles aus Dar organisieren konnten) und einen funktionierenden Flughafen mit Flügen nach Dar und Mtwara zwei bis viermal pro Woche. Zu dieser Zeit waren noch viele Expats in den kleinen Orten in der ganzen Region verteilt, Dr. Jäger berichtet von einer österreichischen Familie in Mnero (ein kleines Nest 20km nördlich), Italienischen Ärzten in Masasi (45km südlich, mit Asphalt-Straße) und dem großen deutschen Missionszentrum am Benediktinerkloster von Ndanda.
Im Jahr 2019 gibt es festangestellt nur noch jeweils ein holländisches Paar in Mnero und Nyangao (ein anderes Missionshospital) und mich, plus ein deutsches Ehepaar, dasseit 30 Jahren eine Gesundheitsstation in Lindi betreibt. In die vier christlich geführten Häuser (es gibt noch das sehr kleine Hospital Kipatimu im Norden) reisen regelmäßig europäische Ärzte über das SES-Projekt („Senior Expert Service“).

Zurück in Nachingwea: die Kaserne ist geblieben, die Diskotheken sind nun eher Pubs mit Live-Musik und der Flughafen wird schon lange nicht mehr angeflogen. Das Krankenhaus hat sich jedoch stetig weiterentwickelt. Seit 2015 gibt es dort auch eine Neugeborenenstation mit ein bisschen Ausrüstung (ein Wärmebettchen, zwei Sauerstoff-Konzentratoren, Pulsoxymeter) und durch unsere Projekte ausgebildete Schwestern. Leider kommt es im Gesundheitsbereich häufig zu Personalwechseln, so dass immer das Risiko besteht, dass 9 Monate nach der Fortbildung keine der ausgebildeten Schwestern mehr auf der entsprechenden Station arbeitet. In Nachingwea haben wir Glück, unser regelmäßiges Einsetzen für eine Abschaffung der Changelist scheint scheint erste Wirkung zu zeigen und das Schwestern-Team von Kreißsaal/NICU ist seit längerem stabil. In der NICU gibt es zwei neue motivierte Ärzte, die Dokumentation ist ausführlich und insgesamt sieht alles sehr gut aus. Zufrieden packen wir unsere Sachen, ein bisschen Eile ist angesagt, da noch eine vierstündige Weiterfahrt ansteht. Zeit für ein schnelles Mittagessen bei MamaKubwa(„Große Mama“) (Reis mit Bohnen und Fisch, Wali maharage na samaki) haben wir noch, dann verlassen wir die asphaltierte Straße und machen uns auf nach Liwale.

Was war, was ist, was bleibt? Die Frage nach Nachhaltigkeit.

Nach fast zwei Jahren ist es für mich bei weitem noch nicht möglich, ein wirkliches Fazit zu ziehen. Zu unterschiedlich und von Momenten abhängig sind die Eindrücke und Gedanken, wenn ich mir die Frage stelle, was denn bleibt, wenn mein Vertrag ausläuft und wir die Region verlassen.

Dabei geht es mir hier gar nicht um die narzistische Idee, dass ohne mich oder ohne Westler hier nichts vorwärts geht. Ich schätze es sehr, dass die GIZ versucht, ihre Arbeit auf Sustainability durch Capacity Buidling auszurichten. In der Praxis sieht das oftmals möglicherweise anders aus, und dazu trägt auch bei, dass sich Projekte weiterentwickeln und verändern. Meine Stelle in Lindi wurde erstmals von meinem Vor-Vorgänger 2011 besetzt, der sehr viele Freiräume hatte und seine Arbeitsinhalt selbst erst vor Ort erarbeiten musste. So gelang ihm der Aufbau der ersten Neugeborenenstation am Regionalkrankenhaus in Lindi und er konzentrierte sich auf die Ausbildung der Schwestern und ÄrztInnen vor Ort sowie in zwei weiteren ausgesuchten Distrikthospitälern.

In der Zeit meines direkten Vorgängers konnte durch die Akquise zusätzlicher Mittel der Projektumfang deutlich vergrößert werden („upscaling“) und es wurden Neugeborenenstationen in allen sieben Distrikthäusern der Region geschaffen.

Nach der technischen Ausstattung der Häuser und einem initialen Kick-Off-Training der Ärzte/Schwestern stand in diesem „IMCH“ (Improving Mother and Child Health) genannten Projekt auch „Supportive Supervision and Mentoring“ im Mittelpunkt. Fünf weitere, extra dafür angestellte KollegInnen (3 ÄrztInnen, zwei Hebammen) besuchten mit meinem Vorgänger in Teams in jedem Quartal für fünf Tage ein Distriktkrankenhaus sowie die beteiligten Health Center und Gesundheitsstationen (siehe Bericht von Tandahimba hier). Es wurden Daten gesammelt, die alltägliche Arbeit begleitet und praktische Übungen (MopUp, Scenarios) durchgeführt. Zur Unterstützung wurden ausgesuchte MitarbeiterInnen aus den Teams vor Ort als Mentoren ausgebildet und beteiligten sich an den Besuchen.

Mit dem Ende des Projektes 2017 sollte ich die erreichten Verbesserungen in Stand halten und mit kurzen Quartalsbesuchen pflegen. Die eigentliche Supervision sollte vom regionalen Management-Team weitergeführt werden, was bislang leider aus Budget-Gründen nicht gelang. So blieben meine dreimonatlichen Besuche, die ich nun dazu nutze, den Bezug zu den Teams der Häuser zu vertiefen und Verbesserungsideen und Anstöße zu geben. Und natürlich Daten zu sammeln und Neugeborene zu untersuchen.

Sicherlich bleibt nach mir das ein oder andere Tool, das weiter auf den Stationen genutzt wird. Auch die Nationale Behandlungsrichtlinie wird hoffentlich ihren Weg in alle Krankenhäuser finden.

Am eindrücklichsten bleibt aber für mich neben all dem funktionell-planerischen, den Prozessen und Strukturideen doch der persönliche Kontakt zu den KollegInnen, die hier vor Ort arbeiten, und die Interaktion beim gemeinsamen Arbeiten. Hier werden immer wieder die verschiedenen Herangehensweisen klar, die unterschiedliche Ausbildung und auch der unterschiedliche kulturelle Hintergrund, und das bietet so viele Möglichkeiten, voneinander zu lernen.

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass doch vielleicht sowohl bei mir als auch bei meinen KollegInnen in Lindi und der Region ein paar Sachen hängen bleiben werden, wenn wir hier schweren Herzens nach 2 Jahren wieder unsere Sachen packen und uns aufmachen in die Welt, die wir bislang „Heimat“ genannt haben.

Krankenhaus von Liwale

Liwale

Liwale liegt von allen Städten auf der Tour am Weitesten abseits, via Luftlinie sind es etwa 200km zur Küste, die asphaltierte Hauptstraße ist 175km oder etwa 5-6 Stunden Fahrzeit entfernt. Das Örtchen grenzt an die südlichen Ausläufer des Selous Nationalparks, das mit 52.000 kmgrößte Wildschutzgebiet Afrikas, und steht wirtschaftlich durch die umliegenden endlosen Cashewnuss-Baum-Felder sehr gut da. In den späten 1980er Jahren gab es hier eine aktive deutsche Expat-Gemeinde um einige Ärzte-Familien – eine davon ist in der Region geblieben und betreibt bis heute die weitüber die Region hinaus bekannte Brigitta Dispensary in Lindi.

Der Besuch in Liwale ist für mich immer etwas Besonderes, denn es ist immer etwas kühler als an der Küste, es gibt zum Frühstück wahnsinnig leckere Rindfleisch-Suppe mit den besten Chapati der ganzen Region und im Kreißsaal des Distrikthospitals arbeitet ein Kollege, der inzwischen zu einem guten Freund geworden ist.  Er hat uns im März 2018 bei zwei Fortbildungsworkshops unterstützt und gibt ehrliche Rückmeldungen in der Anwendung der von uns entworfenen Tools und Dokumentationshilfen. Leider ist auch das Krankenhaus in Liwale trotz eines sehr charismatischen Leiters nicht vor den system-immanenten Probleme geschützt, es fehlt an Personal und die Neugeborenenstation hat immer noch keine eigene Krankenschwestern, sondern läuft neben Kreißsaal und Wochenbettstation nebenher mit. So kommt es auch, dass ich bei der gemeinsamen Visite ein zwei Tage altes Frühchen in desolatem Zustand vorfinde. Es liegt in Tücher eingewickelt neben der Mutter auf dem Bett, also weder mit KMC (Kangoroo Mother Care) an deren Brust gebunden, noch in einem Wärmebettchen. Das Geburtsgewicht lag bei 1.100 Gramm, ich schätze das Reifealter basierend auf dem Gewicht auf 28 – 30.  Schwangerschaftswochen, korrigiere es aber beim genauen Untersuchen auf Grund der Unreifezeichen auf 26-28. Wochen. So ein kleiner, viel zu früh geborener Körper braucht vor allem Wärme, weswegen in den sog. „Entwicklungsländern“ bei Kindern mit einem Geburtsgewicht unter 2.000g die KMC-Methode empfohlen wird, wenn Inkubatoren und BabyWarmer nicht oder nicht zuverlässig zur Verfügung stehen (Who hier). Diese Technik wird auf Grund der vielen positiven Effekte auf die Entwicklung der Frühgeborenen durch den direkten Hautkontakt (Ski-to-Skin) auch in westlichen Neugeborenen-Intensivstationen angewendet und ist füralle Beteiligten immer sehr aufregend, da der „Ausbau“ des Frühchens aus dem Inkubator mit all den Schläuchen und Kabeln immer mit einem gewissen Aufwand verbunden ist.

In der Praxis in Tansania fehlt häufig das Personal, um die Mütter über diese Technik aufzuklären und auch die Anwendung regelmäßig zu überprüfen. Im Falle unseres Frühgeborenen war es jedenfalls nicht durchgeführt worden, und so finde ich bei der Untersuchung eine Körpertemperatur von 30,5°C mit beginnender Zentralisierung, die Beine erscheinen bereits zyanotisch. Wir legen das Baby auf das Wärmebett und versuchen ein stufenweises Erwärmen, während wir gleichzeitig per Magensonde Flüssigkeit geben. Ein i.v.-venöser Zugang ist nicht vorhanden und auch nicht möglich, da die zur Verfügung stehenden Kanülen nicht klein genug sind (intraossär gibt es auch nicht). Leicht frustriert setze ich meinen Besuch fort und sehe mir die Fälle der letzten vier Monate durch.
Bei der Nachbesprechung mit der für Mutter-Kind-Gesundheit verantwortlichen Matron (Oberschwester) führt unsere Darstellung der Situation dazu, dass das Leitungsteam einberufen wird. Wir haben Glück, denn sowohl der Klinikleiter als auch der ärztliche Leiter des Distrikts (DMO, District Medical Officer) sind verfügbar. Alle beteiligten Personen zeigen Verständnis und kündigen an, sich um eine neue Schwester zu kümmern.

Wir werden in den nächsten Wochen nachverfolgen, ob es zu einer Neubesetzung kommen wird. Schon wieder auf dem Heimweg erhalte ich gegen 17 Uhr die Nachricht von meinem Kollegen, dass das Frühchen gestorben sei.

(P)

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Infos zu den Liedtexten finden sich hier.


Über Digitalisierung in der Medizin

Arthur C. Clarke:
If we wanted to wait till the year 2001 we will have in our own house not a computer as big as tour, but at least a console through which we can talk to our friendly local computer and get all the information we need for our everyday life, like our bank statements, our theater reservations, all the information you need in the course of living in a complex modern society.
This will be in a compact form in our own house. We’ll have a television screen, like these here, and a keyboard. And we’ll talk to the computer and get information from it. And we’ll take it as much for granted as we take the telephone.
Interviewer:
I wonder, though, what sort of a life would it be like in social terms? I mean, if our whole life is built around the computer, do we become a computer-dependent society?
Arthur C. Clarke:
In some ways, but they will also enrich our society, because it will make it possible for us to live, really, anywhere we like.
Any businessman and executive could live almost anywhere on Earth and still do our business through a device like this. And this is a wonderful thing. It means we won’t have to be stuck in cities. We’ll be able to live out in the country or wherever we please.
(Interview with ABC TV Australia, 1974)

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Digitale Gefahren

Während in der ersten Welt eine immer größer werdende Bewegung sich bewusst gegen digitale Dinge entscheidet und knisternde Schallplatten hört (auch ich), mit dem Füller Briefe schreibt und digitalen Fotos mit Hilfe von Filtern eine „analoge Ästhetik“ zurück gibt (auch ich), erschafft die zunehmende Digitalisierung  in den sogenannten Entwicklungsländern ganz neue Möglichkeiten.
Ich meine damit nicht die mit dem Ideal von Aufklärung und arabischem Frühling verbundenen Errungenschaften von freier Kommunikation und ungehindertem Zugang zu freiem Wissen, die sich ja nicht erst seit dem Facebook-Skandal mit Cambridge Analytica, sondern auch weiterhin in vielen politischen Variationen von Russland bis zur Türkei und wahrscheinlich auch in den USA mit all ihren digitalen Manipulationen und gezielten Fehlinformationen als Utopie erwiesen zu haben scheinen.

Ich spreche von tatsächlichen Alltagserleichterungen.

Wakala-Service in fast jedem Laden (Tandahimba)

Mobile Life in Africa

Die Alltagserleichterungen gehen los bei den viel beschriebenen allgegenwärtigen massiv ausgebauten Mobilfunknetzen, die zu enormer Erreichbarkeit und Mobilität geführt haben. Aber es geht noch weiter: mit mobiler Währung (MPesa, Halopesa, ..) werden problemlos bargeldlos Kleinstbeträge bezahlt oder Geld gegenseitig hin und her geschickt. Mit Unterstützung der Banken (mobile banking, hier: SIM Banking) ersetzt das System sogar das Online Banking. Etwa ähnliches wird gerade mühevoll mit hohem Werbeaufwand beispielsweise in Deutschland von der Sparkasse eingeführt (Kwikk). 

Der Unterschied zu den in Deutschland verbreiteten Online-Banking-Apps ist, dass man a.) kein Smartphone braucht, sondern die Datenübertragung über USSD („quick codes“) innerhalb des GSM-Standards nutzt b.) somit auch kein mobiles Internet notwendig ist c.) der Schwerpunkt auf Senden von Geld von Handy zu Handy gesetzt wurde d.) eine Auszahlung von Handy zu Bargeld durch „Agenten“ in kleinen Straßengeschäften (Wakala = Agentur) flächendeckend möglich ist. Man kann es eher mit der bei uns so erfolglosen Geldkarte vergleichen. 

Auch die Erreichbarkeit der Bevölkerung für Werbung ist ganz anders, da der Zugang zu traditionellen Medien (Zeitung, Wochenmagazine, Internet-Nachrichtenportale) bis auf Radio in den meisten Regionen kaum möglich ist. Hier kommen dann wieder mobile Kommunikation und soziale Netzwerke ins Spiel, insbesondere Instagram: ganze Wirtschaftszweige preisen ihre Waren auf Instagram an und verkaufen dann ungefiltert über Telefon: selbstgenähte Kleidung, Kangas, Rucksäcke, Mode, Essen, … .

Digital Health und Entwicklungszusammenarbeit

Digitalisierung in der Medizin ist bei uns Westlern ein heikles Thema. PatientInnen denken an den gläsernen Patient/die gläserne Patientin und allwissende Versicherungen, Ärztliches Personal an stundenlanges Tippen und klicken zum Dokumentieren. Ich persönlich habe in der alltäglichen Handhabe auch noch keinen Zugang zur digitalen „Patientenkurve“ VMobile gefunden, die in meiner alten Klinik schrittweise eingeführt wurde. Unendliche Klick-Wege und eine umständliche Oberfläche standen mir immer im Weg. Und nach wie vor finde ich es trotz der vielen Vorteile hemmend, wenn tägliche Verlaufsnotizen irgendwo eingetippt werden müssen – die Standard-Tastatur ist für mich einfach eine uninspirierende Eingabemethode (mein Traum, eine ästhetische, einfache und funktionelle Software für Tablets zu entwickelt, scheiterte bisher an Zeit, Geld, Nerven und Durchhaltevermögen).

In der Entwicklungszusammenarbeit ist Digitalisierung DAS Schlagwort von 2018 (es ersetzt zumindest in unserem Projekt das bisherigen Schlagwort „Mutter-Kind-Gesundheit“) und das vorherrschende Thema der nächsten geplanten Phase der Deutsch-Tansanischen Kooperation (TGPSH, Tanzanian German Program to Support Health) zwischen dem Tansanischen Gesundheitsministerium (MOH) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), ausführt durch die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Es ist Unterstützung geplant für die Ausstattung mit Hardware, die Verbesserung der Stromversorgung und vor allem für Training und Capacity Building des Personals. 

Vergleichbare Projekte in anderen Ländern haben sehr positive Ergebnisse gezeigt, zum Beispiel in Nepal (großer Report hier) und Bangladesh.

Im tansanischen Gesundheitswesen kann Digitalisierung einen enormen Gewinn auf mehreren Ebenen ermöglichen:

  • digitale Patientenregistrierung: ermöglicht eine zuverlässige Kontrolle der Patientenströme: wer kommt wann wie oft zu welcher Zeit? Bislang gab es dafür lange Listenbücher, Ablagen und Zettelwirtschaft – eine einfache Analyse (wie viele kommen? Wohin kommen sie?) war aus diesem Grund nur sehr aufwändig möglich.
  • digitale Abrechnung: kann schneller und direkter erfolgen. Überhaupt kann nun alles Abrechnungstelevante direkt dokumentiert werden (Labor, Bildgebung, Medikamente,…). Das vereinfacht auch die Zahlungsströme, da nicht für jeden Zwischenschritt extra gezahlt werden muss. Und es geht noch weiter: irgendwann kann man die Zahlungen auch direkt über eine Bank-Karte bargeldlos durchführen. So etwas wird schon im Missionskrankenhaus Mbesa und im großen Orthopädie-Zentrum CCBRT in Daressalam mit der CRDB-Bank umgesetzt, wenn auch in Kombination mit analoger Dokumentation.
  • Epidemiologie: Public Health Daten und ICD-10 müssen nicht mehr manuell und potentiell unzuverlässig aus den Büchern extrahiert werden. Man wird nun erstmals gut analysieren können, mit welchen Diagnosen überhaupt welche Leute wann und wo die Gesundheitseinrichtungen aufsuchen, später auch mal halb-automatisch regionale Schwerpunktanalysen durchführen können usw.
  • Kontinuität in der Dokumentation medizinischer Patientendaten von Patienten: ein heimlicher Traum vieler deutscher Ärzte: die digitale Patientenakte. Man sieht auf einen Blick, welche Medikamenten eingenommen werden (sollten), was schon an Diagnostik und Anamnese gemacht wurde, Vorgeschichte, usw. Am Besten noch zentral ablegt, so dass man von jedem zertifizierten Zentrum darauf zugreifen kann. Das wäre in meinen Augen hier ein unglaublicher Fortschritt, da Bildungsniveau und Alltagsleben vieler Menschen hier die Anamnese-Erhebung deutlich erschweren und so etwas wie „Entlassbriefe“ nicht existieren. Selbst wenn ich hier Kinder untersuche, die von der Uni-Kinderklinik in Daressalam kommen, habe ich oft nicht mehr als einen handgeschriebenen Zettel mit Stichpunkten.

Patientenregistrierung in Ruangwa
Neuer Stützpunkt für Visite im Regionalkrankenhaus Lindi

Zwei Welten I

Bereits 2012 verabschiedete die Tansanische Regierung ihre „eHealth Strategy 2013 – 2018“ (PDF hier), in der ganz deutlich die oben beschriebenen Vorteile dargestellt und Schwerpunkte für die weitere Entwicklung gesetzt wurden. Natürlich ist im ersten Moment der technische Entwicklungsstand der über 5.300 (!) staatlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen der entscheidende limitierende Faktor für jegliche Digitalisierung, aber in diesem Fall zeigt sich gegenüber Deutschland ein Vorteil, wenn das Gesundheitssystem nahezu ausschließlich in staatlicher Hand ist und so landesweite Standards geschaffen werden können. 

Bislang gab es in Tanzania trotz staatlicher Kontrolle des Gesundheitssystems viele verschiedene individuelle Einzellösungen, oftmals von unterschiedlichen Stakeholdern und NGOs unterstützt und entwickelt. So hatte auch die GIZ ein digitales System zur Patientenregistrierung und Abrechnung entwickelt (Afya Pro), dass z.B. im Sokoine-Regionalkrankenhaus seit 2 Jahren verwendet wurde. Hier spielt auch die komplexe politische Struktur des tansanischen Gesundheitssystems eine Rolle, denn zusätzlich zu den individuellen Lösungen gab es auf staatlicher Ebene zwei Systeme, die parallel verwendet wurden, aber nicht untereinander kompatibel waren oder über gemeinsame Schnittstellen verfügten. 

Dazu muss man wissen, dass es im Land zwei große Regierungs-Organe gibt: Die Ministerien mit ihren politisch gewählten Vertretern, fachlichen Staatssekretären und regionalen/lokalen Vertretungen auf der einen Seite und das PoRALG auf der anderen Seite, das „Presidents-Office Regional Authority Local Government“, eine Art Bundesrat aus politisch eher unabhängigen Fachleuten, die bis in die Distrikt-Ebene mit Fachleuten besetzte Gremien bilden und sich um die praktische Umsetzung politischer Vorgaben kümmern. 

Das Gesundheitsministerium (MoHCDGEC, Ministry of Health, Community Development, Gender, Elderly and Children) arbeitete seit Jahren am System „GoT-HoMIS“ (Government of Tanzania Hospital Management Information System) mit Schwerpunkt Patientenregistrierung und Abrechnung. PoRALG konzentrierte sich auf ein EMR-System, einen Electronic Medical Record, der den Fokus auf Dokumentation medizinischer Daten legte.

Die Entwicklung einer einheitlichen allumfassenden eHealth-Strategie war ein wichtiger Schritt und darauf basierend wurde in den letzten Monaten eine gemeinsame Lösung aus beiden Systemen entwickelt: die „unified solution eFMS – Electronic Facility Management System“ ist ein umfassendes Computersystem, das von Patientendatenverwaltung über Anforderungen (von Untersuchungen usw.), Abrechnung, Digitale Patientenakte und sogar Patientenkurven-Dokumentation alles abdecken soll (siehe auch hierzu Tanzania Digital Health Investment Road Map 2017 – 2023″ PDF).

Digitale Visite in der NCU
Digitale Visite in der Kinderstation

Zwei Welten II

Wenn am Ende die Software entwickelt ist und das eHealth-Konzept kurz vor der Umsetzung steht, ist klar: es genügt nicht, vor Ort einfach nur Computer aufzustellen. Tanzania teilt sich in 25 Regionen (Stand 2012) mit insgesamt 113 Distrikten. Die erwähnten 5.300 Gesundheitseinrichtungen setzen sich aus etwa 37 Regionalkrankenhäusern, 92 Distrikt-Krankenhäusern (35 davon gehören religiösen Trägern), 481 Health Centern und etwa 4.700 Gesundheitsstützpunkten (dispensaries) zusammen, wobei die Gesundheitsstützpunkte an den wirklich entlegensten Orten die minimale Grundversorgung anbieten und oftmals nur mit einer Krankenschwester besetzt sind (trotz >50 Patienten pro Tag). Hinzu kommen 9 hochspezialisierte Häuser und 94 private Kliniken.

Selbst wenn man nur die 237 (privaten und öffentlichen) Krankenhäuser betrachtet, fehlt es auf dieser Ebene an vielen Orten an grundlegender Stromversorgung für ein derartiges Computernetzwerk. An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, dass die Verwendung von Computern generell weitaus weniger verbreitet ist als in der ersten Welt, weil es bislang kaum Notwendigkeit dafür gab. Inzwischen arbeiten viele Menschen beruflich mit Laptops und in den Firmen stehen viele Desktop-PCs, aber eine private Computernutzung existiert nicht. Diese Lücke wird seit etwa 8 Jahren von Smartphones und neuerdings Tablets gefüllt. 

Im medizinischen Sektor gab es bis zur Einführung der ersten Patienten-Management-Systeme neben der Radiologie und dem Labor gar keine Computer. Entsprechend fehlten auch Impulse für das Wachstum einer entsprechenden Infrastruktur. Es gibt häufig keine ausreichend stabile Stromversorgung, keine BackUp-Systeme, keine Aufstellorte, keine internen Netzwerke. Vor allem existieren keine Konzepte (und kein ausgebildetes Personal) für Wartung und Service. Viele MitarbeiterInnen haben noch nie an einem Computer gearbeitet – haben aber durch die rasant wachsende Verbreitung von Smartphones Erfahrung mit digitalen Geräten (QWERTY-Tastatur usw.). 

Ausblick

Es ist viel zu tun und es wird viel zu tun sein. Ich werde innerlich immer zwiegespalten bleiben, wenn ich auf der einen Seite sehe, dass bei einem akut krampfenden Neugeborenen kein Antiepileptikum als Notfallmedikament zur Verfügung steht (und die Angehörigen erst mit einem Rezept zur Krankenhaus-Apotheke geschickt werden müssen) und auf der anderen Seite so viel Geld für Hardware ausgegeben wird.
Dagegen ist es manchmal eine Herausforderung, aus den Notizen des Kollegen im A5-Schulheft, das hier als Krankenakte verwendet wird (das Heft wird den Familien mitgegeben und hat deswegen oftmals sehr gelitten) und den unvollständigen Angaben der Mutter eine klare Vorgeschichte / Medikamentengeschichte zu erheben, was durch digitalisierte Krankenakten längerfristig nicht mehr nötig sein kann. 

Es ist ein wichtiger und notwendiger Weg, der vieler Anstrengungen und Investitionen bedarf, aber dem Ziel einer allgemeinen Gesundheitsversorgung (universal health coverage) einen Schritt näher kommt. 

 

Zum Weiterlesen:

Cambridge Analytica

Großartiges Interview mit dem Psychologen Michal Kosinski „Ich habe nur gezeigt dass es die Bombe gibt“)
Zusammenfassung des Skandals von VOX

mobile life:

Infos zu USSD (en) (de)
Mobile Banking (en) (de)
History of M-Pesa (en)(de)
Werbung von NMB Bank für Wakala Agenten: https://www.nmbbank.co.tz/business-banking/ways-to-bank/nmb-wakala

Digital Health in der Entwicklungszusammenarbeit: 

Toolkit Digitalisation in Development Cooperation:  https://www.giz.de/expertise/html/22564.html
M-Health-Arbeitsgruppe: https://www.mhealthworkinggroup.org
PATH Beratungsfirma: https://www.path.org/digital-health/  Artikel über Änderungen in Tansanias Krankenhäusern (en)

The Medical Futurist:

hochinteressanter Blog über neueste technische Entwicklungen in der Medizin (für Science-Fiction-Freunde): https://medicalfuturist.com

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Serving in Mission

Above all powers, above all kings
Above all nature and all created things
Above all wisdom and all the ways of man
You are here before the world begann

Lenny Leblanc*

 

— scroll down for English version —

Vor unserem Umzug nach Lindi machten wir uns über unzählige Dinge Gedanken und versuchten, uns unser neues Leben vorzustellen. Wie würde unser Haus und seine Umgebung aussehen? Was sollten wir einpacken? Gibt es in Lindi eine gute Schule für unsere Kinder? Wie ist das Wetter während der Regenzeit? Womit wir niemals gerechnet hatten war die große Zahl christlicher Missionare und der schöne und wertvolle Kontakt zu ihnen, der sich entwickelte. „Missionare“ meint nun nicht – plakativ gesagt – alte weiße Männer, die möglichst viele Menschen taufen. Stattdessen trafen wir auf eine japanische Familie mit drei Kindern, die seit 15 Jahren in Lindi lebt sowie eine amerikanische Familie aus Texas mit zwei Kindern, die seit drei Jahren in Lindi wohnt. Im nächsten Dorf, 25 km nördlich, leben zwei amerikanische Familien mit zwei und vier Kindern zwischen vier und 14 Jahren. Von Anfang an hießen diese Familien uns sehr herzlichen willkommen, luden uns zu gemeinsamen Treffen ein und waren und sind für uns und unsere Kinder zu wirklich wertvollen Kontakten geworden. Wir möchten heute einen kleinen Einblick in diese für uns völlig neue Lebensrealität und die Motivation sowie den Alltag dieser Familien bieten und tun dies in Form eines Interviews mit Lauren Pierce, der Mutter der texanischen Familie in Lindi. Lauren und ihr Mann Jason sowie ihre zwei Jungs Silas und Noah kamen 2015 nach Lindi und arbeiten für „Serving in Mission“ (SIM). SIM ist eine internationale und interkonfessionelle christliche Missions Organisation, die 1893 gegründet wurde. Die SIM Missionare leben jeweils für zwei Jahre im Ausland, sind dann für ein halbes Jahr im Heimatland und kehren für weitere zwei Jahre zurück ins Ausland.

— English version —

Before coming to Lindi we thought about countless things – e.g. which stuff to take with us or how to learn the language as soon as possible. Also, we tried to imagine many aspects of our future life – what will the place look like where we are going to live? Is there a good school for our children? What is the weather like during rainy season? What we never expected to find in Lindi were christian missioners! Talking about missioners – we don´t mean old white men, baptizing as many people as possible! Instead we met one Japanese family (three children) who has been living in Lindi for about 15 years and one American family from Texas (two children) who has been living here for three years now. In the next village 25 km north of Lindi there are two American missionary families (two and four children). From the very beginning on these families gave us a warm welcome and invited and included us in their joint activities. We and our kids are very thankful for their friendship and with this blog entry we want to provide an insight in their motivation, their challenges and their everyday life in this region. As we do not feel ready to give this insight by ourselves I conducted an interview with Lauren Pierce, the mother of the American family in Lindi. The Piercens first came to Lindi in 2015 and belong to “Serving in Mission” (SIM). SIM is an international and inter confessional Christian mission organization, founded in 1893. The SIM missionaries stay abroad for two years and go on home assignment for six months before their return for another two years and so on.

After church everybody is invited to come to Pastor Johanna´s house.

The Interview:

Wiebke: Originally you and your husband come from Texas. What were you both working back home? Why/how did you decide to change your life radically and move to Tanzania?

Lauren: Before coming to Tanzania, I was a second-grade teacher and Jason worked as a logistics manager at a freight forwarding company. We both felt called or lead by God to quit our day jobs and move to Tanzania in obedience to the conviction that we both felt to share our faith with others.

Wiebke: When did you come to Lindi for the first time? Had you ever been to Tanzania or another foreign country before? How did you choose especially Lindi?

Lauren: Neither Jason or I had ever been in Tanzania before committing to live here long term. We both had been to Kenya and I worked as an English teacher for a short time in Hong Kong as a part of my studies at University.

After going to Kenya together we were hoping to have some sort of clarity as to what to do as missionaries. One of the things we noticed while we were there is that there were A LOT of missionaries and expat workers. We wanted to go to a place where the need was great but the ‘goers” were few. At the time we were working with our sending organization SIM to find a location. They sent us the job descriptions they had for all of East Africa. Jason and I looked through them separately (about 15 positions) and we both picked the same one. We took that as clear direction from the Lord that he wanted us in Lindi, Tanzania. Jason would be working as a Bible teacher and disciple maker and I would also be involved with church development through children’s and women’s ministry.

Wiebke: What about your preparation – which kind of preparation did you go through (e.g. language course)?

Lauren: Jason went back to school to earn his masters degree a year before leaving and I took several online courses on Bible and cross-cultural sensitivity. We also attended a 4 week training in America for language acquisition and cross cultural acclimatization. Once we arrived in Tanzania we studied Swahili for four months in Iringa.

Wiebke: What was your start like in Lindi? Which support did you get from other fellow expats/missioners?

Lauren: Start up in Lindi was very difficult. We had to get used to many things such as the extreme heat and humidity, power outages, limited water and sometimes no running water. I (Lauren) had to re-learn how to cook and do laundry, both of these things I was very capable of doing in America but in Tanzania it was totally different. I remember being so frustrated the first time I made bread from scratch! We ate many meals very late at night because I didn’t realize how long cooking would take when nothing is pre-packaged or prepared. Our teammates, the Shimizu family, were a huge help to us! In the beginning they invited us over for meals many times and would bring any left over food by. This helped me greatly as I struggled to keep food on the table at first (had not yet hired house help.) We were warmly welcomed by our teammates and they understood so many of our struggles. Of course, another big challenge was language. Even though we studied the language fulltime for four months we found that the dialect on the south coast was very different and difficult to understand. Our teammates are from Japan as well so that also presented us with another first. As we were acclimatizing to the Swahili culture we were also learning how to communicate well and be sensitive to our Japanese teammates. However, God really guided and helped us as a team! Being a part of the body of Christ can bring anyone close together. We have many of the same passions and desires and we receive great joy from serving together and learning about each other and our struggles.

Wiebke: For how long will you be living in Lindi?

Lauren: We do not know how long we will be here. We have been in Lindi now for three years and we desire to stay until we feel a peace and direction from God to return home.

Wiebke: What does your work in Lindi consist of? What does a “normal day/week” in Lindi look like for you, your husband and your two boys? 

Lauren: Our weeks can vary a lot. Most of the time however, Jason has several different meetings and Bible studies that he leads throughout the week. We both share in house work and taking care of our 2 sons. Throughout the week I am working with the women at Mama wa Nuru. Mama wa Nuru is a group of women who serve in ministry at different churches all around Lindi. Izumi, my teammate, and I have helped them to begin a small business where they make handcrafts and baked goods. Jason also preaches once or twice a month on Sunday mornings and also works with many local pastors to share the gospel of Jesus through different avenues. Some weeks he has more administrative tasks to take care of with our workers and our organization. Daily life here is very busy but often filled with very different things than you might see in a western society. We constantly have visitors through out the day that we are talking with, something always seems to need fixing around the house, and what seems to be a simple job somehow ends up being complicated in a place with limited resources. We find a lot of joy in being together so much as a family though. Our sons are ages 2 and 4 and keep things fun around the house. Our oldest attends a local pre-school 3 days a week and I also homeschool him a bit on the days he is home with me.

Wiebke: Can you tell us a little bit about the ups and down of your life in Lindi? Were there moments where you wanted or want to go home or doubt your life in Lindi? Which were/are the moments when you experience/feel that you are in the right place at the right time?

Lauren: There are so many ups and downs, sometimes you feel this in one day, and other times its more seasonal. The first month we were here we had what we like to call “oh crap!” moments. Moments when we feel like we have made a terrible mistake and life here is much harder than we ever imagined! However, God always helps us through these times. He guides us, leads us, and reminds us of his goodness and blessing in the struggle. We never came to Lindi to fulfill our own happiness, we came for the glory of God and I think this is what also helps us through hard times. We are confident, even on hard days, that we are where we are supposed to be. Explaining that confidence and how we have it is a bit difficult. The only way I really know how is through my faith. We believe that Jesus sacrificed everything, including his own life so that we might be free from the bondage of our sin. Knowing Jesus and what he has done for us, helps us to want to live selflessly for others. Now believe me, we do not do this perfectly! We struggle all the time with a desire to run from it all but like I said before, God is our strong tower and by his grace we stay for another day, another week, another month, another year. Every year seems to get better as we learn more Swahili and begin to understand the culture more and more as well. It takes time and commitment. We also receive a lot of joy from the work that we do. We love sharing our faith with others and helping people grow in their faith and knowledge of the Bible. I also really enjoy working with the women at Mama wa Nuru. It gives them so much confidence to learn new things and for them to see their talents and ability to earn income and help their families. Some of these women used to ask me for money, now they ask me for work. This is a huge accomplishment in my eyes. They can earn money for themselves which impowers and enables them in so many ways. Seeing this progress and my husband seeing his students grow in their faith and knowledge really gives us a lot of energy to keep going as well. Progress might seem slow going at times, but it’s there and we are thankful to see it!

Wiebke: How do your kids adapt to the life in Lindi? What are the main challenges when living in Lindi as a family with children compared to a life you would be living in America?

Lauren: This might be one of our biggest struggles in this season of life. Our oldest son is now four and though he has lived in Lindi longer than he has lived in America now, he still faces challenges. Just as much as we feel like outsiders at times, I think our son feels this way as well. He looks different, speaks a different language, and has more than most in our community. He does really well when we have one or two children at our home. It gives me a chance to communicate and help him to communicate with his visitors. Most of the time though, one or two kids at our house can multiply to 10 or more very quickly. I think this can be overwhelming at times. I believe he is learning though and it will take time but I hope that he can have some good local friendships in the future. He also attends a local pre-school which gives him opportunity to play with other children. We are very thankful that he is accompanied there by your son Kalle. Their friendship has been so helpful to Si! Both of our boys love the simplicity of life here. They have a nice big yard to run around in, plenty of space to be kids and so many great things that they get to see and experience. They love the ocean and the times when we get to see wildlife. In America I feel we might have many more distractions and obligations as a family. Everyone seems to have their children involved in a million activities. Activities are great, but sometimes I think a more simple life without so much busy-ness can be good for a child and their creativity. I do miss the ease of friendship for my children though. When we are in America it is effortless for my kids to play with others, which is much different than here.

Wiebke: How is your work accompanied by people in Texas? Do you have regular contact to your home church? How do people in Texas see your work in Lindi – which kinds of reactions do you get when you are home?

Lauren: As of now we do not host teams of people or volunteers from Texas. We hope that this will be an opportunity in the future. We are in the beginning stages of building a school and we believe this will be a great way for our community back home or other volunteers to get involved. Our community back home does pray for us and give to us financially. Most of our financial support comes from our home church as well as 3 other churches. We send out newsletters about every three months and we also have a facebook page. When we go home we spend a lot of time traveling to different churches and speaking about our life in Lindi. People are really encouraged by the work God does through us here and they love to hear about how God is moving in different parts of the world. Its always an encouraging time for us to be home!

Wiebke: Thank you very much for this insight!

 

(w)

 

Further Reading / Zum Weiterlesen

Homepage von Serving in Mission (SIM)

Artikel über Familie Shimizu in „SIM heute“ (Schweiz) 01/2010 

Homepage von „Missionare auf Zeit“, weltwärts Entsendeorganisation für junge Freiwillige

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Neonatal Care Training (und Digitalisierung)

You live you learn, you love you learn
You cry you learn, you lose you learn
You bleed you learn, you scream you learn

Alanis Morissette*

 ——— scroll down for English version ——–

Entlang der wunderschönen Ostküste Tanzanias am indischen Ozean verläuft nahezu parallel vom im Norden gelegenen Dar es Salaam eine Teerstraße bis nach Lindi. Folgt man dieser Straße weiter nach Süden, erreicht man schnell eine große Gabelung, an der sich wie so oft ein kleines Dorf namens Mnasi Moja entwickelt hat, das von der Versorgung des dort Pause machenden Durchgangsverkehrs lebt.

Fährt man an der Küste entlang weiter, erreicht man Mtwara, die mit der Regionalverwaltung, verhältnismäßig viel Industrie und dem nächsten funktionierenden Verkehrsflughafen die Hauptstadt der südlichen Zone darstellt.

Biegt man aber an der Gabelung nach Westen ab, gelangt man ins Hinterland: vorbei an den von der katholischen Mission geprägten Städten Nyangao (mit dem Missionskrankenhaus St. Walburg) und Ndanda (mit dem 1906 von Tutzinger Mönchen gegründeten Benediktinerkloster und ebenfalls einem verhältnismäßig großen Krankenhaus), die sich an die Nordkante der großen Makonde-Hochebene schmiegen. Irgendwann erreicht man Songea, ist schon im südwestlichen Hochland und hat es fast bis zum Lake Malawi geschafft. Auf halber Strecke, mitten im flachen Nichts, liegt Masasi.

Hauptstraße von Masasi

Der Lonely Planet schreibt zum Städtchen:

„Masasi, a scruffy district centre and the birthplace of former Tanzanian President Benjamin Mkapa, stretches out along the main road off the edge of the Makonde Plateau against a backdrop of granite hills.“

An der Nordseite der Stadt finden sich zwei kleine und zwei größere Hügel, die aus dem Flachland heraus ragen, als hätte sie ein Riese auf dem Weg zu einem richtigen Gebirge fallen gelassen. Zwischen den beiden kleineren Hügeln liegt in unseren Augen fast idyllisch das Distrikt Krankenhaus Mkomaindo und eine dazugehörige Krankenschwesterschule. Dort fanden wir geeignete Räumlichkeiten für unseren großen Mop-Up Kurs „Neonatal Care Training“.

Doch zuerst ein paar Hintergrundinformationen:

Eines der Probleme, die sich einer guten Pädiatrischen Versorgung innerhalb des Gesundheitssystem in Tansania stellen, liegt in der unzureichenden Ausbildung des medizinischen Personals, insbesondere im Bereich der Neugeborenenmedizin. Spezifische Abteilungen für Neugeborene in den südlichen Regionen gibt es erst seit 2-3 Jahren, und ein Etablieren dieser Fachbereiche war mit intensivem Training verbunden.

Leider ist der Arbeitsmarkt im Gesundheitsbereich sehr dynamisch und es mangelt an jeder Ecke an ärztlichem und pflegerischem Personal, so dass es sehr oft innerhalb eines Krankenhauses oder sogar innerhalb eines Distrikts zu sehr vielen Personalwechseln kommt, die meist fremdgesteuert (= durch eine Leitungsebene) erfolgen, oft auch einfach, weil sich der Bedarf kurzfristig ändert. Weiterhin ist das Konzept der sogenannten „Change-List“, einem regelmäßigen Rotieren des pflegerischen Personals, oftmals gegen deren Wunsch, sehr weit verbreitet. Dazu wurden vor 1 Jahr ca. 15% aller Kräfte aufgrund gefälschter Schulurkunden (auf Abitur-Niveau) entlassen, was den Personalmangel noch verschärfte.

Das alles führte dazu, dass nun, 2-3 Jahre nach den initial durchgeführten Kursen ca. 50-80% des aktuell in den Fachstationen arbeitenden Teams keine spezielle Weiterbildung zu Neugeborenenversorgung hat und damit im Berufsalltag oftmals improvisieren muss.

Aus diesem Grund stellt die Fort- und Weiterbildung des Personals einen zentralen Teil des Projektes „Maternal and Newborn Health“ der GIZ Tanzania unter dem Programm TGPS (Tanzanian German Program to Support Health) dar.

Trainings-Ausrüstung
Mkomaindo Hospital and Training Center, Masasi

Die Herausforderung des Mop-Up-Trainings bestand darin, in vier Tagen so viel Wissen und praktische Übungen wie möglich unter zu bringen und dabei gleichzeitig die unterschiedlichen Ausbildungsstufen (von Krankenschwester-Anfängerin bis zu studiertem Medical Doctor) gleichermaßen anzusprechen.

 

Aus anderen Regionen hatten wir schon einige Vorerfahrungen, trotzdem waren die Vorbereitungen sehr zeitaufwändig, vor allem, weil ich ein PowerPoint-Perfektionist bin, der die didaktischen Möglichkeiten maximal ausloten möchte. So entwickelten wir einen viertägigen Plan mit Vorlesungen im Wechsel mit problemorientiertem Case-Based-Learning, Szenarios und praktischen Übungen.

Am ersten Tag lag der Schwerpunkt in Neugeborenen-Reanimation und initialem Staging mit APGAR und unserer NTC-Card, Tag 2 arbeitete sich an den drei wichtigsten Krankheitsbildern (Asphyxia, Sepsis und Gelbsucht) ab, an Tag drei ging es um Essential Newborn Care, KMC (Kangoroo Mother Care) und Füttermengen, einem durch das sehr häufige Auftreten von Frühgeburten bzw. bei Geburt untergewichtigen Babies (LBW) sehr wichtigen Thema. Tag vier beschäftigte sich abschließend mit Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung durch IPC (infection prevention and control), MPDSR (maternal perinatal death surveillance and response) sowie gute Dokumentation und Entlassmanagement.

Arbeiten mit der Newborn Triage Checklist
Beatmungsübungen

In beiden Regionen kam der Kurs sehr gut an und neben der ungewöhnlichen Präsentationsweise wurde vor allem die viele Praxis gelobt. Jetzt bin ich gespannt, wie das neue Wissen im klinischen Alltag umgesetzt werden kann und ob sich möglicherweise die Versorgungsroutine sogar verbessern kann.

Auch wenn es in Lindi und Masasi jeweils vier sehr anstrengende Tage waren und am Ende alles doch überraschend schnell vorbei war, hatten wir eine sehr schöne Zeit. Es hat großen Spaß gemacht, mit meinem Team zu arbeiten: wir hatten neben meinem GIZ-Kollegen Zamoyoni aus Mtwara zusätzlich pro Training 3 tansanische Facilitator dazu geholt, für die der Rollenwechsel zum Lehrenden zum Teil auch neu war. Aber ich hatte abschließend das Gefühl, die Euphorie, Wissen aufzubereiten und praktisch an andere zu vermitteln, sogar ein bisschen weiter gegeben zu haben. Wir stellen das für das Training erstellte Material im Anschluss den Regionen zur Verfügung und wünschen uns, dass es derartige Trainings möglicherweise in kleinerem Maßstab auch innerhalb der Kliniken geben wird.

Und nach tagelangem Nerven habe ich es auch geschafft, zwei Kollegen davon zu überzeugen, unbedingt einen der  großen Berge von Masasi zu besteigen – natürlich ohne Route oder „Wanderwege“. Die Bilder finden sich in der Galerie.

Gruppenarbeit mit Dummy

Generation Smartphone

Der größte Impact, soweit man das jetzt schon sagen kann, bestand jedoch rückblickend in der Einführung einer über beide Regionen reichenden WhatsApp-Gruppe aus Kinderärzten und Kinderkrankenschwestern, ergänzt um Fachärzte aus Dar es Salaam. So erschafften wir erstmals ein grenzüberschreitendes Forum und einen sicheren Rahmen, in dem Unsicherheiten, Fragen und schwere Fälle geteilt und gemeinsam diskutiert werden können.

Eine derartige Gruppe hatten wir auch nach einem Training für das Kreisaal-Personal zur Asphyxia-Vermeidung eingeführt und die Resonanz war so positiv, dass es jetzt vom Gesundheitsministerium als Prototyp für alle anderen Regionen angewendet werden soll.

Dieses Beispiel steht für mich stellvertretend für die Herausforderung, die Entwicklungszusammenarbeit in der heutigen Zeit mit technischem Fortschritt, Digitalisierung und grenzenlosen Kommunikationsmöglichkeiten bietet: es gibt unendliche viele technische Lösungsmöglichkeiten, aber es fehlt an Geld und Personal und am Ende sind es ja echte Menschen, die das Neugeborene reanimieren müssen. Man muss also idealerweise die Art von Technologie nutzen, die bereits universell auch in „Low Income Countries“ verbreitet sind. Und irgendwie landet man am Ende fast immer beim Smartphone.

Immer mehr Entwicklungshilfe-Projekte versuchen nun, Smartphones als Allzweck-Hilfsmittel für bessere Medizin zu nutzen, sei es als direktes Tool oder als Quelle für Fortbildung und Wissen. Das ganze nennt sich dann mHealth.

 

Zwei spannende Beispiele:

PICTERUS
Eine norwegische Forschergruppe will durch Fotografie der Haut neben einer Farb-Karte mit dem Smartphone den Bilirubin-Gehalt abschätzen. Farbfehler des Kamera-Chips des Handys und des Umgebungslichtes (Farbtemperatur, Tonwertkurve usw.) werden durch die ebenfalls mit dem Kamera-Chip fotografierte Farbkarte herausgerechnet. Ich hatte mit dem Entwickler bereits guten Kontakt, weil das Programm in Tansania eine Pilotphase bekommen soll.

JamboMama
Ein Tool zur Kommunikation mit schwangeren Frauen in isolierten Regionen, zur Übermittlung von Wissen und Erkennung von Schwangerschaftskomplikationen.

Mehr zum Thema Digitalisierung im Gesundheitssektor in der Entwicklungshilfe demnächst…

(P)


 ——— English version ——–

Newborn Training (and Digitalization)

Along the wonderful east coast of Tanzania, touching the Indian Ocean, from the northern Dar es Salaam a tarmac road follows its route down to Lindi. Continuing this road further South, you will reach a junction, which lead to the ongoing growth of a village called Mnasi Moja, thriving from supplying the traffic breakers.

If you follow the road further south along the coastline, you will reach Mtwara, which is the capital of the southern region with its regional administration and an almost urban feeling, including some industrial buildings and the only regularly operated commercial airport in the region.

The road turning west leads into the hinterland: past the Catholic cities of Nyangao (with the Mission Hospital St. Walburg) and Ndanda (with the Benedictine Monastery founded in 1906 by Tutzing monks, including a large hospital) nestling on the northern edge of the great Makonde Plateau. At some point you reach Songea, which is already part of the southwestern highlands and you almost made it to Lake Malawi.

Halfway down, in the middle of flat nothingness, lies Masasi. The Lonely Planet writes:

„Masasi, a scruffy district centre and the birthplace of former Tanzanian President Benjamin Mkapa, stretches out along the main road off the edge of the Makonde Plateau against a backdrop of granite hills.“

 

The city is surrounded by two larger hills to the north and two smaller hills in between, that jut out of the ground as if they were dropped by a giant who was on his way building a real mountain range.

Between the smaller hills lies the district hospital Mkomaindo and its nurse school, almost idyllic to our western eyes. This was the perfect premises for our mop-up course „Neonatal Care Training“.

 

Before getting into detail, here is some background information:

one of the major problems of high quality pediatric care within the health care system in Tanzania is the inadequate education of medical staff, especially in neonatal medicine.

Specific departments for newborns in the southern region have only existed for about 2-3 years, and at the time they were established, a lot of intensive training was carried out.

Unfortunately, the health market is very dynamic, and there is a shortage of medical and nursing staff everywhere, so that there are many changes in personnel, often within a hospital, or even within a district, on a regular bases. Those changes are externally controlled (= by management level), often caused by changing demand, often at short notice, often without consent of the employee. In addition, the concept of the so-called „change list“, a regular routing of the nursing staff, is common.

In summer 2017, roughly 15% of all health workers were dismissed due to fake school certificates, which aggravated the staff shortage.

Considering those developments, it does not seem surprising, that now, 2-3 years after the initial training packages, 50-80% of the staff currently working in the specialist departements has no special training on neonatal care. Improvisation is part of everyday professional life. For this reason, training of the staff is a major issue in our GIZ project „Maternal and Newborn Health“.

The challenge of mop-up training was to pack as much knowledge and hands-on training as possible in four days, while addressing all the different levels of education (from nurse novice to graduate medical doctor).

Although having experience from other regions, the preparations were very time consuming, especially because I am a PowerPoint perfectionist, who wants to explore the didactic possibilities to the maximum. Therefore, we developed a four-day plan with lectures alternating with case-based learning, group work scenarios and practical exercises.

The first day focused on neonatal resuscitation and initial staging with APGAR and our NTC card, Day 2 focused on the three major diseases (asphyxia, sepsis, and jaundice), and on Day 3, we planned Essential Newborn Care, KMC (Kangoroo Mother Care) and feeding amount calculation, which is essential with frequent cases of premature / low birthweight babies. Finally, Day Four looked at Quality Improvement Methods with IPC (infection prevention and control), MPDSR (maternal perinatal death surveillance and response), and documentation and discharge management.

Even though it was four very exhausting days both in Lindi and Masasi, and in the end everything went over very quickly, we had a really good time. It was great fun to work with my team: in addition to my GIZ colleague Zamoyoni from Mtwara, I had brought in three Tanzania facilitators. In the end, I had the feeling that I was able to convey the euphoria, to edit and prepare knowledge and to convey it to others. We will make the material accessible, created for the training and do sincerely hope, that some champions will adapt those materials for such training on a smaller scale within the hospitals.

And after three days of bugging, I also managed to convince two colleagues to climb one of the large mountains of Masasi – of course without a route or „hiking trails“. The pictures can be found in the gallery.

However, the biggest impact, as far as we can tell, was the introduction of a WhatsApp group of paediatricians and pediatric nurses across both regions, supplemented by a few specialists from Dar es Salaam. For the first time, we were able to create a cross-border forum, in which questions and difficult cases can be shared and discussed together beyond uncertainty (We had introduced such a group for staff of maternity ward, after carrying out a training session on prevention of asphyxia, and the response was so positive, that this concept of an easy-access cross-border low-threshold forum, now will be adapted by the Ministry of Health as a prototype for all other regions.

Generation Smartphone

For me, this example typically represents the essential aspects of the challenge to make use of technological advances, digitalization and unlimited communication in the context of development aid: there are endless technical solutions, but there is a lack of money and staff, and in the end, you need real people to resuscitate the newborn with their hands. That means, you need a low-cost wide-range approach using the technology that is already universally used in „low income countries“. And somehow, almost always you end up with the smartphone .

More and more development aid projects are trying to make use of the smartphone as a universal tool for better medicine, either as a direct tool or as a source of training and knowledge. The whole thing is called mHealth.

Two exciting examples:

PICTERUS
A Norwegian research and start-up group wants to estimate the bilirubin content by photographing the skin with a smartphone next to a color chart. Color errors created by the camera chip of the phone and the ambient light (color temperature, tone curve, etc.) are calculated out by comparing with the colors of the chart also photographed with the camera chip. I already had great communication with the developer, since they are planning to start a pilot phase in Tanzania.

JamboMama:
A tool to communicate with pregnant women in isolated regions, to share knowledge and to early detect pregnancy complications.

Coming up: an article reflecting on digitalization and the impact on development work in the health sector..

(P)

 

Further Reading:

Article from  BMC: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5678803/

Other mobile health improvement apps:https://mashable.com/2016/03/13/apps-maternal-health/#FE8hSUl9.gqw

An NGO article: http://www.globalproblems-globalsolutions-files.org/unf_website/assets/publications/technology/mhealth/mHealth_applications.pdf

Market Analysis: https://liquid-state.com/mhealth-apps-market-snapshot/

Hungarian page on (western) aspects of digitization in health: https://medicalfuturist.com

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Über das Essen

I got a passion for fast-food /
its undeniable /
I like my food fried until /
Everything be the same shade/
Of gold and brown

Abdominal (feat. DJ Format)*

 

Zu Beginn des Ramadan, dem muslimischen Fastenmonat, geht es heute um etwas Fundamentales: Essen! Der allergrößte Teil der Bevölkerung in Lindi fastet seit dem 17. Mai von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, Kinder beginnen ab etwa sieben Jahren. Das heißt, dass sowohl nichts gegessen, als auch nichts getrunken werden darf. Vor allem Letzteres ist für uns bei hiesigen Temperaturen schlicht unvorstellbar. Auch die körperliche Arbeit, die die meisten Menschen tagein tagaus leisten (müssen) ist ja gleichbleibend (landwirtschaftliche Flächen bearbeiten, Wasser tragen, Wege zu Fuß zurücklegen, Wäsche mit der Hand Waschen, Haus-/Straßenbau ohne Maschinen u.v.m.), so dass wir uns wirklich fragen, wie die TansanierInnen ihre Leistungsfähigkeit aufrecht erhalten. Genau wie vor ziemlich genau einem Jahr, als wir im Mai 2017 zum ersten Mal in Lindi ankamen, werden viele der kleinen Straßenküchen also nun für vier Wochen erst nach 18:00 angefeuert und es gibt tagsüber kaum Essen auf der Straße.

Fragt man unsere Kinder, was sie aus Deutschland vermissen, so fallen, nach Verwandten und FreundInnen, eigentlich unmittelbar Begriffe aus der kulinarischen Ecke: Brezen, (Gouda)käse, Gelbwurst, Wienerle, Obstquark, Spinat, „richtiges Brot“, drei im Weckla… Nun soll es aber im Folgenden nicht darum gehen, was es hier NICHT gibt, sondern viel mehr darum, was seit einem Jahr alternativ auf unserem Speiseplan steht. Der Einfachheit halber sortiere ich nach Tageszeiten und versuche auch, einen kleinen Einblick in Essen und Essensgewohnheiten der lokalen Bevölkerung zu geben, soweit wir sie bislang mitbekommen haben:

Frühstück

Unser gewohntes Müslifrühstück haben wir uns mittlerweile erfolgreich zusammengebastelt: es gibt (oft) Haferflocken, Cornflakes und Weetabix zu kaufen, auf dem Markt Rosinen und tonnenweise Cashewnüsse. Dank Philipps regelmäßiger beruflicher Verpflichtungen in Dar es Salaam waren wir die letzten Wochen sogar mit einem fertig gemischten Müsli versorgt. Milch kann man kriegen, jedoch kostete der Liter (nicht bio) knapp 2 Euro (so viel wie ein halbes Huhn). Yoghurt gibt es aus Iringa; das liegt im bergigen Hochland ca. 1000 km nordwestlich von Lindi. Obst dazu ist aktuell, zum Ende der Regenzeit, kein Problem: Ananas, Mango, Papaya, Bananen, Wassermelonen, … gibt es in Hülle und Fülle. Das wird sich in der Trockenzeit wieder ändern.

Viele TansanierInnen in Lindi frühstücken nicht, bevor sie morgens das Haus verlassen.  Sie essen in Gesellschaft in einer der Straßenküchen – typischerweise Fleischsuppe mit Chapati oder Bohnen mit Chapati – einige Zeit nach Arbeitsbeginn (ganz grob gesagt zwischen 8:00 und 11:00). Die Kinder in Ronjas Schule bekommen gegen 10:00 eine Tasse Tee und ein Brötchen und auch unser Gärtner Hamisi und Mama Fatuma machen gegen 10:00 Pause mit Snack und Tee.

Fleischsuppe mit Chapatai (Köchin hinten)
Frühstücksküche

Mittagessen

Die Kinder und ich essen mittags, sobald Ronja aus der Schule kommt (gegen 12:30). Unsere Haushälterin Mama Fatuma kocht unter der Woche das Mittagessen und hat es mittlerweile absolut raus, was beliebt ist (Popcorn) und was eher nicht (Kochbananen). Das Angebot ist generell regional und saisonal bestimmt – die Nachfrage regelt ganz klar das Angebot. Wir essen mittags also unter anderem Ughali (eine Art Polenta aus Maismehl), Reis, Bohnen, Mchicha (eine Art Spinat), Mchuzi (Tomatensoße mit Kokosmilch und variierendem Gemüse), Chipsi Mayai (Pommes im Spiegelei – die Kinder lieben es!), Chapati, Nudeln, Tomatensalat und Fisch. Aktuell gibt es jede Menge leckere Kürbisse und das ganze Jahr über (bzw. gegen Ende der Trockenzeit eigentlich nur noch) Cassavawurzeln, die man sowohl frittiert als auch gekocht essen kann. Regelmäßig kommen mobile Fischverkäufer vorbei, bei denen wir frischen Fisch bekommen. Hühner kauft man lebendig, z.B. bei unseren Nachbarn. Generell wird eigentlich jedes Gericht mit Kokos gekocht. Das Kokosfleisch hierfür wird mit einem speziellen Gerät aus der Kokosnuss ausgekratzt – Mats sitzt gerne bei Mama Fatuma, wenn sie das macht, und klaut sich die Kokosraspeln.

Mats wartet auf seine Chance auf Kokosraspeln.
Mittagessen: Ughali na mchuzi (Ughali mit Soße)

Das Mittagessen hat für die TansanierInnen einen geringeren Stellenwert als für uns: viele Erwachsene essen den Tag über (nach dem späten warmen Frühstück zwischen 8 und 11) nichts mehr. In Ronja´s Schule gibt es um 13:00 für jeden einen Teller Reis mit Bohnen. Das aufwändigste Essen des Tages findet abends statt.

Abendessen

Bei uns auch „Abendbrot“… Um Körnerbrot zu vermissen, muss man nicht bis Tansania reisen – da reicht auch die Fahrt über die deutsche Grenze, eigentlich ziemlich egal in welche Richtung. Nun gibt es in Lindi durchaus Brot zu kaufen, dieses würde jedoch in Deutschland bestenfalls als helles Toast durchgehen. Wir haben also ziemlich schnell angefangen, selber Brot und Brötchen zu backen, was nach einer kleinen Annäherungsphase an den Gasherd mittlerweile auch super klappt. Was kommt aufs Brot drauf? Gesalzene Margarine gibt es in Hülle und Fülle, seit Anfang Mai sogar Butter! Derselbe indische Händler verkauft seit kurzem tatsächlich auch Käse – 1kg tiefgefrorenen Cheddar aus Neuseeland bekommt man für schlappe 28 Euro (entspricht 70.000 tansanischen Shilling; durchschnittliches Monatsgehalt eines ungelernten Arbeiters: 200.000 TSH). 1,8 kg Le Gruyere aus der Schweiz kann man in Dar es Salaam für 137 Euro kaufen – der Preis spiegelt ein Stück weit den Beschaffungsaufwand wider, was bei vielen Nahrungsmitteln in Deutschland meiner Meinung nach nicht gegeben ist. Zur Freude der Kinder schafft es Nutella (im flüssigen Zustand) bis nach Lindi (das bringt einen zum Nachdenken, wenn man bedenkt, was es alles nicht bis nach Lindi schafft), das haben wir allerdings nicht konstant im Haus.

Luxus-Käse (nur im Laden!)
Frisch aus dem Ofen

Für die TansanierInnen ist das Abendessen das aufwändigste Essen des Tages. Es gibt generell warme Speisen (sehr beliebt: Pilau, Gewürzreis mit u.a. Zimt und Kardamom) und die Tatsache, dass wir von „nur Brot“ abends satt werden führt regelmäßig zu Kopfschütteln – die ersten Monate fragte Mama Fatuma generell, was sie für abends kochen sollte, bevor sie nach Hause ging.

Mwajuma knetet Teig für Samosa.

Manche der tansanischen Familien, die wir bislang kennengelernt haben, essen nicht wie wir am Tisch, sondern sitzen zum essen auf dem Boden und essen von einer gemeinsamen Schale. Gegessen wird in diesem Fall nicht mit Besteck, sondern mit den Händen, was uns vor verschiedene Herausforderungen stellt. Zum einen ist das Essen natürlich heiß (Finger verbrennen beim Essen führt zu großer Erheiterung bei den Gastgebern), zum anderen geht unter Umständen das ein oder andere auf dem Weg zum Mund verloren, wenn man eigentlich Besteck gewöhnt ist. Mats kommt dieses Vorgehen allerdings sehr entgegen.

Street Food (oder auch „frittierte Kohlenhydrate zum mitnehmen“)

Zu unserer großen Freude gibt es (wenn nicht gerade Ramadan ist) eine Vielzahl von Möglichkeiten, unterwegs und unkompliziert günstiges Essen zu kaufen. Ein sehr typisches und an jeder Ecke erhältliches Essen ist „Mandazi“ (auch „Suaheli Brötchen“ oder „Ostafrikanischer Doughnut“) – ein frittiertes Gebäck, am ehesten zu beschreiben als Krapfen (oder „Berliner“) ohne Marmelade und Puderzucker. Ebenfalls in die frittierte Ecke gehören die Samosa, mit Gemüse und/oder Fleisch gefüllte Teigtaschen aus Indien. Auch Chipsi Mayai bekommt man an jeder Ecke – Pommes, die in speziellen kleinen Pfannen in Rührei eingebacken werden. Weiterhin kaufen wir regelmäßig Chapati, Fleischspieße und Chicken, um es mit nach Hause oder auf eine Autofahrt zu nehmen. Sehr praktisch bei längeren Autofahrten sind die Verkäufer mit Cashew Nüssen, die generell am Straßenrand auf Kundschaft warten. Beliebtes Street Food ist außerdem die Cassava Wurzel, im essbaren Zustand „Mihogu“ genannt. Sie wird in Sonnenblumenöl frittiert oder gekocht und mit Salz gegessen. Tansania steht laut Agrarstatistik der FAO von 2016 mit 5,5 t jährlich an Platz 11 der größten Cassavaproduzenten weltweit (im spanischsprachigen Lateinamerika spricht man von „Yuka“, im Ursprungsland der Pflanze Brasilien, Argentinien und Paraguay von „Mandioca“).

Chicken- und Spießegrill

Einkaufen (von der Hand in den Mund)

Gekocht wird so gut wie ausschließlich aus frischen Zutaten. Die Mehrheit der Häuser ist ohne zuverlässigen Stromanschluss und ohne Kühlschrank, so dass alles, was zum kochen benötigt wird, unmittelbar vorher eingekauft oder geerntet wird. Übrigbleibendes Essen aufzubewahren ist für hiesige Verhältnisse wirklich ungewöhnlich und geht in unserem Haus so richtig gut auch erst seitdem wir die leistungsstarke Solaranlage auf dem Dach reparieren lassen konnten, die seitdem übernimmt, wenn der staatliche Strom in ca. 50% der Zeit nicht da ist. Problem bei der Vorratshaltung ist – neben der fehlenden Kühlmöglichkeit – das Ungeziefer. Die Häuser sind an allen Ecken und Enden offen (keine Fensterscheiben, Türen generell offen, vielfach keine Zimmerdecken), so dass Mäuse und Ratten ein und aus gehen. Krabbeltiere (Ameisen etc.) sind eh an der Tagesordnung, so dass das Aufbewahren von Nahrungsmitteln zur Herausforderung wird. Einfacher ist daher: Was gekocht wird, wird im Vorfeld gekauft und anschließend gegessen. Fertiges Essen ist somit nicht konstant verfügbar (nach dem Motto Kühlschrank auf, Yoghurt raus) und etwas sehr Besonderes. Das merken wir vor allem an den Kindern, die zum spielen zu uns kommen und gerne zugreifen, wenn wir Obst oder Kekse auspacken. Ein Kollege von Philipp sagte kürzlich zu mir (nachdem ich eine Einladung zur Teepause dankend abgelehnt hatte): „Wir haben hier eine chronische Nahrungsmittelknappheit in Afrika – wenn es Essen gibt, dann essen wir es!“

 Wenn nicht selbst geerntet so werden die Nahrungsmittel auf dem Hauptmarkt im Stadtzentrum oder bei kleineren Obst- und Gemüseständen eingekauft. Zusätzlich gibt es verschieden große „Tante Emma Läden“, die von Spül- und Waschmittel über Zucker und Salz, Reis, Nudeln und Bohnen, Schuhputzzeug, Besen, Küchenutensilien und oftmals ein paar Bahnen Stoff alles führen, was man zum Leben braucht. Dazu kommen indische Händler, die vor allem indische Lebensmittel anbiete, denn bis Mitte der 60er Jahre lebten schätzungsweise 15.000 indisch stämmige Menschen in Lindi – heute sind es deutlich weniger, aber es gibt immer noch eine große indische Gemeinde sowie einen Hindutempel. Mitte April 2018 eröffnete ein Supermarkt einer überregionalen Kette in Lindi, der aktuell kontinuierlich seine Regale füllt. Die Produktpalette bleibt abzuwarten!

Im indischen Großhandel in Lindi
Preisverhandlungen mit dem Fischhändler

Dass Lebensmittel entweder selbst angebaut oder auf dem Mark für den jeweiligen Tagesbedarf gekauft werden hat den großen Vorteil, dass kaum Verpackungsmaterial anfällt. Dies passt wiederum zum aktuellen Müllmanagement in Lindi – alles, was nicht in irgendeiner Form weiterverwendet werden kann wird privat verbrannt. Die Zukunft dieses Themas bleibt abzuwarten – wenn sich parallel zum neuen Supermarkt und dem deutlich anderen Warenangebot (Windeln, Konservendosen, Sprühdeos, …) nicht auch die städtische Müllabfuhr entwickelt kann ich mir aktuell nicht vorstellen, wo die neuen Mengen und Sorten von Müll bleiben werden.

Orangeneinkauf

Und was wollen wir trinken?

Während der Regenzeit (Februar – Mai) gibt es kein Wasserproblem – Alle fangen das Regenwasser in mehr oder weniger professionellen Regenrinnensystem auf (je nach Finanzkraft gibt es Regenwasserreservoirs von bis zu 50.000 Liter) und füllen Tanks und Eimer damit. Auch wir haben einen 3.000 l Regenwasssertank am Haus nachgerüstet, der sich regelmäßig füllt. Das Wasser fließt dann per Pumpe in den Hochtank und von dort aus ins Haus.Nun neigt sich die Regenzeit aber dem Ende zu und spätestens im Juni ist sie dann ganz vorbei.  In der Trockenzeit holen die Menschen in Lindi ihr Wasser aus Brunnen, die es in der Stadt an vielen Ecken gibt. In den Bereichen, wo kein Grundwasser erreichbar ist (wie zum Beispiel in unserem Stadtteil Mitwero) müssen die Menschen für ihr Wasser sehr weit laufen, oder aber Wasser kaufen. Wir trinken sowohl das Regenwasser als auch gekauftes Wasser ausschließlich nach Durchlaufen durch unseren Keramikfilter; die Einheimischen trinken das Wasser auch ohne Vorbehandlung. Wenn auswärts gegessen wird gibt es in der Regel „Soda“, also Softdrinks wie Fantavariationen u.ä. Alkohol wird wenig konsumiert. Bier in Kästen gibt es an genau einer Stelle in der Stadt zu kaufen und die Staubschicht auf den Flaschen zeugt von eher längeren Lagerzeiten. Frische Fruchtsäfte gibt es für unseren Geschmack in Lindi zu selten, betrachtet man das vielfältige Obstangebot. Zu Hause machen wir regelmäßig Maracuja-, Orangen-, Ananas- und Mangosaft.

Neben Wasser, Bier und Fruchtsäften sind wir auf eine gewisse Menge an Koffein täglich angewiesen – die lokale Variante mit Instant-Kaffepulver machen wir nur in Notfällen mit. Wir führten mehrere Field-Researches durch und kuckten uns von Anfang an die System der verschiedenen anderen ausländischen Familien an, um richtigen Kaffee zu kochen. Mittlerweile haben wir einen optimalen Weg gefunden: 92°C heißes Wasser durch einen Edelstahlfilter mit leckerem Kaffeepulver aus Dar es Salaam. Keep it simple! Und der Kaffee schmeckt!

Hamisi presst Orangensaft
Käffchen?

Zusammenfassend finde ich, dass wir eine gute Mischung aus dem lokalen Angebot mit Altbekanntem gefunden haben. Vor allem in der ersten Zeit war es für die Kinder wichtig, bei all der neuen Umgebung mittags am Essenstisch nicht mit noch mehr extrem Neuem konfrontiert zu werden – mittlerweile essen sie Ughali mit den Händen wie die Profis, spielen Chapati rollen statt Pfannkuchen machen und freuen sich weiterhin über Pudding aus mitgebrachtem Puddingpulver. Und eins ist gewiss: in unseren zwei Wochen Deutschlandurlaub Anfang Juni werden wir so viele Eisbecher essen wie möglich – dem Eis in Lindi merkt man die ständigen Stromausfälle eindeutig zu sehr an…

(w)

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Wenn Deutschland kolonialisiert worden wäre

„Wahrscheinlich würden unsere traditionellen kulturellen Praktiken, wie zum Beispiel junge Mädchen während der Karnevalssaison als Tanzmariechen in knappen, ihre Unterwäsche preisgebenden Kostümen auftreten zu lassen, als barbarisch und frauenverachtend, mindestens aber als lächerlich und rückständig gelten. In einigen Gegenden wären sie gesetzlich verboten.“
(„Wenn Deutschland kolonialisiert worden wäre“, Aram Ziai, 26.07.2017, Frankfurter Rundschau)

Heute ein kurzer Beitrag oder vielmehr Gedankenanstoß zu einem gefühlt riesigen, unglaublich schwer (vielleicht unmöglich) zu umfassenden Thema, das uns hier immer wieder von unterschiedlichen Blickwinkeln aus beschäftigt und das wir regelmäßig untereinander und auch mit anderen AusländerInnen in Lindi diskutieren. Es geht um die Frage nach dem Sinn oder Unsinn von Entwicklungszusammenarbeit, deren Ausgestaltung, Motivation, Ursprung, …. Ich fühle mich nicht im Stande, mich abschließend dazu zu äußern habe aber einen hochinteressanten Artikel von Aram Ziai (Professor der Deutschen Forschungsgemeinschaft für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien) gefunden, den ich gerne mit allen Interessierten teilen möchte.

 

Der Artikel kann hier abgerufen werden: http://www.fr.de/kultur/entwicklungspolitik-wenn-deutschland-kolonialisiert-worden-waere-a-1320125

Auch die komplette Antrittsvorlesung zur Heisenberg-Professur von Aram Ziai ist überaus lesenswert:
http://www.uni-kassel.de/fb05/fileadmin/datas/fb05/FG_Politikwissenschaften/
Entwicklungspolitik/
Antrittsvorlesung_Aram_Ziai.pdf

Ein weiterer Beitrag von Aram Ziai von 2016 findet sich hier: http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/rassismus-der-kolonalismus-in-unseren-koepfen-a-367880

 

Und für alle, die Lust haben auf neue (kartographische) Perspektiven kann ich als große Kartenfreundin folgende Weltkarte empfehlen – inklusive Begleitheft zum Einsatz in der Bildungsarbeit. Die Karte hängt auch bei uns in Lindi im Wohnzimmer und verwirrt regelmäßig BesucherInnen:

Perspektiven wechseln

Zum Weiterlesen und Schauen:

Weltkarte als Plane zum Ausleihen:
www.engagement-global.de

Begleitheft zur Weltkarte:
Link zum PDF

Beitrag von TTT vom 25.03.18 zum Thema Benin-Bronzen als Raubkunst: 
ARD Mediathek

Facebook-Gruppe „Berlin Postkolonial“ mit vielen Beiträgen und Links zum Thema:
Weiter zu FB nach dem Klick

 

(w)

 

 

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Eine Erlanger Spitzmaus am indischen Ozean

Life, oh life, oh life, oh life

(Des'ree)*

 

Aus aktuellem Anlass (dazu komme ich am Ende) heute ein kleiner Beitrag zu einem Thema, das uns seit unserer Ankunft hier begleitet.

Bereits kurz nach unserer Ankuft in Lindi gab es einen Tag, an dem wir drei verschiedene Situationen erlebten, die Ronja und Kalle und uns alle sehr beschäftigte. Alle drei Momente hatten mit dem Umgang von Kindern mit Tieren zu tun:

Am Vormittag finden wir am Strand eine kleine Wasserschlange, die anscheinend gestrandet war – sie bewegt sich nur noch wenig, ist aber ganz offensichtlich noch lebendig. Wir beobachten sie und überlegen, ob und wie wir sie wohl am besten ins Meer zurücktragen sollen. Kurz darauf kommt ein ca. 4jähriger Junge anspaziert. Er hat eine leere Plastikflasche in der Hand und nachdem er die Schlange entdeckt hat fängt er an, mit dieser Flasche auf der Schlange herumzuschlagen. Ronja und Kalle sind erstaunt und können nicht verstehen, warum der Junge das tut. Vielleicht ist es eine giftige Schlange? Gleicher Tag, gleicher Strand - eine Gruppe Kinder nähert sich, ein Kind hat eine dünne Schnur in der Hand, am unteren Ende ist etwas festgebunden. Als wir auf die Kinder treffen sehen wir, dass es ein Krebs ist, der an der Schnur relativ unsanft von hier nach da hin und her gezerrt wird. Wir fragen uns, warum der Junge den Krebst wohl festgebunden hat und ob der Krebs nicht lieber wieder seine Freiheit hätte. Die dritte Situation ereignet sich ebenfalls am Strand. Unter einem Baum liegt ein Hund auf der Seite. Er bewegt sich nicht, für uns sieht es aus als sei der tot. Um ihn herum steht eine Gruppe Kinder und bewirft den Hund mit Steinen. Sie holen weit aus und werfen möglichst kräftig. Wieder bleiben wir stehen und fragen uns, warum? Falls der Hund noch lebt, wäre es schlimm, ihn noch zusätzlich zu quälen. Und auch wenn er tot ist finden wir, sollte er seine Ruhe haben.

Gestern tauchte dann schließlich ein offensichtlich kranker/verletzter Vogel bei uns im Garten auf. Wir setzten ihn in eine Pflanze und passten auf, dass die Katze ihn sich nicht schnappte. Später am Nachmittag war der Vogel gestorben. Nun kam es zu einem Konflikt zwischen Kalle und den Nachbarkindern, die wie immer bei uns spielten: Nachbarjunge Mafuro meinte, es sei eine gute Idee den Vogel zu seinem Hund zu bringen. Der könnte ihn fressen. Kalle war eindeutig der Meinung, der Vogel müsse ordentlich begraben werden – „wie die Spitzmaus“ (im Waldkindergarten, s.u.)! Nachdem es sich nun um unseren Garten handelte fand ich, durften wir in diesem Fall auch entscheiden und Kalle gab den Vogel eh nicht mehr raus. Also holten wir einen Spaten und gruben unter den ungläubigen Blicken der Nachbarkinder ein Loch, begruben den Vogel und schickten ihm Wünsche mit in den Himmel – so hat Kalle das im Waldkindergarten gelernt und ich fand es irgendwie „fair“, dass es nun einmal andersherum war und wir diejenigen waren, die handelten, und die Nachbarkinder staunend dabei standen.

Ein kurzer Auszug aus einer Waldpost aus dem Kindergarten zum Thema Beerdigung:

„So fanden wir letzte Woche eine süße kleine Spitzmaus. Sie wurde feierlich beerdigt mit Grab und Grabschmuck, mit Singen und Räuchern und vielen Wünschen, die wir mit dem Rauch in den Himmel schickten. So wie es sich gehört für eine ordentliche Beerdigung.“ (Waldpost vom 23.02.2017).

 

 

(w)

 

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Lindi von oben

Look all around there's nothing but blue skies
Look straight ahead there's nothing but blue skies
(Jimmy Cliff)*

Die Nutzung von neuen Medien (=Internet) in Tansania erfordert erwartungsgemäß gewisse Umstellungen. Zwar gibt es eine sehr hohe Netzabdeckung, was mobiles Internet betrifft - abhängig von der Region beleben bis zu 5 Mobilfunkanbieter das Geschäft. Die Mehrheit der Menschen, zumindest in unserer ärmeren Region, benutzt Tastenhandys (für jüngere Leser: so etwas). Leute mit Smartphones  nutzen das mobile Internet vor allem für WhatsApp. Außerdem wird das Handy zunehmend für Geldverkehr eingesetzt - auch wir konnten auf diesem Wege schon Geld für unsere Autoversicherung an das Handy eines Freundes in Daressalam schicken, der sich dann für uns um alles Weitere kümmerte (und unser Auto vor einer Woche tatsächlich nach Lindi brachte!).

Als Recherche-Quelle oder Darstellungsmöglichkeit für regionale Angebote, Produkte oder Firmen wird es so gut wie gar nicht genutzt. Lokale Informationen werden ausschließlich über Empfehlungen und Gespräche, also „Mundpropaganda“ weiter gegeben, die passiert in der Regel unmittelbar und per Handy. Das Handy am Ohr ist hier somit (während Patientenkontakt, in der Chorprobe, ...) omnipräsent und löst so manches Problem (zum Beispiel ein fälschlicherweise mit Diesel betankter Landcruiser).

Bei Google Maps fanden wir somit erstmal: nichts. Keine Hotels, keine Restaurants, keine Läden. Um das Ganze noch etwas zu erschweren, war das Kartenmaterial der Satelliten-Fotos von 2011. Da stand unser Haus zwar schon, aber drum herum: nichts.

Von unserem Vorgänger Martti hörten wir, Mitwero sei eine Boom-Region, und ein sehr beliebter Vorort Lindi´s was in meinem Kopf Bilder von Gebäuden, Marktplätzen, etc. Schulen hervorzauberte, aber auf Google Maps: nichts als Gelände.

Seit nunmehr 2 Wochen hat sich zumindest eines geändert: Google hat neue Fotos hochgeladen, und zwar so neu, dass man bei unserem Haus den GIZ-eigenen Nissan Patrol Jeep im Garten stehen sieht - die Bilder müssen also in etwa von Juni 2017 sein. Die Nachbarschaft erscheint nun weniger kahl und belebter.

Unser Compound

 

Im weiteren Umfeld sieht man die neue Secondary School direkt neben uns, und überhaupt die vielen kleinen versprengten Häuser im Umkreis.

Bucht von Lindi

Fährt man von unserem Haus die Hauptstraße nach Süden (mit wunderbaren Blicken über die Bucht von Lindi) kommt zuerst linker Hand Mitema Beach, unser Haus-Strand, der oft menschenleer ist. Anschließend folgt in den nördlichen Ausläufern der Stadt das Sokoine Regional Referral Hospital mit seinen vielen Stationen.

Sokoine Regional Referral Hospital

Danach gelangt man in die „Innenstadt“ von Lindi. Dreh- und Angelpunkt ist der Clocktower Roundabout den es in fast jeder tansanischen Stadt gibt (auf dem Bild: neben Mbinga). Westlich davon ist der große Markt, wo es von Tomaten, Bananen und Kokosnüssen über Fisch, Rindfleisch und Hühnchen bis hin zu Elektrogeräten, Seilen und Werkzeug alles gibt (bei Lebensmitteln gilt generell: absolut regional und saisonal wird hier zwangsläufig tagtäglich gelebt).

Innenstadt

Südlich des Kreisverkehrs ist die CRDB-Bank, die IMMER von einem mit einer AK47 bewaffneten Polizisten bewacht wird.

Im näheren Umkreis finden sich der für uns überlebenswichtige Supermarkt (Haferflocken, Cornflakes, Milch...), Mbinga mit den besten gegrillten Masala-Hühchen, Wiebkes Nähladen, Hemu 1 mit gutem Essen (Samosa, Kabab, ..), die "Plastik-Straße" (Klohbürsten, Kleiderbügel, Wassertonnen, Besen) usw.

Richtung Meer kommt die "Inder-Straße" (zahlreiche indisch geführte Läden mit handwerklichem Material, Sanitärzubehör etc.) und mit dem „Wholesaler“ der einzige Laden, in dem man Bier bekommt - dafür kistenweise.

Im Osten schließt der endlose, weiße und karibisch-feine Sandstrand an, an der südlichen Ecke liegt idyllisch das Sea View Beach Resort Hotel und ein liegen gelassenes (gestrandetes?) bewohntes Schiff. Ein Stück weiter nördlich kann man in der Strand-Bar Santorini mit Sand unter den Füßen Bier trinken. Hier haben wir auch an einem der ersten Abende, an denen wir noch im Hotel wohnten, alle wichtigen Expats der Stadt (Sally, Matthew und Sharkey, dazu einen Österreicher, der zu Besuch aus Mtwara da war) kennen gelernt. Davon an anderer Stelle mehr…

Schaut Euch um in Google Maps oder Google Earth, erkundet die Gegend, findet interessante Sachen und fragt uns! Auch für uns ist es spannend, alles von oben sehen zu können. Die nächste Mountainbike-Tour mit Kalle wird anhand der Satellitenbilder geplant...

(p)

 

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Und nun zu etwas ganz anderem: Musik

To live without my music
Would be impossible to do
In this world of troubles
my music pulls me through

John Miles

Intro

Ich liebe Musik. Sie ist mein Begleiter in allen Lebenslagen. Mit Musik kann ich eine Auszeit nehmen, ohne den Ort wechseln zu müssen. Ich höre sie bei bestimmten Arbeiten und kann mich besser konzentrieren. Sie ist meine Muße, wenn ich mit Fotos oder Photoshop arbeite.

Ich liebe es, stimmige Compilations zu verschenken oder zur Stimmung passende Musik zu finden und zu hören. Mein lieber Kollege und aktuell ehemaliger Burgberg-Untermieter Fabian ist da sehr ähnlich und fragt nicht „was wollt ihr hören?“, sondern „gebt mir zwei Adjektive“ und sucht dann die passende Musik raus.

Über die Jahre ist meine Musiksammlung in unterschiedlichsten Medien gewachsten, von Tape, CD, später MiniDisc zu gebrannten CDs, dann Mp3s, jetzt FLAC und ALAC, und natürlich immer Vinyl.

Vinyl Einlagerung

 

Einlagerung

In den Vorbereitungen war es für mich ein großes Thema, wie es gelingen kann, so viel Musik wie möglich mit nach Afrika zu nehmen. Am Ende ist es eine kleine Festplatte mit der gesamten digitalen Sammlung geworden sowie drei Kopfhörer und ein kleiner Bluetooth-Lautsprecher Flip3 von JBL. Das ist praktisch, da wir häufig keinen Strom haben, klingt aber auch nicht soo schön. Ein bisschen liebäugle ich ja damit, eine kleine Anlage vor Ort zu kaufen. Mal sehen.

Lokale HiFi-Angebote

 

Contributors (Nachtrag)

Im Leben trifft man immer wieder Menschen, die einen, oftmals nur in einem bestimmten Bereich, aber dafür nachhaltig beeinflussen, auch wenn man es erst viel später bemerkt. Manchmal passiert das nur durch einen kleinen Moment, durch ein Gespräch, ein Geschenk; manchmal im Laufe einer langen Freundschaft.

Was die Musik betrifft, hier eine kleine (unvollständige) Liste:

  • Yogo Pausch, mein Schlagzeuglehrer. Konnte „Blue Rondo a la turk“ komplett auswendig scatten, was mich tief beeindruckte. Zeigte mir  den Jazz und das Melodiöse in der Rhythmusgruppe.
  • Arno und Veit, die mir zum 18. Ornette Coleman’s „Live at the Golden Circle Vol.1“ schenkten. Fragen? CD hören!
  • Hanna, ebenfalls aus der Schule, hat mir 2001 zwei CDs geschenkt und ein neues Genre eröffnet. „Ancient Spirit“ von Patrice. Und tatsächlich „Dancehall Caballeros“ von Seeed. Wow!
  • Emil Drexler, Diakon in Nikodemus. Ähnlicher Musik-Nerd wie Robert aus „High Fidelity“, zeigte mir wie wichtig Compilations sind und dass es auch andere Musik außer Jazz und Funk gibt. Und brachte mich auf The Notwist.
  • Jo Paluka, Schulfreund aus der WLS und DJ. Hat mich mit Downbeat-Musik (damals wusste ich noch nicht dass es so heißt) für den Abi-Film ausgestattet. Und mir die wichtigste Platte seines Vaters geliehen: Peter Herbolzheimer Rhythm Combination and Brass Live at Onkel Pö’s. Mein Eingangstor in die wunderbare Welt des Kraut-Rock-Jazz-Fusion der 60er/70er. Legendär! Vor allem Track 04 Catfish!
  • Fabi und Sascha. Die beste Band der Welt!
  • Quentin Tarantino. Steven Soderbergh / David Holmes. Zach Braff. Drei große Filmemacher, die immer sehr bewusst und gezielt auch oftmals ungewöhnliche Musik in ihren Filmen eingesetzt haben. Bei Tarantino ist es vor allem „Stuck in the Middle with you“ in  „Reservoir Dogs“. Bei Soderbergh und seinem Hauskomponisten David Holmes sind es „Out of Sight“ und die Oceans-Trilogie. Und Zach Braff hat vor allem in „Garden State“ den perfekten Musik-Ton gefunden und auch bei Scrubs seine Finger im Spiel gehabt.
  • Media Monkey, das beste Programm für Windows, um große Musiksammlungen zu organisieren. Support für externe Datenträger (mit automatischem Ausgrauen, wenn die Platte nicht dran ist), Watch-Folders und Auto-Tagging mittels Amazon-Datenbank.
  • Swinsian. Das einzige Programm, was auf dem Mac an MediaMonkey heran reicht. Unterstützt ebenfalls externe Datenträge und WatchFolders!

Open Mic!

Für den Blog versuche ich, bei meinen Beiträgen immer ein paar passende Zeilen aus einem mir oder uns wichtigen Lied an den Anfang zu stellen. Oftmals steht hinter den Zeilen des gewählten Lieds auch eine ganze Geschichte und nun hatte ich Lust, dazu ein bisschen mehr zu schreiben.

Es folgen alle verwendeten Text-Ausschnitte mit Titel und Interpret, Youtube-Link wenn vorhanden, und ein kurzer Text dazu. Die Liste wird laufend ergänzt.

Ihr habt auch ein Lied, was Euch begleitet oder eine eigene Geschichte erzählt? Ihr wollt etwas ergänzen? Schreibt in die Kommentare!

 

 

 

 

00 Bleib auf dem Laufenden

  • Max Raabe – Kein Schwein ruft mich an
  • Album: Jubiläums-Sonderausgabe 1987-1992 (Single, 1992)
  • https://www.youtube.com/watch?v=cN1LCow_BQU
  • Lieder zu E-Mails sind langweilig. Während wir uns in fernen Ländern wähnen, muss der Kontakt zur Heimat auch irgendwie retro sein. Zwar ist es schon unglaubliche 25 Jahre her, dass Max Raabe mit seinem Palast-Orchester den swingenden Sound der Comedian Harmonists der 1920er und 1930er wieder belebt hat, was damals zu einem respektablen SwingRevival führte (wer kennt noch „Mambo No.5“?), das seit einigen Jahren in Europa dank den Österreichern Parov Stelar und Waldeck als Electro-Swing neue Energie erlebt. Für mich war das Lied mit damals 10 Jahren eher unspektakulär, eine Dance-Version von Candyboy findet sich auf Nr. 14 meiner stolzen BravoHits-Sammlung 🙂
  • zum Weiterhören: die 6 besten Swing-Revival-Songs
  • zum Weiterhören: Elektro-Swing: das wirklich wunderbare „All Night“ von Parov Stelar (aufdrehen!)

 

 

 

01 Erste Schritte

  • Freundeskreis – Erste Schritte
  • Album: Esperanto (1999)
  • https://www.youtube.com/watch?v=dr0gXiSbHmA
  • Esperanto waren auch meine ersten Schritte in den (deutschen) HipHop, in einer Zeit des Aufbruchs während der Kollegstufe in der Schule, vielem Ausprobieren, vielen kulturellen Einflüsse. Bei Aufbrüchen wird auch immer gerne zurück geblickt, Schritte aus der Schule in den Zivildienst, zurückdenken an die Kindheit, neue Welten kennenlernen und dadurch alte Welten in neuem Blick sehen können. All das passt wunderbar zum ersten Eintrag unseres Blogs zu unserem großen Aufbruch.

 

 

 

02 Camera Gear

  • The Kooks – See the world
  • Album: Inside In/Inside Out (2006)
  • https://www.youtube.com/watch?v=MghHr70GWr0
  • Früh schon durch Oli,  später vor allem durch Wiebke wurde ich immer wieder gezwungen, mich aus meinem Jazz/Funk/Soul-Gefrickel heraus in rockige Gefilde zu bewegen. Die Kooks als typische britische Indie-Band haben mir vor allem mit der Akustik-Variante ihres Inside In-Albums gefallen, das bei uns als seltene Doppel-Vinyl im Schrank steht. Typyischer Sound aus dem Studium, also Mittagspause im Schlossgarten, WG-Feiern und panische Klausuren-Lerngruppen.

 

03 Ein Antrag auf…

  • Reinhard Mey – Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars
  • Album: Menschenjunges (1976)
  • https://www.youtube.com/watch?v=0_X9P5oIE8g
  • Bis ich Wiebke kennenlernte, kannte ich Reinhard Mey nur aus der Schule vom lustigen Vertretungslehrer, der immer seine Gitarre dabei hatte und über mördernde Gärtner sang. Und natürlich von diversen Volksfesten (lies: Berg), bei denen „über den Wolken“ immer ging. Jetzt lebe ich mit einem beinharten Mey-Fan zusammen und staune über die Vielfalt der Texte, die tolle Verwendung der deutschen Sprache und die meist nicht kitschige Poesie. Reinhard Mey ist knisterndes Vinyl am Abend im Burgberg.

 

 

 

04 Abschied aus der Klinik

  • John Denver – Leaving on a Jetplane
  • Album: Rhymes and Reasons (1969)
  • https://www.youtube.com/watch?v=SneCkM0bJq0
  • Wenn ich darüber nachdenke, habe ich das Lied zum ersten Mal bewusst in dem subtilen Werk „Armageddon“ von Herrn Bay wahrgenommen und seitdem hat es als quasi Dauerohrwurm meinen Kopf nicht mehr verlassen, ungefähr in gleicher Qualität wie „In the Ghetto“ von Elvis („and his mama cries..“). Zwar etwas abgegriffen für den Anlass, aber es passt einfach. Und bei Wikipedia konnte ich soeben lernen, dass der Song ursprünglich durch Einspielung von Peter, Paul and Mary bekannt wurde und erst drei Jahre später von Denver in seinem Solo-Debut erneut aufgenommen wurde. Schau an.

 

 

 

05 Abschied aus dem Waldkindergarten

  • Traditional – die Kartoffelernte
  • Leider wurde dieses Werk bislang noch keiner großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, denn man muss schon auf dem Kartoffelacker gesessen und das Lied aus voller Kehle gesungen haben, um die Bedeutung zu kennen und die tiefe Erdung zu spüren. Wir hatten einfach tolle Jahre in diesem wunderbaren Waldkindergarten.

 

 

 

06 Von Hauptwortklassen

  • Zitat von Bas Böttcher, einem deutschen Slam-Poet (das sind Leute, die auf Poetrie-Slams auftreten)
  • Zum Einstieg: https://www.youtube.com/watch?v=FDcrvmKMRCY
  • Ausnahmsweise ein Ausbruch aus dem Musikalischen, hin ins Poetische, wobei auch die Poesie in der Sprache musikalisch sein kann. Was soll man bei dem Zusammelgebastel sich fremd anfühlender Sprachbausteine auch für ein Lied nehmen? Vielleicht finden wir was passendes wenn die Sprache mal von selbst fließt…

 

 

 

07 Abflug verschoben

  • Bon Iver – Flume
  • Album: For Emma, forever ago (2007)
  • https://www.youtube.com/watch?v=LuQrLsTUcN0
  • Wo kann ich bei Bon Iver anfangen? Erstmals gehört 2009 in Tromsö in meinem Studentenzimmer in Mortensnes, entdeckt auf einer Seite für Musikempfehlungen, draußen schneebedeckte Fjorde und Skandinavienhäuser. Seitdem begleitet mich die Musik von Bon Iver fast täglich, und jedes Lied wächst weiter und entwickelt neue Texturen und Verbindungen. Flume ist das erste Lied auf dem Debüt-Solo-Album, für dessen Aufnahme er einen Winter in der väterlichen Jagdhütte in Wisconsin im Kanadischen Mainland verbracht hat, um angeblich eine Trennung zu verarbeiten. Und genauso klingt das ganze Album, nach intensiver Katharsis, der am Ende Erlösung und Fortschritt folgt. Wunderbar. Für mich in der schweren Zeit der Ungewissheit nach dem Unfall meiner Mutter ein warmer, heller Hoffnungsschimmer zwischen all dem Chaos aus Hilflosigkeit, Abreisechaos und gebrochener Aufbruchsstimmung. Flume geht weiter: „I wear my Garment so it shows, now you know. Only love is all maroon”. Es gibt nichts zu verbergen, wenn so etwas verloren geht. Flume beweist auch, dass es für ein Lied nur eine Stimme, eine Gitarre und das Lied selbst braucht: https://www.youtube.com/watch?v=yB3ULOY5e5Y – Kopfhörer aufsetzen.
  • Zur Vertiefung der Textarbeit: https://genius.com/1406339
  • Zum Weiterhören: ein Live-Konzert von November 2016, vor wenig Publikum, aber mit viel Gänsehaut hier
  • hier noch ein sehr interessanter Podcast über die Musik, Lyrics und Entstehung von „For Emma, forever ago“

 

 

 

11 No Money no water no power

  • AC/DC – High Voltage
  • Album: High Voltage (1976)
  • https://www.youtube.com/watch?v=Nnjh-zp6pP4
  • Manchmal muss es einfach knallen. Wenn gar nichts funktioniert und man sich nur im Kreis drehen könnte, braucht es Musik zum Abreagieren. Hier kommt AC/DC genau richtig, und thematisch passt es auch gut.

 

 

 

12 Abschied

  • The Notwist – Pilot
  • Album: Neon Golden (2002)
  • https://www.youtube.com/watch?v=5E0zej3qZRY
  • Was passt für so einen Anlass? Relativ schnell kam mir Pilot von The Notwist in den Sinn. Ein vorwärts treibendes elektronisches Gefrickel, dann die zarte Stimme von Markus Acher über eine Figur, die gerne mal die Steuerung übernehmen möchte, vielleicht auch die Zeit anhalten. Aber Kontrolle ist nicht möglich, sie bleibt am Rand stehen. Und die Sehnsucht ist zermürbend.
    He’s living next the rails / He can tell you things of different cars and trains / Now he’s trying the whole day / To switch off time by causing train delay”. Alles danach ist niemals wie davor. Und ein Davor kann es nie wieder geben. Genau für dieses Gefühl steht für mich die Musik von The Notwist, millionenfach gehört, kennengelernt mal wieder in einer Aufbruchphase, zwischen Zivildienst und Studium, in der Phase der Entscheidung zwischen Film und Medizin. Das sind zwar vergleichsweise lapidare Entscheidungen, aber mit dem Tod meiner Mutter ging auch ein großer Lebensabschnitt zu Ende, ein schmerzlich erwachsener Moment, wie es eine Freundin so schön ausdrückte. Und irgendwie ist man immer hilflos in solch großen Momenten, und alles zieht an einem vorbei.
  • In diesem wunderbaren Live-Video von der Tour 2012 in Paris kann man sehr eindrucksvoll sehen, wie der Übervater aller Frickler, Martin Gretschmann, konzentriert und unbeirrt mit seinen zwei Wii-Controllern (!) seine Elektro-Effektgeräte-Armada steuert. So selbst auch gesehen im E-Werk Erlangen.
  • Er steuert übrigens den Ableton mit seinen Wii-motes, für alle, die etwas damit anfangen können. Hierzu ein Bericht auf ableton.com.

 

 

 

15 Mikumi National Park

  • Eddie Vedder – Far behind
  • Album: Into the Wild OST (2007)
  • https://www.youtube.com/watch?v=iGyfD913WwE
  • Irgendwann musste mal Musik aus dem titelgebenden Film auftauchen und für die erste Safari war es dann so weit. Kaum ein Film und die dazugehörige eng verbundene Musik hat in den letzten Jahrzehnten für so viel Sehnsucht nach Natur und Wildnis gesorgt wie Sean Penns Verfilmung von John Krakauers Roman und die seelenverwandte kongeniale Musik von Pearl Jam Frontmann Eddie Vedder. Wieder nur Gitarre, Drums und Stimme, aber doch ganz anders, vom ersten Moment an in die weite Ferne ziehend, den alltäglichen Stillstand in Frage stellend, den Ausbruch aus dem urbanen Beton erzwingend. Schnell her mit einem Cabrio und los auf die endlose Straße zu den Rocky Mountains. Vielleicht auch ein bisschen 80er-Jahre-Kitsch, aber die endlose Straße mit den gelben Markierungen habe ich schon bei Knight Rider geliebt.
  • Immer wieder schön: Into the wild Trailer

 

 

 

16 Der Hahn im Müll

  • Ich wollt ich wär ein Huhn – Willy Fritsch
  • Aus dem Film „Glückskinder“ (1936)
  • https://www.youtube.com/watch?v=1Ayethw-ouQ
  • Jetzt denken alle: ha! Comedian Harmonists. Aber falsch gedacht. Erstmals taucht das inzwischen auf jedem noch so kleinen Provinz-Karnveal verramschte Lied in der deutschen Screwball-Komödie Glückskinder auf, damals vom Kino-Traumpaar Fritsch und Lillian Harvey gesungen, wohl eine Art deutscher George Clooney und Julia Roberts der 30er Jahre. Noch im gleichen Jahr wurde es dann in das Repertoire der Comedian Harmonists aufgenommen und in deren Fassung nachhaltig bekannt.
    Das Internet ist hier mal wieder Recherche-König und Weltensammler ohne Ende, denn:

    • zuletzt tauchte das Lied auf dem Soundtrack des den Deutschen eher „kritisch“ gegenüberstehenden Tarantino-Streifen „Inglorious Basterds“ auf
    • bei Youtube findet sich die Filmszene mit dem Lied: https://www.youtube.com/watch?v=1hgUx9h3nU4
    • natürlich gibt es auch den ganzen Film bei Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=V6nRL0rXALc
    • oder als DVD bei Amazon
      • das Drehbuch und die Dialogregie stammen vom großen Curt Götz (man denke an „Ein Haus in Montevideo“)
    • der Film spielt übrigens in New York City (1936!)
  • ein beliebtes Lied für anspruchsvolle Cover-Versionen

 

 

 

17 Lindi von oben

  • I can see clearly now – Jimmy Cliff
  • Album: Cool Runnings Soundtrack 1993 (echt jetzt!)
  • https://www.youtube.com/watch?v=MrHxhQPOO2c
  • Schon wieder ein Cover, das einen Song groß raus gebracht hat. Wobei es für uns 90er-Jahre-Kinder eigentlich nur die Version von Jimmy Cliff gibt, dessen erste Klänge mit seinen typischen spät-80er Synthie-Drums und den ebenfalls nach Synthie klingenden Steel Pan Sound sich ganz fest in mein Musik-Gedächtnis eingebrannt hat. Was wusste man als 11 Jahre alter Junge der Nürnberger Vorstadt schon von Reggae, von Jamaika, von schwarzer Kultur? Im Radio kam der Song damals als automatischer Reflex bei gutem Wetter oder wenn es mal so richtig entspannt sein sollte, meist auf einer Linie mit „Don’t worry be happy“ (Bobby McFerrin) und „In the summertime“ (Mungo Cherry). Wilde Exotik in den frühen 90ern (vor allem beim ZDF-Fernsehgarten, siehe Link zu In the Summertime).
  • Der Song selbst hat natürlich eine viel interessantere Geschichte, die weit über Ethno-kitschige Weltmusik-Komödien wie Cool Runnings hinaus geht. Geschrieben und veröffentlicht 1972 von Johnny Nash, dem damals ersten Ska/Rocksteady-Sänger, der als gebürtiger Texaner (!!) und damit Nicht-Jamaikaner im heiligen Kingston Town auf der Insel Reggae aufnehmen dürfte. Das Lied war 1972 ein Nummer-Eins-Hit in US, UK, Kanada.  Die Ur-Version klingt auch deutlich mehr nach handgemachten Wohnzimmer-Rocksteady und unverfälschter Stimme.
  • Es gab eine intensive, meist wenig beachtete Zusammenarbeit zwischen Johnny Nash und Bob Marley, die auch mit Cover-Versionen zu tun hat. Sie lernten sich 1968 in Jamaika kennen, Nash nahm die Wailers (damals Bob Marley, Bunny Wailer, Peter Tosh and Rita Marley) unter Vertrag und finanzierte die ersten Aufnahmen, die jedoch wenig erfolgreich blieben. Marley zog 1971 mit Nash nach London, um dort weitere Lieder aufzunehmen.
    „Stir it up“ wurde von Marley 1967 geschrieben und  mit den Wailers aufgenommen. Im Original klingt es nach den Rocksteady-Anfängen der Wailers. Bekannt wurde das Lied jedoch erst 1972 in der Londoner Aufnahme von Johnny Nash, so dass es Marley 1973 für „Catch a Fire“ wieder aufnahm und zum festen Teil seines Repertoires machte. So wurde es zum ersten Hit für Bob Marley außerhalb Jamaikas.
    Zu dieser Zusammenarbeit gibt es einen interessanten Blog-Eintrag hier, mit vielen Fotos.
  • für die ganz Harten: die Horn-Section für die Aufnahme von „I can see clearly now“ in London wurde von der damals noch unbekannten Schottischen (!) Funk-Band Average White Band gestellt, die zwei Jahre später mit „Pick up the pieces“ einen Mega-Hit landen sollten.
  • Als Randnotiz: zu dem ebenfalls in den 90ern verramschten „In the Summertime“ von Mungo Cherry gibt es ein grandioses, ästhetisch eindrucksvolles Musik-Video aus den 1970ern, inklusive Netzhemd, Swinging-Sixties-Halstuch und Glasflaschen-Blas-Perkussion: https://www.youtube.com/watch?v=wvUQcnfwUUM
    (spannend auch der Text: When the weather’s fine / You got women, you got women on your mind / Have a drink, have a drive / Go out and see what you can find

 

18 Eine Erlanger Spitzmaus…

  • Life – Des’ree
  • Album: Supernatural (1998)
  • https://www.youtube.com/watch?v=BKtrWU4zaaI
  • Und wieder in den 90ern. Ist halt einfach mein Jahrzehnt. Und auch wenn ich den Großteil des Textes dieses Songs nicht mehr erinnern kann, sind doch das Intro und die erste Zeile fest in mein Hirn eingebrannt. Und auch die folgenden Zeilen sind unlöschbar in meinem 90er-Hitradio-Kopf, die in Wikipedia explizit als Begründung aufgeführt werden, dass der Song bei einer BBC-Umfrage von 2007 den ersten Platz als „worst ever pop lyric“ geholt hat, nicht ohne Grund:
    I don’t want to see a ghost
    It’s the sight that I fear most
    I’d rather have a piece of toast
    Watch the evening news
  • Wenn man die große Poesie ausblendet, bleibt ein fluffiger Sommerhit mit einem schönen Anfang, vielleicht ein Seufzer, (schwäbisch) ach ‚es Lebbe, so isches ebbe.
  • Der zweite Platz der Lyric-Lust ging übrigens an Snap, klar, Rhythm is a dancer: I’m serious as cancer / rhythm is a dancer
  • Und wir greifen noch tiefer in die 90er-Kiste: dieses Lied kennt jeder, der in den 90ern ein Radio hatte und zwischen 6 – 25 Jahre alt war, spätestens aus der Ford Focus Werbung, damals, als er noch frisch war… Und richtig, auch von ihr. Das erklärt auch, warum das Album Supernatural eine Rezension von „Jazz thing“ bekommen hat. Da haben sie „Life“ wahrscheinlich gescippt, oder die Producer haben eine entsprechend angepasste CD verschickt, wer weiß.

 

 

 

19 Opferfest am Strand

  • Tage wie dieser – Die Toten Hosen
  • Album: „Ballast der Republik“ (2012)
  • https://www.youtube.com/watch?v=j09hpp3AxIE
  • Auszeichnungen:
    • „beliebtester Song zum Einstimmen auf die Spiele zur Europameisterschaft 2012“, Deutsche Nationalmannschaft
    • auch: ECHO Hit des Jahres 2012
  • Ich habe ja schon oft über eheliche Musik-Einflüsse gesprochen und so musste auch irgendwann die nimmer müde werdende Alt-Punk-Rock-Band „Die Toten Hosen“ ins Spiel gebracht werden. Man kann sagen, meine Frau ist Hosen-Fan. Und Rock-Fan. Irgendwie. Jedenfalls strahlt sie immer, sobald dieses Gedröhne aus dem Boxen kommt. „Tage wie dieser“ ist natürlich eines der abgenudelteren und Chart-verschlisseneren Stücke, aber es lief im Auto auf dem Weg zum Fest und passt stellenweise recht gut. Der gesamte Text ist hier nachzulesen.
  • Ansonsten beeindruckt mich an Campino das irgendwie der Punk-Philosophie widersprechende Bierernste in seinen letzten Beiträgen zur Kulturdiskussion in diesem Land (Campino beleidigt Böhmermann, Spiegel. Böhmermann kontert, youtube).
  • Zum Streit mit Böhmermann bitte unbedingt folgende für die deutsche Musik-Kultur wirklich (ernsthaft!) unglaublich wichtige Beiträge ansehen:
  • Bin ich jetzt vom Thema abgekommen? Ach ja, Hosen. Gutes Lied. Und Kauf Mich! und Reich&Sexy geht auch irgendwie 🙂

 

 

20 Lindi Bay Birthday Trip

  • The Intrudas – Ocean Magnetic
  • Album: King Size Soundtrack (2003)
  • https://www.youtube.com/watch?v=_-jBeVX4Zzk
  • Der Soundtrack zum Filmchen „Lindi Birthday Bay Trip“ stammt aus einem wunderbaren Snowboard-Film von 2003, der das BoFi-Team damals nachhaltig mit seinem Flow und Style beeindruckt hat. Wir haben einige Musik-Videos und fast alle Zwischensequenzen des Dokumentarfilms „Bleib auf dem Rhythmus“ damals an den Zwischensequenzen von „King Size“ orientiert.

  • King Size, ganzer Film hier
  • Neben den anspruchsvollen Filmaufnahmen (damals gab es noch nicht wirklich HD, Digitale Spiegelreflex-Kameras konnten noch keine Filme machen, Sachen wie GoPro und 4K wären uns nicht im Traum eingefallen, MiniDV (720×576) war das vorherrschende Format, aber KingSize war vollständig in 16mm gefilmt) war vor allem der Soundtrack ungewöhnlich, da nicht einfach nur PunkRock abgefeuert wurde, sondern ganz viel Elektronik und Soul. Die letzte Sequenz, die damals Maßstäbe setze, wurde mit der Prelude aus La Traviata hinterlegt (hier zu sehen).

  • Die Sektion von Steve Gruber mit der Musik von den Intrudas schafft es in meinen Augen, die Essenz von Snowboarden und das faszinierende Gefühl der schwebenden Freiheit einzufangen. Hier zu sehen.

  • Und so verbindet sich das kalte Schneetreiben aus King Size mit dem warmen Sandknirschen aus Lindi 🙂

 

 

21 Neonatologie in Tandahimba

  • Lazlo Bane – Superman
  • Album: All the Time in the world (2002)
  • https://www.youtube.com/watch?v=tMV8L8Jl-cw
  • vor allem bekannt als Theme-Song der Serie „Scrubs“
  • Und da geht’s auch schon los. Scrubs hat mich während meines Studiums (der Pilot lief 5 Monate nach meinem Studium-Beginn auf Pro7) und den ersten Arbeitserfahrungen eigentlich bis heute intensiv begleitet. Ich war und bin immer JD (und Fabian der Turk). Die Serie schafft es, traurige wie lustige und skurrile wie realistische Momente des „Medizinerdaseins“ in einer für Eingeweihte unglaublich hohen Authentizität darzustellen. Viele Momente sind zu RunningGags im klinischen Alltag geworden (Flachzange, Bambi Club, Slow Motion Run, Browmance unter Kollegen, erster Alarm, Nervös wie am ersten TagPanik in Gedanken,  Musik und Arbeit, ).
  • Ähnlich wie bei Garden State (siehe Intro zu diesem Beitrag) schaffte es Scrubs, sehr ungewöhnliche Musik sehr passend einzusetzen. Dazu gehört neben „Overkill“ vor allem der Theme-Song mit dem ehrlichen Bekenntnis, dass man das alles alleine überhaupt niemals schaffen kann.
  • Die Band kommt aus Kalifornien, der Song ist vom zweiten, selbst produzierten und verlegten Album.
  • Chad Fischer, Frontman der Band, war auch für die (wenige) Score-Musik zu „Garden State“ (Regie Zach Braff) zuständig, während der Soundtrack von Zach Braff (= Schauspieler von JD in Scrubs) zusammengestellt wurde und mit einem Grammy belohnt wurde.
  • Das Musikvideo wurde ebenfalls in der Regie von Zach Braff gedreht (der in meinen Augen auch viel inhaltlich und musikalisch bei Scrubs mitgemischt haben muss)

 

 

22 Erster Besuch aus Deutschland

  • Bob Dylan – Hard Travel
  • Album: Folksingers Choice (1992, 1962)
  • https://www.youtube.com/watch?v=lUw1c_0RLW8
  • Na, endlich mal Bob Dylan. Hat ja lange genug gedauert. Aber hier passen die Lyrics einfach am Besten. Das Lied hat er auch eher selten bis kaum gesungen und es stammt von einer Radiosendung, (Cynthia Gooding radio show, New York City), aufgenommen am 13. Januar 1962, ausgestrahlt am 11 März 1962. Die Tonträger sind also alles Bootlegs, was bei Dylan ja nicht unüblich ist.guthrie-bound-for-glory-cover
  • Natürlich wird es auch hier spannend: Hard Travelling wurde ursprünglich 1946 geschrieben von Woody Guthrie, einem der maßgeblichen Vorbilder und Inspirationen für Bob Dylan – der deswegen auf seinem ersten Album (5 Jahre vor Guthries Tod erschienen) auch „Song to Woody“ spielt und wiederum auch eine Melodie von Guthrie covert.
  • Ein Lied über die harten Reisebedingungen der amerikanischen Arbeiterschicht in den 40ern, Liedtext hier. In den Worten Guthries: „This is a song about the hard traveling of the working people, not the moonstruck mystic traveling of the professional vacationist. Song about a man that has rode the flat wheelers, kicked up cinders, dumped the redhot slag, hit the hard rock tunneling, hard harvesting, the hard rock jail, looking for a woman that’s hard to find.“ (Quelle).
  • Ich habe ehrlich gesagt immer noch keinen wirklichen Zugang zu Dylan gefunden, aktuell wohl aus Zeitmangel, denn interessieren tut mich der Herr schon wahnsinnig. So ein bisschen wie bei den Beatles, man kennt die Gassenhauer, aber für die Auseinandersetzung mit der komplexen (musikgeschichtlichen) Story fehlt die Zeit.

 

 

 

23 JWD

  • Bon Iver – Holocene
  • Album: Bon Iver (2011)
  • https://www.youtube.com/watch?v=TWcyIpul8OE
  • Über Bon Iver selbst will ich nicht noch mehr schreiben. Nachdem ich „For Emma, Forever ago“ unendlich mal durchgehört hatte, kam nach der kurzen EP „Blood Bank“ (mit dem großartigen meditativen und erstmals den adaptieren Vocoder verwendenen „Woods„) 2011 der zweite Longplayer „Bon Iver, Bon Iver“ heraus. Ich freute mich ungemein auf das erste Hören – und war wirklich enttäuscht. Nach dem intimen, engen Holzhütten-Sound von „For Emma“ plötzlich so ein weitläufiges, episches Album mit Soundteppichen, Synthie-Sounds und einem 80ies-Pop-Song am Ende (dessen Intro mich immer noch quält, der aber dann besser wird. Bitte eigene Meinung bilden: Beth/Rest). Ich lies das Album liegen und hörte es nach 2 Wochen noch mal an. Und dann plötzlich das Aha-Erlebnis. Das zurückhaltende Gitarren-Thema und sich steigernden Doppel-Drum-Sets bei „Perth„. Die ständigen Stilwechsel und die Gitarrenloop (1:41) bei „Minnesota, WI„. Die Elektro-Experimente und das wunderbare Thema bei „Towers„, der vielstimmige Gesang bei „Michicant„, der Kontrast zwischen S.Careys Oberstimmengesang und dem Bariton von Vernon bei „Hinnom, Tx“ und das wunder-wunder-wunderbare, sich im Verlauf entwickelnde und sich selbst überschlagende Philipp-Glass-Gedächtnis-Klavier-Thema bei „Wash„.
  • Der erfolgreichste Song auf dem Album war jedoch ungeschlagen das hier zitierte Holocene, aus Kritikersicht eines der besten Lieder des Jahres 2011, mehrfach nominiert (Grammy Lied des Jahres, Grammy Single des Jahres) und vielfach in Filmen verwendet – natürlich auch von Zach Braff in seinem zweiten (leider nicht mehr so innovativ erzählten) Spielfilm „Wish I was here“. Ich kann die Gefühle und Stimmungen, die durch dieses Lied ausgelöst werden, schwer in Worte fassen, bitte einfach in Ruhe anhören. Bei Wiki steht als Genre „Baroque Pop“, das gefällt mir
  • Der Text ist Vernon-mäßig eher verschwurbelt, es geht um das Gefühl und die Erinnerung an eine vergangene „Epoche“ mit zugehörigen Orten, Leuten und den damit verbundenen Momentaufnahmen und Erinnerungen. Und Bedeutung in der Bedeutungslosigkeit. Vernon:

„Holocene is a bar in Portland, Ore., but it’s also the name of a geologic era, an epoch if you will. It’s a good example of how all the songs are all meant to come together as this idea that places are times and people are places and times are… people? [Laughs.] They can all be different and the same at the same time. Most of our lives feel like these epochs. That’s kind of what that song’s about. “Once I knew I was not magnificent.” Our lives feel like these epochs, but really we are dust in the wind. But I think there’s a significance in that insignificance that I was trying to look at in that song.“
(Genius Lyrics).

  • wahrscheinlich DER Hipster-Song der frühen 2010er-Jahre
  • Schönes Video darüber, wie es Vernon schafft, im Lied eine bestimmte  Stimmung zu erzeugen, von Nerdwriter hier.

24 Shuleni

  • Supertramp – School
  • Album: Crime of the Century (1974)
  • https://www.youtube.com/watch?v=9gkbsOywVxU
  • Supertramp war für mich lange einfach nur eine Pop-Gruppe, die mit dem Logical Song und Goodbye Stranger ein paar Chart-Hits hatten. Mit dem Soundtrack zu „Magnolia“, wo man nach 9 eher eingängigen Songs von Aimee Mann richtiggehend aufschreckt, wenn plötzlich „Goodbye Stranger“ kommt, hatte ich Supertramp öfters im Ohr und freute mich über die Abwechslung.
  • Dann fand ich in der Düsseldorfer Plattensammlung der Tante meiner Frau neben Udo Lindenberg tatsächlich „Crime of the Century“. School ist der Opener und erstreckt sich als ProgRock-Stück über eine große Bandbreite, großartig.
  • Dieses Mal leider keine Quirky Querverweise, nur ProgRock. Ach ja, viele anderen Songs mit Schule als Thema kamen nicht in die nähere Auswahl, auch wenn es sehr viele gibt…
  • Für ganz harte Insider: in der 6. Klasse wurde mit unserer Klasse mit unserer progressiven Klassenlehrerin (wir waren ihre erste Klasse) und ihren hippen Freunden vom BR als Projekt ein Musikvideo zu „Hurra Hurra die Schule brennt“ gedreht. Harter Post-Neue-Deutsche-Welle-90er-Jahre-Tobak, nicht ohne Grund gilt das Videomaterial als verschollen..

25/26 Kolonialisierung/Bastelstunde

keine Musik

 

27 Motorrad-Alltag

  • Meat Loaf – Bat out of hell
  • Album: Bat out of Hell (1977)
  • https://www.youtube.com/watch?v=Q9hLcRU5wE4
  • Philipp, 9. Klasse, hört Radio Gong, Nürnbergs Rockradio Nummer eins. (Anmerkung: damals gab es weder Mp3 noch Internetradio noch Internet. Ich hatte seit 4 Jahren eine Quelle Universum Sterero-Anlage mit CD-Player und ca. 20 CDs, vor allem Bravo Hits. Radio war Musik-Quelle Nummer eins). Philipp mag damals ein bisschen Mainstream-Rock, also die üblichen Verdächtigen der 90er Jahre: Bon Jovi (wenig), Brian Adams (mehr), Alanis Morissette (sehr), The Cranberries (oh ja). Die Jazz-Einflüsse durch das Schlagzeug spielen begannen gerade erst. Irgendwann entdeckt er auf einer Maxi-CD (!) von Meat Loaf’s „I’d do anything for love (but I won’t do that)“ ganz am Ende die Live-Version (12:10 min) dieses Liedes und BAM, das hat ihn umgehauen. Das klingt ja wie die Musicals, in die seine Eltern ihn immer mit geschleppt haben, nur irgendwie dynamischer, und so abwechslungsreich, mit Solo-Piano, und Steigerungen usw.
  • Ein wirklich tolles Lied, sehr bombastisch, geschrieben von Jim Steinmann, der als Komponist von „Tanz der Vampire“, Bonnie Tyler’s „Total Eclipse of the heart“ und später eben auch „I’d do anything for love“ einen sehr theatralischen Stil prägte. Man nannte es dann übrigens Wagnerian Rock.
  • Die CD zählt zu den erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte mit etwa 43 Millionen Kopien. Rolling Stone Magazine führt es bei den TOP 500 Alben auf Platz 343 (Nr. 1 ist Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band von den Beatles).
  • Einige Jahre später gewann ich bei Gong eine CD und dürfte sie im Studio abholen, damals mit Thomas Stengel. Im Studio konnte ich dann mit dem Fachwissen über die exakte Dauer der Live-Version protzen, da dies für einen Übergang notwendig war.
  • Und ja, Meat Loaf ist der Dicke aus Fight Club mit den „Männertitten“
    „Between those huge sweating tits that hung enormous, the way you’d think of God’s as big.“
    siehe hier.

 

 

28 A long year

  • Radiohead – Pyramid Song
  • Album: Amnesiac (2001)
  • https://www.youtube.com/watch?v=3M_Gg1xAHE4
  • Lange Zeit habe ich es nicht gewagt, Radiohead zu hören, weil einige enge Freunde (Hallo Arno) so einen großen Respekt vor dieser Band geäußert hatten. Recht spät kam ich, ca. im ersten Semester, über „Kid A“ (2000) dann doch in den Genuss und sie gehören seither zur meistgespielten Band auf meiner Playlist. Neuere Alben stehen stolz als Vinyl im Regal.
  • Einige Lieder habe ich quasi ständig im Ohr, dazu gehört vor allem „Idioteque„, dessen kongeniales Musikvideo von Dilly Gent mich immer wieder neu fasziniert und inspiriert. Der Umgang von Radiohead mit digitalem Material, das Abstrahieren und Fassbar machen dieses emotionalen Hintergrundrauschens zwischen den Bits und Bytes trifft mich immer wieder ganz tief. Dazu die manchmal sonore, manchmal unnahbare, aber überall zu sein scheinende Stimme von Thom York, die vertrackte Rhythmik und das oft gegenläufige Spiel zum Klavier, und und und.
  • Pyramid Song kam nach der Kid-A-Platte und war zumindest von der Instrumentation her wieder etwas näher am Grunge, und Text und Musik spüren einer vergangenen Erinnerung nach, in die man sich zurückwünscht, die aber nie wieder sein kann. So ungefähr.
  • weiteres zum Reinhören: Reckoner – Album „In Rainbows“ (2007), großartig! Wird von mir gerne zum Boxen-Test verwendet
  • weiteres zum Reinhören: Everything in its right place – Album „Kid A“ (2000), elektronische Experimente
  • weiteres zum Reinhören: Lotus Flower – Album „King of Limbs“ (2011), Thom Yorke pur. Gesang ab 1:00.
  • ganz spezielles Musikvideo: The Numbers – Johnny, Thom and a CR78 – Bass, Gitarre, Drum Machine und Stimme. Genial. Regisseur Paul Thomas Anderson..!
  • ganz toller Musik-Therorie-Beitrag zur Art, wie Radiohead ihre Lieder komponieren, mit einer Reflexion über ihr Image hier
    „there is a certain utter worldliness, a sense of alienation in all of Thera music and lyrics“, und genau das trifft mich!
  • noch mehr Musik-Theorie: über die Rhythmik von „Videotape“ von VOX, sehr sehenswert!
  • zum Weiterhören: Radiohead Live from the Basement

 

 

29 Tagesausflug nach Mikindani

keine Musik. Nur Pool.

 

 

30 Über das Essen

  • Abdominal – Fast Food (DJ Format Remix)
  • Album: A right earful Vol.1 (2005)
  • Label: Antidote Records / Banquet Records
  • https://www.youtube.com/watch?v=8C31f7GbJQE
  • Ok, Hip Hop. Heiße Phase in Deutschland in den späten 90ern mit Blumentopf, Eins Zwo und Dendemann habe ich leider verpasst, aber im Studium konnte ich wie so vieles nachholen. Dank Basti bekam ich „Music for the mature B-Boy“ in die Hand, die erste Platte von DJ Format, und hatte erstmalig Kontakt mit richtig gutem Turntable-HipHop: funky, originell, voller guter Samples und relaxtem Flow der Rapper Abdominal (Canada) und Chali 2na (ja, der von Jurassic 5) und seitdem habe ich immer wieder DJ Format Lieder in die Hände bekommen.
  • Der Vergleich mit den Beastie Boys liegt nahe, aber die Sprechgesänge und überhaupt der ganze Flow ist nicht so hektisch, alles ist mehr laid back. Am besten hört man es hier, am Instrumental „Here comes the Fuzz
  • zum Reinhören: Vicious Battle Raps – das Tempo des Videos passt sich dem Tempo des Flows an..
  • zum Weiterhören: We know something you don’t know – mit Chali 2na

 

 

31 Neonatal Care Training

folgt

 

32 Serving in Mission

folgt

 

to be continued…

 

(p)

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Von Hauptwortklassen und Präfixen

Und erweitert der Mensch seine sprachlichen Möglichkeiten,
dann erweitert die Sprache die menschlichen Möglichkeiten

Bas Böttcher*

Drei Wochen vor Abflug - wir fliegen am 29.4. ab FRA über Abu Dhabi nach Dar es Salaam - sind wir zur Zeit in Bad Honnef in der AIZ (Akademie für Internationale Zusammenarbeit) bei einem Intensivsprachkurs Kiswahili. Dank toller Kinderbetreuung für Ronja und Kalle im giz-eigenen Kindergarten können Philipp und ich beide teilnehmen. Mats ist stundenweise mit den Großen in der Betreuung, teils im Kurs dabei und sorgt dort für Unterhaltung (oder schläft am Rand).

Unsere tansanische Lehrerin Betty macht ihre Sache absolut überzeugend und verhilft uns fünf TeilnehmerInnen zu einem ersten Einblick in diese für uns völlig fremde und bisweilen verwirrende Sprache. Betty gestaltet den Unterricht locker, humorvoll und voll von kleinen Geschichten am Rande, die Einblick geben nicht nur in die sprachlichen sondern auch in kulturelle Besonderheiten Tansanias.

So unterscheidet man im Kisuaheli acht Klassen von Hauptwörtern. Die Zugehörigkeiten der Wörter muss man schlicht lernen, denn feste Regeln gibt es nicht für alle Klassen, für den weiteren Aufbau eines jeden Satzes ist die Klassenzugehörigkeit aber unabdingbar wichtig.

 

Ein paar kleine Beispiele aus unseren Unterrichtseinheiten:

  • Umelalaje – Wie hast du geschlafen? Das Verb dazu heißt kulala - Für die zweite Person Singular setzt man das Präfix „u“ an den Anfang, es folgt „me“ als Vergangenheitsform und ein „je“ am Schluss, da es sich um eine Frage handelt.
  • Mimi ninakukla“. – Ich esse. Im Gegensatz dazu „Mimi sili.“ – Ich esse nicht. Das Verb dazu heißt kula - Im Falle einer Verneinung verwendet man für die erste Person Singular das Präfix „si“, das „na“ für die Präsensform fällt aufgrund der Verneinung weg und aus dem „a“ am Ende wird ein „i“. Dass „sili“ nun von „kula“ stammt – klar, oder?!... Für uns AnfängerInnen ein bisschen wie Detektivarbei, wir fühlen uns erinnert an den Lateinunterricht vor vielen vielen Jahren...
  • kunywa“ – trinken, nicht zu verwechseln mit „kunya“ – scheißen. Aufgrund folgenreicher Verwechslungsgefahr  tauchen die beiden Verben unter den ersten Zehn in jedem Reise- und Sprachführer auf.

 

Nachdem Philipp seit Anfang März unter der Woche alleine beim sogenannten „Onboarding“ in Bad Honnef auf Seminaren zu Prozessmanagement, Capacity Works und Beraterrollen war und die Kinder und ich in Erlangen, finden wir es sehr angenehm, hier nun wieder zu fünft zu sein. Für zwei Wochen sogar ohne Umzugskartons, Packlisten, Zwischenmieterlogistik, Luftfrachtplanung, ersten Abschieden von lieben FreundInnen etc...

 

Stattdessen ein Aufeinandertreffen vieler Menschen aus der ganzen Welt; wir treffen bei den gemeinsamen Mahlzeiten oder in der Kita Familien, die Ähnliches vorhaben wie wir (oder Ähnliches bereits hinter sich und nun neue Pläne haben), können Ideen austauschen, Fragen loswerden, und nicht zuletzt den Grundstein für eine (zumindest sprachliche) Verständigung in Tansania legen.

Diese neue Sprache zu lernen ist für mich wie der erste kleine Blick durch eine neue Tür – ich bin gespannt, was noch kommt!

Und nun: Mimi nitalala! Ich werde jetzt schlafen!

(w)

 

Zum Weiterhören:

Kinderlied mit Zahlen von 1-10 (Youtube)

Wer erst mal nur mit 3 Zahlen anfangen will - Suchtgefahr (Youtube)

interssante Infos über die Sprache (kanadischer Sprachwissenschaftler, youtube)

 

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Infos zu den Liedtexten finden sich hier.