Motorrad-Alltag

I’m gonna hit the highway like a battering ram
On a silver black phantom bike.
Meat Loaf, Bat out of hell*

 

Heute ein kleiner Alltagsbericht: wir wohnen nicht unmittelbar in der Stadt Lindi, sondern in Mitwero, 7km nördlich. Damit ich nicht mit dem Familienauto in die Klinik tuckern muss, haben wir uns bei unserem Aufenthalt für den Sprachkurs in Daressalam ein Motorrad gebraucht gekauft, eine nette Honda ACE 125.

Normalerweise läuft es am Morgen so ab, dass ich vor der Arbeit mit der Honda Ronja zur Schule fahre (Start ist 7:30), die praktischerweise auch in dem Vorort Mitwero gleich um die Ecke ist. Ein Großteil der Strecke geht über eine Dust-Road zwischen Feldern und einzelnen Häusern, bis man bei der Schule ankommt. Zurück auf der Hauptstraße sind es dann ca. 10 wunderbare Minuten auf einer Küstenstraße mit abwechslungsreichen Blicken auf die Bucht von Lindi bis zum Krankenhaus.

Manchmal nehme ich auch noch Kalle mit, dessen Kindergarten in der Nähe des Krankenhauses ist.

Kürzlich hatte ich also beide Kinder dabei; kurz vor Ronjas Schule auf der unebenen Straße fing das Motorrad plötzlich an zu rattern und hatte keinen Zug mehr nach vorne, Motor und Schaltung funktionierten aber problemlos. Wir hielten an und standen mitten im Nichts zwischen hohem Gras und matschiger Straße.

Hier kommt nun die Tatsache ins Spiel, die schon mein Vorgänger Martti immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt hat:

In Tansania ist alles möglich… Man muss nur die richtigen Telefonnummern haben.

Praktischerweise war mit der Honda genau das gleiche Problem schon drei Wochen zuvor an fast genau der gleichen Stelle passiert. Damals hatte ich keine Telefonnummer und habe das Motorrad zur nächsten Tankstelle geschoben – immerhin konnte ich einen Großteil des Weges bergab auf der Maschine rollen. Die Tankstellenleute holten einen befreundeten Fundi PikiPiki (Motorrad-KfZ-Mechaniker), der das Problem auch direkt lösen konnte: die Kette war herausgesprungen, weil sie sehr locker gespannt war. Ich hatte mir natürlich seine Nummer geben lassen.

Nachdem ich also das Motorrad abgestellt und gemeinsam mit Kalle Ronja das letzte Stück zu Fuß in die Schule gebracht hatte, konnte ich ganz entspannt diese Nummer anrufen. 10 Minuten später war der Fundi vor Ort und hatte gleich eine neue Kette mitgebracht. Während der Wartezeit waren ein paar Jungs auf uns aufmerksam geworden, die um die Ecke auf ihren Arbeits-LKW warteten. Es wurde direkt nach dem Problem gefragt („shida nini?“) und Hilfe angeboten („unahitaji kusaidia?“). Später halfen sie dem Fundi beim Anpassen der neuen Kette.

Nach 20 Minuten und Bezahlen von 20.000 Schilling (7,10 EUR) konnten Kalle und ich wieder weiterfahren und ich musste an Marttis Satz denken…

 

(P)

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JWD

"Someway, baby, it's part of me, apart from me"

Bon Iver*

Jans weit draußen – von verschiedenen Winkeln aus gesehen fühlten wir uns bei unseren vier Wochen in Deutschland immer wieder „fern ab“. Fern ab unseres neuen Zuhauses in Tansania, fern ab von neuen Bekanntschaften und neuen FreundInnen der Kinder, fern ab von Philipps neuer Arbeit, dem Strand und der Sonne und natürlich durch den Tod von Philipps Papa Ende November fern ab seiner Eltern, insbesondere Werner. Gegenüber der Ferienwohnung, in der wir in NRW wohnten, war das Motto sogar auf einem Windrad, dass wir durch den immer während Nebel- und Regenschleier ausmachten konnten zu lesen. Überhaupt - ein komisches Gefühl, in der alten Heimat auf einmal in einer Ferienwohnung zu residieren, fern ab.

Im Gegensatz dazu war es auch ein Wiedereintauchen in Altbekanntes. Es war wunderbar, viele FreundInnen wiederzusehen und zu spüren, wie uns alle mit altbekannter Herzlichkeit und Freundschaft begegneten. Ronja und Kalle durften einen Tag zu Besuch im Waldkindergarten sein und wir fühlten uns beim Adventssingen morgens (Philipp) und Abholen am Mittag (Wiebke) so vertraut und zu Hause wie eh und je. Wir wohnten neun Tage lang bei Maren und Hatto am Burgberg, konnten buchstäblich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit den verschiedensten Bedürfnissen aufkreuzen (Buggy, Salz, Zweitschlüssel, Kinderkleidung, Rechtsfragen ...) und viele gemütliche Abende bei Wein und Amarulla verbringen. Wir waren zu Bratwurstfrühstück, Kürbissuppe und Pizzaessen eingeladen und haben die Kinder von einem Freund/In zum/r nächsten gefahren.

Die zweite Hälfte unserer Zeit in Deutschland verbrachten wir am Niederrhein bei meinen Eltern und meinem Bruder sowie Schwester mit Familie. Der Dezember spendierte uns in Bißlich, NRW (insgesamt) vier Sonnenstunden, so dass wir eher auf Indoraktivitäten auswichen (die besten Indoorspielplätze gibt es eh in den Niederlanden). Philipp war viel mit seinem Elternhaus in Nürnberg beschäftig und nochmal einige Tage alleine dort, während die Kinder und ich viel schöne Zeit mit Cousinen, Cousin und Schwester, Tanten, Oma und Opa verbrachten. Ein Highlight für Alle war schließlich die Bescherung der Wildtiere im Biotopwildpark Anholter Schweiz. Am Morgen des Heiligabend kam dort sogar der Weihnachtsmann vorbei, um den Rentieren finnisches Moos zu bringen! Weihnachten und Neujahr im Kreise der Familie war, bei aller Traurigkeit über den Tod von Philipps Papa, ein wirkliches Geschenk! Selbst der Traum der Kinder - im Winter muss es schließlich auf jeden Fall Schnee geben - wurde wahr und wir konnten kurz nach unserer Ankunft Schlittenfahren und Schneemänner bauen!

Nach acht Monaten abseits deutscher Drogerie- und Supermärkte fiel vor allem den Kindern auf: „Das braucht man alles eigentlich gar nicht.“ (Ronja) und Mats entdeckte die Waschmaschine, Winterjacken, Einkaufswägen und Christbaumbeleuchtung noch einmal ganz neu.

Nun sind wir seit dem 4. Januar zurück in Tansania und nach einem Kurzen Zwischenstopp seit einigen Tagen auch zurück in Lindi. Nun geht die Schule wieder los und für Kalle probieren wir es in einem neuen „Kindergarten“, (sprich Preschool). Es war wunderschön und auch beruhigend zu sehen, wie sehr die Kinder und auch wir uns über die Rückkehr in unser Haus gefreut haben (Ronja hatte in den letzten Tagen in Deutschland immer wieder gesagt, dass sie auf keinen Fall zurück wolle), wie vertraut wir uns in Lindi bewegen und wie viele Menschen uns freudig begrüßen und fragen wie unsere Reise war. Kalle ist glücklich, wenn die Nachbarjungs vor dem Haus stehen und rufen „Kalle, play?!“ „Yes!“

Nun sind wir gespannt auf einen Neustart in Klinik, Schule und Kindergarten und freuen uns, morgens wieder unseren Gärtner und Freund Hamisi und Mama Fatuma zu begrüßen! Die Koffer sind ausgepackt und alle Spielzeugspenden (DANKE für Bobbycar und Co!) bis zur Übergabe an die verschiedenen Einrichtungen verräumt. Hin und wieder sind wir noch mit einer Sache beschäftigt, die unsere amerikanischen Freunde hier „Reclaiming the Territory“ nennen, sprich das Haus von Kriechtieren zu befreien und Mäuse wieder in ihre Schranken zu weisen. Als besonders wirksam erweist sich hierbei die umgehend im Markt erstandene handgemachte Rattenfalle, bestückt mit getrocknetem Fisch!

Bis zum nächsten Mal!

 

 

(w)

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Neonatologie in Tandahimba

But I can't do this all on my own
No, I know I'm no Superman

Lazlo Bane*

 

Nach fast vier Monaten Leben in Tanzania ist es nun endlich Zeit für einen ersten medizinischen Artikel. Bei all den vielen medizinischen Eindrücken fühle ich mich noch weit davon entfernt, meinen Projektkontext oder gar das System der Neugeborenenversorgung (mit seinen verschiedenen Schwestern- und Ärtze-Ausbildungsstufen, Zuständigkeiten, Materialknappheit, Medikamenten-Beschaffung, Abläufen) zu überblicken. Entsprechend schwer fällt es, darüber zu schreiben.

Die ersten Wochen wurde ich im Sokoine Hospital in Lindi eingearbeitet, das als Regional Referral Hospital das am höchsten spezialisierte (staatliche) Krankenhaus der Region Lindi darstellt. Die Region Lindi ist die drittgrößte, mit 13 Personen pro km2 bevölkerungsschwächste(Deutschland 226 Einwohner/km2) und gleichzeitig eine der ärmsten Regionen Tansanias.

Zur Orientierung ein paar Daten zu Tansania:
die Lebenserwartung bei Geburt liegt bei 65,5 Jahren (Deutschland 81,1 Jahre),
das mittlere Alter der Bevölkerung ist 17,3 (!) Jahre (Deutschland 46,2 Jahre)
(Daten von 2015, Human Development Report, PDF).

Irgendwann schreibe ich auch einen ausführlichen Beitrag über die Klinik in Lindi, das Projekt IMCH (Improvement of Maternal and Child Health) und meine Aufgaben als Development Advisor.

Jetzt geht es erst einmal um Supportive Supervision. Ein paar grundlegende Informationen vorne weg. Die medizinische Versorgung von Neugeborenen gibt es in der Region Lindi eigentlich erst seit ca. 5 Jahren durch die Arbeit meines Vor-Vorgängers Dr. Holger Brockmeyer. Zuvor wurden Neugeborene den Müttern auf die Wochenbettstation mitgegeben, speziell für Babys zuständige Ärzte gab es nicht. Eine Erstversorgung im Sinne von Stimulation oder Beatmung und Blähmanövern oder Folgebehandlungen bei LowBirthWeight oder Neugeborenensepsis wurde nicht angewendet.

Entsprechend überdurchschnittlich hoch waren Säuglingssterberate, infant mortality rate, innerhalb des ersten Lebensjahres: Deutschland 4 / 1000, Tansania 51 / 1000, Lindi 75 /1000, Zahlen von 2010-2012.
Ebenso die  Neugeborenensterberate, neonatal mortality rate, innerhalb der ersten vier Lebenswochen: Deutschland 2,7 / 1000, Tansania 26 / 1000, Lindi 35 / 1000, Zahlen von 2010 (Quellen u.a. Weltbank und Tanzania One Plan II).

Erst durch viele internationale Initiativen und engagierte lokale Ärzte sowie das GIZ-Projekt von Holger entwickelte sich langsam überhaupt eine Neugeborenenmedizin, die aber auf Grund stark begrenzter Ressourcen und Ausbildung kaum mit unserer Neonatologie vergleichbar ist. Die häufigsten drei Krankheitsbilder in der Neo hier sind perinatale Asphyxie (ca. 25%, häufig obstructive labour aufgrund mangelhafter Überwachung des Geburtsvorganges), Neugeborenensepsis (ca. 40%) und Frühgeburtlichkeit / LowBirthWeight (ca. 33%). Eine Unterscheidung zwischen LBW und Frühgeburtlichkeit ist bei mehrheitlich fehlenden Daten zur Schwangerschaftswoche kaum möglich. Bei Bewertung dieser Zahlen sollte immer bedacht werden, dass alle Diagnosestellungen nur auf klinische Beobachtung basieren und entsprechend die Übergänge zwischen Asphyxie und Sepsis fließend sind.

Zur gesundheitlichen Versorgung der spärlich besiedelten Region gibt es eine funktionell hierarchische Struktur an Versorgungsebenen, von Regional Referral Hospitals für die Region über District Hospitals für die Distrikte zu Health Centres und Dispensaries, die über die Dörfer verteilt sind.

Zur Unterstützung und nachhaltigen Weiterentwicklung der Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen wurde „Supportive Supervision and Mentoring“ entwickelt: regelmäßige Besuche in den größeren Einrichtungen, meist alle 3 Monate, in denen ausgebildete Teams den klinischen Alltag in Labour Ward und NICU/Neonatologie begleiten. Hier können sie sehen, wie Standards und Abläufe umgesetzt werden und es um die materielle Versorgung mit Medikamenten, Gerätschaften usw. steht. Da viele Fragen quasi live beim Arbeiten entstehen, bieten sich in dieser Herangehensweise auch viele Möglichkeiten für direktes Mentoring und gemeinsames Sammeln von Verbesserungsvorstellungen.

Dazwischen gibt es Fortbildungs-Einheiten mit gemeinsamen Fallbeispielen und Übungen, die sich nach dem Bedarf der Mitarbeiter richtet. Gleichzeitig werden im Rahmen der Supportive Supervision auch Daten zur Statistik gesammelt („Indicators“), von der Anzahl an Geburten (Lebend, fresh stillbirth, macerated stillbirth) über Komplikationsraten (maternal wie neonatal, also Eklampsie und postpartale Blutung ebenso wie Asphyxie, Untergewicht/Frühgeburt und Sepsis), Überweisungen und Sterberaten, aber auch Geburtsmodi und Ausstattungen gesammelt. Das ist gar nicht so einfach, digitale Dokumentation erscheint wie ein ferner Fiebertraum. Für die Datensammlung arbeitet man sich durch ca. 4-6 riesige Bücher.

Für mich bedeuten die Supportive Supervision Touren eine Möglichkeit, neben einem Einblick in unterschiedliche medizinische Arbeitsweisen auch andere Regionen dieses riesigen Landes kennen zu lernen.

Vor drei Wochen war ich erstmals mit einem Team aus der Nachbarregion Mtwara zu einer solchen  „supportive supervision & mentoring“ im Hinterland in Tandahimba unterwegs.

Da die Supervision von der Projektgruppe aus der Nachbarregion ausging, wurde ich am frühen Morgen erst einmal von unserm Fahrer nach Mtwara gebracht. Inzwischen kann ich auch auf durch diverse Baustellen und "Umleitungen"  unruhigen Fahrten problemlos auf dem Beifahrersitz schlafen.

Nach der Begrüßung im GIZ-Office und einem kurzen Kaffee ging es erst einmal zum Frühstücken, da der Fahrer noch seine Sachen holen musste. Danach fuhren wir entlang der Grenze zu Mosambique nach (Süd-)Westen ins Landesinnere über eine nicht enden wollende Dust-Road nach Tandahimba.

Die ersten 15km der Straße waren durch den Ausbau auf eine breite Teerstraße eine einzige Baustelle und in den Dörfern im weiteren Straßenverlauf konnten wir überall halb abgerissene Häuser und Markierungen sehen, denn laut Gesetz muss zwischen Straße und Haus ein Abstand von 30m bestehen. Wenn die Straße erweitert wird, verschiebt sich dieser Pflichtabstand natürlich auch, und die Häuser müssen weichen. Oder zumindest das 1/3, was in den Abstand hinein reicht. Es gibt wohl eine Entschädigung für die Hausbesitzer, aber die meisten Menschen wohnen augenscheinlich und nach Berichten tansanischer Kollegen in den verbleibenden Ruinen weiter.

Tandahimba selbst ist ein kleines, freundlich erscheinendes und sehr lebhaftes Städtchen mit einem kleinen Markt und einer großen Straße, die praktischerweise gerade frisch geteert worden und damit gesperrt war – quasi eine Fußgängerzone. An dieser Straße lag auch unser Guesthouse, und gegenüber der Laden von Mongi aus Arusha, der uns morgens und abends mit Essen, Trinken und Gesprächen versorgte.

Die Gegend um Tandahimba gehört dank der Cashewnuß-Industrie (hier die Firma einer Exil-Schwedin) zu den wohlhabenderen Regionen im südlichen Tanzania und es leben (für den Süden ungewöhnlich) viele Tansanier aus anderen Regionen in der Stadt.

Im District Hospital wurden wir herzlich begrüßt und konnten über die anschließenden vier Tage einen Einblick in den klinischen Alltag erhalten. Das Team wirkte auf mich sehr engagiert und versuchte, mit den wenigen Möglichkeiten viel zu erreichen. Für mich auf den ersten Blick ungewöhnlich war die Einteilung der Ärzte, die sowohl für den Kreisaal als auch die Neugeborenenstation gemeinsam zuständig waren. Also für die Versorgung der schwangeren Frauen und der neugeborenen Kinder. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass es das Arbeiten effizienter gemacht hat, da die Ärzte quasi schon während des Geburtsvorganges für das Kind zuständig sind.

Für alles weitere folgen fotografische Eindrücke. Weitere medizinische Berichte folgen.

 

 

(P)

 

 

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Lindi Birthday Bay Trip

Zum 5. Geburtstag von Kalle haben wir uns etwas Besonderes überlegt und mit einem Boot die wunderbare Bucht von Lindi erkundet.

Auf dem Weg konnten wir neue Blickwinkel auf unser Örtchen Lindi inklusive dem bislang unbekannten Hafen und dem häufig besuchten Seaview Hotel werfen, später sprangen wir vom Boot ins Wasser. Nach 30 Minuten Fahrt erreichten wir einen versteckten Strand an der Südseite der Bucht mit versprengten Hütten von Fischer-Familien und einem kleinen Felsvorsprung zum Klettern.

Strand in der Bucht von Lindi

Nachdem genügend Muscheln gesammelt wurden, ging es mit dem Boot wieder zurück nach Lindi.

Statt vieler Worte und Fotos gibt es diesmal ein Video von diesem Ausflug (bei gutem Internet unbedingt auf 1080p ansehen, dazu auf das Einstellungs-Symbol, das Zahnrad, im Video-Frame klicken):

 

Lindi Birthday Bay Trip on Vimeo.

Music: The Intrudas - Ocean Magnetic *

 

(P)

 

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Lindi von oben

Look all around there's nothing but blue skies
Look straight ahead there's nothing but blue skies
(Jimmy Cliff)*

Die Nutzung von neuen Medien (=Internet) in Tansania erfordert erwartungsgemäß gewisse Umstellungen. Zwar gibt es eine sehr hohe Netzabdeckung, was mobiles Internet betrifft - abhängig von der Region beleben bis zu 5 Mobilfunkanbieter das Geschäft. Die Mehrheit der Menschen, zumindest in unserer ärmeren Region, benutzt Tastenhandys (für jüngere Leser: so etwas). Leute mit Smartphones  nutzen das mobile Internet vor allem für WhatsApp. Außerdem wird das Handy zunehmend für Geldverkehr eingesetzt - auch wir konnten auf diesem Wege schon Geld für unsere Autoversicherung an das Handy eines Freundes in Daressalam schicken, der sich dann für uns um alles Weitere kümmerte (und unser Auto vor einer Woche tatsächlich nach Lindi brachte!).

Als Recherche-Quelle oder Darstellungsmöglichkeit für regionale Angebote, Produkte oder Firmen wird es so gut wie gar nicht genutzt. Lokale Informationen werden ausschließlich über Empfehlungen und Gespräche, also „Mundpropaganda“ weiter gegeben, die passiert in der Regel unmittelbar und per Handy. Das Handy am Ohr ist hier somit (während Patientenkontakt, in der Chorprobe, ...) omnipräsent und löst so manches Problem (zum Beispiel ein fälschlicherweise mit Diesel betankter Landcruiser).

Bei Google Maps fanden wir somit erstmal: nichts. Keine Hotels, keine Restaurants, keine Läden. Um das Ganze noch etwas zu erschweren, war das Kartenmaterial der Satelliten-Fotos von 2011. Da stand unser Haus zwar schon, aber drum herum: nichts.

Von unserem Vorgänger Martti hörten wir, Mitwero sei eine Boom-Region, und ein sehr beliebter Vorort Lindi´s was in meinem Kopf Bilder von Gebäuden, Marktplätzen, etc. Schulen hervorzauberte, aber auf Google Maps: nichts als Gelände.

Seit nunmehr 2 Wochen hat sich zumindest eines geändert: Google hat neue Fotos hochgeladen, und zwar so neu, dass man bei unserem Haus den GIZ-eigenen Nissan Patrol Jeep im Garten stehen sieht - die Bilder müssen also in etwa von Juni 2017 sein. Die Nachbarschaft erscheint nun weniger kahl und belebter.

Unser Compound

 

Im weiteren Umfeld sieht man die neue Secondary School direkt neben uns, und überhaupt die vielen kleinen versprengten Häuser im Umkreis.

Bucht von Lindi

Fährt man von unserem Haus die Hauptstraße nach Süden (mit wunderbaren Blicken über die Bucht von Lindi) kommt zuerst linker Hand Mitema Beach, unser Haus-Strand, der oft menschenleer ist. Anschließend folgt in den nördlichen Ausläufern der Stadt das Sokoine Regional Referral Hospital mit seinen vielen Stationen.

Sokoine Regional Referral Hospital

Danach gelangt man in die „Innenstadt“ von Lindi. Dreh- und Angelpunkt ist der Clocktower Roundabout den es in fast jeder tansanischen Stadt gibt (auf dem Bild: neben Mbinga). Westlich davon ist der große Markt, wo es von Tomaten, Bananen und Kokosnüssen über Fisch, Rindfleisch und Hühnchen bis hin zu Elektrogeräten, Seilen und Werkzeug alles gibt (bei Lebensmitteln gilt generell: absolut regional und saisonal wird hier zwangsläufig tagtäglich gelebt).

Innenstadt

Südlich des Kreisverkehrs ist die CRDB-Bank, die IMMER von einem mit einer AK47 bewaffneten Polizisten bewacht wird.

Im näheren Umkreis finden sich der für uns überlebenswichtige Supermarkt (Haferflocken, Cornflakes, Milch...), Mbinga mit den besten gegrillten Masala-Hühchen, Wiebkes Nähladen, Hemu 1 mit gutem Essen (Samosa, Kabab, ..), die "Plastik-Straße" (Klohbürsten, Kleiderbügel, Wassertonnen, Besen) usw.

Richtung Meer kommt die "Inder-Straße" (zahlreiche indisch geführte Läden mit handwerklichem Material, Sanitärzubehör etc.) und mit dem „Wholesaler“ der einzige Laden, in dem man Bier bekommt - dafür kistenweise.

Im Osten schließt der endlose, weiße und karibisch-feine Sandstrand an, an der südlichen Ecke liegt idyllisch das Sea View Beach Resort Hotel und ein liegen gelassenes (gestrandetes?) bewohntes Schiff. Ein Stück weiter nördlich kann man in der Strand-Bar Santorini mit Sand unter den Füßen Bier trinken. Hier haben wir auch an einem der ersten Abende, an denen wir noch im Hotel wohnten, alle wichtigen Expats der Stadt (Sally, Matthew und Sharkey, dazu einen Österreicher, der zu Besuch aus Mtwara da war) kennen gelernt. Davon an anderer Stelle mehr…

Schaut Euch um in Google Maps oder Google Earth, erkundet die Gegend, findet interessante Sachen und fragt uns! Auch für uns ist es spannend, alles von oben sehen zu können. Die nächste Mountainbike-Tour mit Kalle wird anhand der Satellitenbilder geplant...

(p)

 

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Und nun zu etwas ganz anderem: Musik

To live without my music
Would be impossible to do
In this world of troubles
my music pulls me through

John Miles

Intro

Ich liebe Musik. Sie ist mein Begleiter in allen Lebenslagen. Mit Musik kann ich eine Auszeit nehmen, ohne den Ort wechseln zu müssen. Ich höre sie bei bestimmten Arbeiten und kann mich besser konzentrieren. Sie ist meine Muße, wenn ich mit Fotos oder Photoshop arbeite.

Ich liebe es, stimmige Compilations zu verschenken oder zur Stimmung passende Musik zu finden und zu hören. Mein lieber Kollege und aktuell ehemaliger Burgberg-Untermieter Fabian ist da sehr ähnlich und fragt nicht „was wollt ihr hören?“, sondern „gebt mir zwei Adjektive“ und sucht dann die passende Musik raus.

Über die Jahre ist meine Musiksammlung in unterschiedlichsten Medien gewachsten, von Tape, CD, später MiniDisc zu gebrannten CDs, dann Mp3s, jetzt FLAC und ALAC, und natürlich immer Vinyl.

Vinyl Einlagerung

 

Einlagerung

In den Vorbereitungen war es für mich ein großes Thema, wie es gelingen kann, so viel Musik wie möglich mit nach Afrika zu nehmen. Am Ende ist es eine kleine Festplatte mit der gesamten digitalen Sammlung geworden sowie drei Kopfhörer und ein kleiner Bluetooth-Lautsprecher Flip3 von JBL. Das ist praktisch, da wir häufig keinen Strom haben, klingt aber auch nicht soo schön. Ein bisschen liebäugle ich ja damit, eine kleine Anlage vor Ort zu kaufen. Mal sehen.

Lokale HiFi-Angebote

 

Contributors (Nachtrag)

Im Leben trifft man immer wieder Menschen, die einen, oftmals nur in einem bestimmten Bereich, aber dafür nachhaltig beeinflussen, auch wenn man es erst viel später bemerkt. Manchmal passiert das nur durch einen kleinen Moment, durch ein Gespräch, ein Geschenk; manchmal im Laufe einer langen Freundschaft.

Was die Musik betrifft, hier eine kleine (unvollständige) Liste:

  • Yogo Pausch, mein Schlagzeuglehrer. Konnte „Blue Rondo a la turk“ komplett auswendig scatten, was mich tief beeindruckte. Zeigte mir  den Jazz und das Melodiöse in der Rhythmusgruppe.
  • Arno und Veit, die mir zum 18. Ornette Coleman’s „Live at the Golden Circle Vol.1“ schenkten. Fragen? CD hören!
  • Hanna, ebenfalls aus der Schule, hat mir 2001 zwei CDs geschenkt und ein neues Genre eröffnet. „Ancient Spirit“ von Patrice. Und tatsächlich „Dancehall Caballeros“ von Seeed. Wow!
  • Emil Drexler, Diakon in Nikodemus. Ähnlicher Musik-Nerd wie Robert aus „High Fidelity“, zeigte mir wie wichtig Compilations sind und dass es auch andere Musik außer Jazz und Funk gibt. Und brachte mich auf The Notwist.
  • Jo Paluka, Schulfreund aus der WLS und DJ. Hat mich mit Downbeat-Musik (damals wusste ich noch nicht dass es so heißt) für den Abi-Film ausgestattet. Und mir die wichtigste Platte seines Vaters geliehen: Peter Herbolzheimer Rhythm Combination and Brass Live at Onkel Pö’s. Mein Eingangstor in die wunderbare Welt des Kraut-Rock-Jazz-Fusion der 60er/70er. Legendär! Vor allem Track 04 Catfish!
  • Fabi und Sascha. Die beste Band der Welt!
  • Quentin Tarantino. Steven Soderbergh / David Holmes. Zach Braff. Drei große Filmemacher, die immer sehr bewusst und gezielt auch oftmals ungewöhnliche Musik in ihren Filmen eingesetzt haben. Bei Tarantino ist es vor allem „Stuck in the Middle with you“ in  „Reservoir Dogs“. Bei Soderbergh und seinem Hauskomponisten David Holmes sind es „Out of Sight“ und die Oceans-Trilogie. Und Zach Braff hat vor allem in „Garden State“ den perfekten Musik-Ton gefunden und auch bei Scrubs seine Finger im Spiel gehabt.
  • Media Monkey, das beste Programm für Windows, um große Musiksammlungen zu organisieren. Support für externe Datenträger (mit automatischem Ausgrauen, wenn die Platte nicht dran ist), Watch-Folders und Auto-Tagging mittels Amazon-Datenbank.
  • Swinsian. Das einzige Programm, was auf dem Mac an MediaMonkey heran reicht. Unterstützt ebenfalls externe Datenträge und WatchFolders!

Open Mic!

Für den Blog versuche ich, bei meinen Beiträgen immer ein paar passende Zeilen aus einem mir oder uns wichtigen Lied an den Anfang zu stellen. Oftmals steht hinter den Zeilen des gewählten Lieds auch eine ganze Geschichte und nun hatte ich Lust, dazu ein bisschen mehr zu schreiben.

Es folgen alle verwendeten Text-Ausschnitte mit Titel und Interpret, Youtube-Link wenn vorhanden, und ein kurzer Text dazu. Die Liste wird laufend ergänzt.

Ihr habt auch ein Lied, was Euch begleitet oder eine eigene Geschichte erzählt? Ihr wollt etwas ergänzen? Schreibt in die Kommentare!

 

 

 

 

00 Bleib auf dem Laufenden

  • Max Raabe – Kein Schwein ruft mich an
  • Album: Jubiläums-Sonderausgabe 1987-1992 (Single, 1992)
  • https://www.youtube.com/watch?v=cN1LCow_BQU
  • Lieder zu E-Mails sind langweilig. Während wir uns in fernen Ländern wähnen, muss der Kontakt zur Heimat auch irgendwie retro sein. Zwar ist es schon unglaubliche 25 Jahre her, dass Max Raabe mit seinem Palast-Orchester den swingenden Sound der Comedian Harmonists der 1920er und 1930er wieder belebt hat, was damals zu einem respektablen SwingRevival führte (wer kennt noch „Mambo No.5“?), das seit einigen Jahren in Europa dank den Österreichern Parov Stelar und Waldeck als Electro-Swing neue Energie erlebt. Für mich war das Lied mit damals 10 Jahren eher unspektakulär, eine Dance-Version von Candyboy findet sich auf Nr. 14 meiner stolzen BravoHits-Sammlung 🙂
  • zum Weiterhören: die 6 besten Swing-Revival-Songs
  • zum Weiterhören: Elektro-Swing: das wirklich wunderbare „All Night“ von Parov Stelar (aufdrehen!)

 

 

 

01 Erste Schritte

  • Freundeskreis – Erste Schritte
  • Album: Esperanto (1999)
  • https://www.youtube.com/watch?v=dr0gXiSbHmA
  • Esperanto waren auch meine ersten Schritte in den (deutschen) HipHop, in einer Zeit des Aufbruchs während der Kollegstufe in der Schule, vielem Ausprobieren, vielen kulturellen Einflüsse. Bei Aufbrüchen wird auch immer gerne zurück geblickt, Schritte aus der Schule in den Zivildienst, zurückdenken an die Kindheit, neue Welten kennenlernen und dadurch alte Welten in neuem Blick sehen können. All das passt wunderbar zum ersten Eintrag unseres Blogs zu unserem großen Aufbruch.

 

 

 

02 Camera Gear

  • The Kooks – See the world
  • Album: Inside In/Inside Out (2006)
  • https://www.youtube.com/watch?v=MghHr70GWr0
  • Früh schon durch Oli,  später vor allem durch Wiebke wurde ich immer wieder gezwungen, mich aus meinem Jazz/Funk/Soul-Gefrickel heraus in rockige Gefilde zu bewegen. Die Kooks als typische britische Indie-Band haben mir vor allem mit der Akustik-Variante ihres Inside In-Albums gefallen, das bei uns als seltene Doppel-Vinyl im Schrank steht. Typyischer Sound aus dem Studium, also Mittagspause im Schlossgarten, WG-Feiern und panische Klausuren-Lerngruppen.

 

03 Ein Antrag auf…

  • Reinhard Mey – Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars
  • Album: Menschenjunges (1976)
  • https://www.youtube.com/watch?v=0_X9P5oIE8g
  • Bis ich Wiebke kennenlernte, kannte ich Reinhard Mey nur aus der Schule vom lustigen Vertretungslehrer, der immer seine Gitarre dabei hatte und über mördernde Gärtner sang. Und natürlich von diversen Volksfesten (lies: Berg), bei denen „über den Wolken“ immer ging. Jetzt lebe ich mit einem beinharten Mey-Fan zusammen und staune über die Vielfalt der Texte, die tolle Verwendung der deutschen Sprache und die meist nicht kitschige Poesie. Reinhard Mey ist knisterndes Vinyl am Abend im Burgberg.

 

 

 

04 Abschied aus der Klinik

  • John Denver – Leaving on a Jetplane
  • Album: Rhymes and Reasons (1969)
  • https://www.youtube.com/watch?v=SneCkM0bJq0
  • Wenn ich darüber nachdenke, habe ich das Lied zum ersten Mal bewusst in dem subtilen Werk „Armageddon“ von Herrn Bay wahrgenommen und seitdem hat es als quasi Dauerohrwurm meinen Kopf nicht mehr verlassen, ungefähr in gleicher Qualität wie „In the Ghetto“ von Elvis („and his mama cries..“). Zwar etwas abgegriffen für den Anlass, aber es passt einfach. Und bei Wikipedia konnte ich soeben lernen, dass der Song ursprünglich durch Einspielung von Peter, Paul and Mary bekannt wurde und erst drei Jahre später von Denver in seinem Solo-Debut erneut aufgenommen wurde. Schau an.

 

 

 

05 Abschied aus dem Waldkindergarten

  • Traditional – die Kartoffelernte
  • Leider wurde dieses Werk bislang noch keiner großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, denn man muss schon auf dem Kartoffelacker gesessen und das Lied aus voller Kehle gesungen haben, um die Bedeutung zu kennen und die tiefe Erdung zu spüren. Wir hatten einfach tolle Jahre in diesem wunderbaren Waldkindergarten.

 

 

 

06 Von Hauptwortklassen

  • Zitat von Bas Böttcher, einem deutschen Slam-Poet (das sind Leute, die auf Poetrie-Slams auftreten)
  • Zum Einstieg: https://www.youtube.com/watch?v=FDcrvmKMRCY
  • Ausnahmsweise ein Ausbruch aus dem Musikalischen, hin ins Poetische, wobei auch die Poesie in der Sprache musikalisch sein kann. Was soll man bei dem Zusammelgebastel sich fremd anfühlender Sprachbausteine auch für ein Lied nehmen? Vielleicht finden wir was passendes wenn die Sprache mal von selbst fließt…

 

 

 

07 Abflug verschoben

  • Bon Iver – Flume
  • Album: For Emma, forever ago (2007)
  • https://www.youtube.com/watch?v=LuQrLsTUcN0
  • Wo kann ich bei Bon Iver anfangen? Erstmals gehört 2009 in Tromsö in meinem Studentenzimmer in Mortensnes, entdeckt auf einer Seite für Musikempfehlungen, draußen schneebedeckte Fjorde und Skandinavienhäuser. Seitdem begleitet mich die Musik von Bon Iver fast täglich, und jedes Lied wächst weiter und entwickelt neue Texturen und Verbindungen. Flume ist das erste Lied auf dem Debüt-Solo-Album, für dessen Aufnahme er einen Winter in der väterlichen Jagdhütte in Wisconsin im Kanadischen Mainland verbracht hat, um angeblich eine Trennung zu verarbeiten. Und genauso klingt das ganze Album, nach intensiver Katharsis, der am Ende Erlösung und Fortschritt folgt. Wunderbar. Für mich in der schweren Zeit der Ungewissheit nach dem Unfall meiner Mutter ein warmer, heller Hoffnungsschimmer zwischen all dem Chaos aus Hilflosigkeit, Abreisechaos und gebrochener Aufbruchsstimmung. Flume geht weiter: „I wear my Garment so it shows, now you know. Only love is all maroon”. Es gibt nichts zu verbergen, wenn so etwas verloren geht. Flume beweist auch, dass es für ein Lied nur eine Stimme, eine Gitarre und das Lied selbst braucht: https://www.youtube.com/watch?v=yB3ULOY5e5Y – Kopfhörer aufsetzen.
  • Zur Vertiefung der Textarbeit: https://genius.com/1406339
  • Zum Weiterhören: ein Live-Konzert von November 2016, vor wenig Publikum, aber mit viel Gänsehaut hier
  • hier noch ein sehr interessanter Podcast über die Musik, Lyrics und Entstehung von „For Emma, forever ago“

 

 

 

11 No Money no water no power

  • AC/DC – High Voltage
  • Album: High Voltage (1976)
  • https://www.youtube.com/watch?v=Nnjh-zp6pP4
  • Manchmal muss es einfach knallen. Wenn gar nichts funktioniert und man sich nur im Kreis drehen könnte, braucht es Musik zum Abreagieren. Hier kommt AC/DC genau richtig, und thematisch passt es auch gut.

 

 

 

12 Abschied

  • The Notwist – Pilot
  • Album: Neon Golden (2002)
  • https://www.youtube.com/watch?v=5E0zej3qZRY
  • Was passt für so einen Anlass? Relativ schnell kam mir Pilot von The Notwist in den Sinn. Ein vorwärts treibendes elektronisches Gefrickel, dann die zarte Stimme von Markus Acher über eine Figur, die gerne mal die Steuerung übernehmen möchte, vielleicht auch die Zeit anhalten. Aber Kontrolle ist nicht möglich, sie bleibt am Rand stehen. Und die Sehnsucht ist zermürbend.
    He’s living next the rails / He can tell you things of different cars and trains / Now he’s trying the whole day / To switch off time by causing train delay”. Alles danach ist niemals wie davor. Und ein Davor kann es nie wieder geben. Genau für dieses Gefühl steht für mich die Musik von The Notwist, millionenfach gehört, kennengelernt mal wieder in einer Aufbruchphase, zwischen Zivildienst und Studium, in der Phase der Entscheidung zwischen Film und Medizin. Das sind zwar vergleichsweise lapidare Entscheidungen, aber mit dem Tod meiner Mutter ging auch ein großer Lebensabschnitt zu Ende, ein schmerzlich erwachsener Moment, wie es eine Freundin so schön ausdrückte. Und irgendwie ist man immer hilflos in solch großen Momenten, und alles zieht an einem vorbei.
  • In diesem wunderbaren Live-Video von der Tour 2012 in Paris kann man sehr eindrucksvoll sehen, wie der Übervater aller Frickler, Martin Gretschmann, konzentriert und unbeirrt mit seinen zwei Wii-Controllern (!) seine Elektro-Effektgeräte-Armada steuert. So selbst auch gesehen im E-Werk Erlangen.
  • Er steuert übrigens den Ableton mit seinen Wii-motes, für alle, die etwas damit anfangen können. Hierzu ein Bericht auf ableton.com.

 

 

 

15 Mikumi National Park

  • Eddie Vedder – Far behind
  • Album: Into the Wild OST (2007)
  • https://www.youtube.com/watch?v=iGyfD913WwE
  • Irgendwann musste mal Musik aus dem titelgebenden Film auftauchen und für die erste Safari war es dann so weit. Kaum ein Film und die dazugehörige eng verbundene Musik hat in den letzten Jahrzehnten für so viel Sehnsucht nach Natur und Wildnis gesorgt wie Sean Penns Verfilmung von John Krakauers Roman und die seelenverwandte kongeniale Musik von Pearl Jam Frontmann Eddie Vedder. Wieder nur Gitarre, Drums und Stimme, aber doch ganz anders, vom ersten Moment an in die weite Ferne ziehend, den alltäglichen Stillstand in Frage stellend, den Ausbruch aus dem urbanen Beton erzwingend. Schnell her mit einem Cabrio und los auf die endlose Straße zu den Rocky Mountains. Vielleicht auch ein bisschen 80er-Jahre-Kitsch, aber die endlose Straße mit den gelben Markierungen habe ich schon bei Knight Rider geliebt.
  • Immer wieder schön: Into the wild Trailer

 

 

 

16 Der Hahn im Müll

  • Ich wollt ich wär ein Huhn – Willy Fritsch
  • Aus dem Film „Glückskinder“ (1936)
  • https://www.youtube.com/watch?v=1Ayethw-ouQ
  • Jetzt denken alle: ha! Comedian Harmonists. Aber falsch gedacht. Erstmals taucht das inzwischen auf jedem noch so kleinen Provinz-Karnveal verramschte Lied in der deutschen Screwball-Komödie Glückskinder auf, damals vom Kino-Traumpaar Fritsch und Lillian Harvey gesungen, wohl eine Art deutscher George Clooney und Julia Roberts der 30er Jahre. Noch im gleichen Jahr wurde es dann in das Repertoire der Comedian Harmonists aufgenommen und in deren Fassung nachhaltig bekannt.
    Das Internet ist hier mal wieder Recherche-König und Weltensammler ohne Ende, denn:

    • zuletzt tauchte das Lied auf dem Soundtrack des den Deutschen eher „kritisch“ gegenüberstehenden Tarantino-Streifen „Inglorious Basterds“ auf
    • bei Youtube findet sich die Filmszene mit dem Lied: https://www.youtube.com/watch?v=1hgUx9h3nU4
    • natürlich gibt es auch den ganzen Film bei Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=V6nRL0rXALc
    • oder als DVD bei Amazon
      • das Drehbuch und die Dialogregie stammen vom großen Curt Götz (man denke an „Ein Haus in Montevideo“)
    • der Film spielt übrigens in New York City (1936!)
  • ein beliebtes Lied für anspruchsvolle Cover-Versionen

 

 

 

17 Lindi von oben

  • I can see clearly now – Jimmy Cliff
  • Album: Cool Runnings Soundtrack 1993 (echt jetzt!)
  • https://www.youtube.com/watch?v=MrHxhQPOO2c
  • Schon wieder ein Cover, das einen Song groß raus gebracht hat. Wobei es für uns 90er-Jahre-Kinder eigentlich nur die Version von Jimmy Cliff gibt, dessen erste Klänge mit seinen typischen spät-80er Synthie-Drums und den ebenfalls nach Synthie klingenden Steel Pan Sound sich ganz fest in mein Musik-Gedächtnis eingebrannt hat. Was wusste man als 11 Jahre alter Junge der Nürnberger Vorstadt schon von Reggae, von Jamaika, von schwarzer Kultur? Im Radio kam der Song damals als automatischer Reflex bei gutem Wetter oder wenn es mal so richtig entspannt sein sollte, meist auf einer Linie mit „Don’t worry be happy“ (Bobby McFerrin) und „In the summertime“ (Mungo Cherry). Wilde Exotik in den frühen 90ern (vor allem beim ZDF-Fernsehgarten, siehe Link zu In the Summertime).
  • Der Song selbst hat natürlich eine viel interessantere Geschichte, die weit über Ethno-kitschige Weltmusik-Komödien wie Cool Runnings hinaus geht. Geschrieben und veröffentlicht 1972 von Johnny Nash, dem damals ersten Ska/Rocksteady-Sänger, der als gebürtiger Texaner (!!) und damit Nicht-Jamaikaner im heiligen Kingston Town auf der Insel Reggae aufnehmen dürfte. Das Lied war 1972 ein Nummer-Eins-Hit in US, UK, Kanada.  Die Ur-Version klingt auch deutlich mehr nach handgemachten Wohnzimmer-Rocksteady und unverfälschter Stimme.
  • Es gab eine intensive, meist wenig beachtete Zusammenarbeit zwischen Johnny Nash und Bob Marley, die auch mit Cover-Versionen zu tun hat. Sie lernten sich 1968 in Jamaika kennen, Nash nahm die Wailers (damals Bob Marley, Bunny Wailer, Peter Tosh and Rita Marley) unter Vertrag und finanzierte die ersten Aufnahmen, die jedoch wenig erfolgreich blieben. Marley zog 1971 mit Nash nach London, um dort weitere Lieder aufzunehmen.
    „Stir it up“ wurde von Marley 1967 geschrieben und  mit den Wailers aufgenommen. Im Original klingt es nach den Rocksteady-Anfängen der Wailers. Bekannt wurde das Lied jedoch erst 1972 in der Londoner Aufnahme von Johnny Nash, so dass es Marley 1973 für „Catch a Fire“ wieder aufnahm und zum festen Teil seines Repertoires machte. So wurde es zum ersten Hit für Bob Marley außerhalb Jamaikas.
    Zu dieser Zusammenarbeit gibt es einen interessanten Blog-Eintrag hier, mit vielen Fotos.
  • für die ganz Harten: die Horn-Section für die Aufnahme von „I can see clearly now“ in London wurde von der damals noch unbekannten Schottischen (!) Funk-Band Average White Band gestellt, die zwei Jahre später mit „Pick up the pieces“ einen Mega-Hit landen sollten.
  • Als Randnotiz: zu dem ebenfalls in den 90ern verramschten „In the Summertime“ von Mungo Cherry gibt es ein grandioses, ästhetisch eindrucksvolles Musik-Video aus den 1970ern, inklusive Netzhemd, Swinging-Sixties-Halstuch und Glasflaschen-Blas-Perkussion: https://www.youtube.com/watch?v=wvUQcnfwUUM
    (spannend auch der Text: When the weather’s fine / You got women, you got women on your mind / Have a drink, have a drive / Go out and see what you can find

 

18 Eine Erlanger Spitzmaus…

  • Life – Des’ree
  • Album: Supernatural (1998)
  • https://www.youtube.com/watch?v=BKtrWU4zaaI
  • Und wieder in den 90ern. Ist halt einfach mein Jahrzehnt. Und auch wenn ich den Großteil des Textes dieses Songs nicht mehr erinnern kann, sind doch das Intro und die erste Zeile fest in mein Hirn eingebrannt. Und auch die folgenden Zeilen sind unlöschbar in meinem 90er-Hitradio-Kopf, die in Wikipedia explizit als Begründung aufgeführt werden, dass der Song bei einer BBC-Umfrage von 2007 den ersten Platz als „worst ever pop lyric“ geholt hat, nicht ohne Grund:
    I don’t want to see a ghost
    It’s the sight that I fear most
    I’d rather have a piece of toast
    Watch the evening news
  • Wenn man die große Poesie ausblendet, bleibt ein fluffiger Sommerhit mit einem schönen Anfang, vielleicht ein Seufzer, (schwäbisch) ach ‚es Lebbe, so isches ebbe.
  • Der zweite Platz der Lyric-Lust ging übrigens an Snap, klar, Rhythm is a dancer: I’m serious as cancer / rhythm is a dancer
  • Und wir greifen noch tiefer in die 90er-Kiste: dieses Lied kennt jeder, der in den 90ern ein Radio hatte und zwischen 6 – 25 Jahre alt war, spätestens aus der Ford Focus Werbung, damals, als er noch frisch war… Und richtig, auch von ihr. Das erklärt auch, warum das Album Supernatural eine Rezension von „Jazz thing“ bekommen hat. Da haben sie „Life“ wahrscheinlich gescippt, oder die Producer haben eine entsprechend angepasste CD verschickt, wer weiß.

 

 

 

19 Opferfest am Strand

  • Tage wie dieser – Die Toten Hosen
  • Album: „Ballast der Republik“ (2012)
  • https://www.youtube.com/watch?v=j09hpp3AxIE
  • Auszeichnungen:
    • „beliebtester Song zum Einstimmen auf die Spiele zur Europameisterschaft 2012“, Deutsche Nationalmannschaft
    • auch: ECHO Hit des Jahres 2012
  • Ich habe ja schon oft über eheliche Musik-Einflüsse gesprochen und so musste auch irgendwann die nimmer müde werdende Alt-Punk-Rock-Band „Die Toten Hosen“ ins Spiel gebracht werden. Man kann sagen, meine Frau ist Hosen-Fan. Und Rock-Fan. Irgendwie. Jedenfalls strahlt sie immer, sobald dieses Gedröhne aus dem Boxen kommt. „Tage wie dieser“ ist natürlich eines der abgenudelteren und Chart-verschlisseneren Stücke, aber es lief im Auto auf dem Weg zum Fest und passt stellenweise recht gut. Der gesamte Text ist hier nachzulesen.
  • Ansonsten beeindruckt mich an Campino das irgendwie der Punk-Philosophie widersprechende Bierernste in seinen letzten Beiträgen zur Kulturdiskussion in diesem Land (Campino beleidigt Böhmermann, Spiegel. Böhmermann kontert, youtube).
  • Zum Streit mit Böhmermann bitte unbedingt folgende für die deutsche Musik-Kultur wirklich (ernsthaft!) unglaublich wichtige Beiträge ansehen:
  • Bin ich jetzt vom Thema abgekommen? Ach ja, Hosen. Gutes Lied. Und Kauf Mich! und Reich&Sexy geht auch irgendwie 🙂

 

 

20 Lindi Bay Birthday Trip

  • The Intrudas – Ocean Magnetic
  • Album: King Size Soundtrack (2003)
  • https://www.youtube.com/watch?v=_-jBeVX4Zzk
  • Der Soundtrack zum Filmchen „Lindi Birthday Bay Trip“ stammt aus einem wunderbaren Snowboard-Film von 2003, der das BoFi-Team damals nachhaltig mit seinem Flow und Style beeindruckt hat. Wir haben einige Musik-Videos und fast alle Zwischensequenzen des Dokumentarfilms „Bleib auf dem Rhythmus“ damals an den Zwischensequenzen von „King Size“ orientiert.

  • King Size, ganzer Film hier
  • Neben den anspruchsvollen Filmaufnahmen (damals gab es noch nicht wirklich HD, Digitale Spiegelreflex-Kameras konnten noch keine Filme machen, Sachen wie GoPro und 4K wären uns nicht im Traum eingefallen, MiniDV (720×576) war das vorherrschende Format, aber KingSize war vollständig in 16mm gefilmt) war vor allem der Soundtrack ungewöhnlich, da nicht einfach nur PunkRock abgefeuert wurde, sondern ganz viel Elektronik und Soul. Die letzte Sequenz, die damals Maßstäbe setze, wurde mit der Prelude aus La Traviata hinterlegt (hier zu sehen).

  • Die Sektion von Steve Gruber mit der Musik von den Intrudas schafft es in meinen Augen, die Essenz von Snowboarden und das faszinierende Gefühl der schwebenden Freiheit einzufangen. Hier zu sehen.

  • Und so verbindet sich das kalte Schneetreiben aus King Size mit dem warmen Sandknirschen aus Lindi 🙂

 

 

21 Neonatologie in Tandahimba

  • Lazlo Bane – Superman
  • Album: All the Time in the world (2002)
  • https://www.youtube.com/watch?v=tMV8L8Jl-cw
  • vor allem bekannt als Theme-Song der Serie „Scrubs“
  • Und da geht’s auch schon los. Scrubs hat mich während meines Studiums (der Pilot lief 5 Monate nach meinem Studium-Beginn auf Pro7) und den ersten Arbeitserfahrungen eigentlich bis heute intensiv begleitet. Ich war und bin immer JD (und Fabian der Turk). Die Serie schafft es, traurige wie lustige und skurrile wie realistische Momente des „Medizinerdaseins“ in einer für Eingeweihte unglaublich hohen Authentizität darzustellen. Viele Momente sind zu RunningGags im klinischen Alltag geworden (Flachzange, Bambi Club, Slow Motion Run, Browmance unter Kollegen, erster Alarm, Nervös wie am ersten TagPanik in Gedanken,  Musik und Arbeit, ).
  • Ähnlich wie bei Garden State (siehe Intro zu diesem Beitrag) schaffte es Scrubs, sehr ungewöhnliche Musik sehr passend einzusetzen. Dazu gehört neben „Overkill“ vor allem der Theme-Song mit dem ehrlichen Bekenntnis, dass man das alles alleine überhaupt niemals schaffen kann.
  • Die Band kommt aus Kalifornien, der Song ist vom zweiten, selbst produzierten und verlegten Album.
  • Chad Fischer, Frontman der Band, war auch für die (wenige) Score-Musik zu „Garden State“ (Regie Zach Braff) zuständig, während der Soundtrack von Zach Braff (= Schauspieler von JD in Scrubs) zusammengestellt wurde und mit einem Grammy belohnt wurde.
  • Das Musikvideo wurde ebenfalls in der Regie von Zach Braff gedreht (der in meinen Augen auch viel inhaltlich und musikalisch bei Scrubs mitgemischt haben muss)

 

 

22 Erster Besuch aus Deutschland

  • Bob Dylan – Hard Travel
  • Album: Folksingers Choice (1992, 1962)
  • https://www.youtube.com/watch?v=lUw1c_0RLW8
  • Na, endlich mal Bob Dylan. Hat ja lange genug gedauert. Aber hier passen die Lyrics einfach am Besten. Das Lied hat er auch eher selten bis kaum gesungen und es stammt von einer Radiosendung, (Cynthia Gooding radio show, New York City), aufgenommen am 13. Januar 1962, ausgestrahlt am 11 März 1962. Die Tonträger sind also alles Bootlegs, was bei Dylan ja nicht unüblich ist.guthrie-bound-for-glory-cover
  • Natürlich wird es auch hier spannend: Hard Travelling wurde ursprünglich 1946 geschrieben von Woody Guthrie, einem der maßgeblichen Vorbilder und Inspirationen für Bob Dylan – der deswegen auf seinem ersten Album (5 Jahre vor Guthries Tod erschienen) auch „Song to Woody“ spielt und wiederum auch eine Melodie von Guthrie covert.
  • Ein Lied über die harten Reisebedingungen der amerikanischen Arbeiterschicht in den 40ern, Liedtext hier. In den Worten Guthries: „This is a song about the hard traveling of the working people, not the moonstruck mystic traveling of the professional vacationist. Song about a man that has rode the flat wheelers, kicked up cinders, dumped the redhot slag, hit the hard rock tunneling, hard harvesting, the hard rock jail, looking for a woman that’s hard to find.“ (Quelle).
  • Ich habe ehrlich gesagt immer noch keinen wirklichen Zugang zu Dylan gefunden, aktuell wohl aus Zeitmangel, denn interessieren tut mich der Herr schon wahnsinnig. So ein bisschen wie bei den Beatles, man kennt die Gassenhauer, aber für die Auseinandersetzung mit der komplexen (musikgeschichtlichen) Story fehlt die Zeit.

 

 

 

23 JWD

  • Bon Iver – Holocene
  • Album: Bon Iver (2011)
  • https://www.youtube.com/watch?v=TWcyIpul8OE
  • Über Bon Iver selbst will ich nicht noch mehr schreiben. Nachdem ich „For Emma, Forever ago“ unendlich mal durchgehört hatte, kam nach der kurzen EP „Blood Bank“ (mit dem großartigen meditativen und erstmals den adaptieren Vocoder verwendenen „Woods„) 2011 der zweite Longplayer „Bon Iver, Bon Iver“ heraus. Ich freute mich ungemein auf das erste Hören – und war wirklich enttäuscht. Nach dem intimen, engen Holzhütten-Sound von „For Emma“ plötzlich so ein weitläufiges, episches Album mit Soundteppichen, Synthie-Sounds und einem 80ies-Pop-Song am Ende (dessen Intro mich immer noch quält, der aber dann besser wird. Bitte eigene Meinung bilden: Beth/Rest). Ich lies das Album liegen und hörte es nach 2 Wochen noch mal an. Und dann plötzlich das Aha-Erlebnis. Das zurückhaltende Gitarren-Thema und sich steigernden Doppel-Drum-Sets bei „Perth„. Die ständigen Stilwechsel und die Gitarrenloop (1:41) bei „Minnesota, WI„. Die Elektro-Experimente und das wunderbare Thema bei „Towers„, der vielstimmige Gesang bei „Michicant„, der Kontrast zwischen S.Careys Oberstimmengesang und dem Bariton von Vernon bei „Hinnom, Tx“ und das wunder-wunder-wunderbare, sich im Verlauf entwickelnde und sich selbst überschlagende Philipp-Glass-Gedächtnis-Klavier-Thema bei „Wash„.
  • Der erfolgreichste Song auf dem Album war jedoch ungeschlagen das hier zitierte Holocene, aus Kritikersicht eines der besten Lieder des Jahres 2011, mehrfach nominiert (Grammy Lied des Jahres, Grammy Single des Jahres) und vielfach in Filmen verwendet – natürlich auch von Zach Braff in seinem zweiten (leider nicht mehr so innovativ erzählten) Spielfilm „Wish I was here“. Ich kann die Gefühle und Stimmungen, die durch dieses Lied ausgelöst werden, schwer in Worte fassen, bitte einfach in Ruhe anhören. Bei Wiki steht als Genre „Baroque Pop“, das gefällt mir
  • Der Text ist Vernon-mäßig eher verschwurbelt, es geht um das Gefühl und die Erinnerung an eine vergangene „Epoche“ mit zugehörigen Orten, Leuten und den damit verbundenen Momentaufnahmen und Erinnerungen. Und Bedeutung in der Bedeutungslosigkeit. Vernon:

„Holocene is a bar in Portland, Ore., but it’s also the name of a geologic era, an epoch if you will. It’s a good example of how all the songs are all meant to come together as this idea that places are times and people are places and times are… people? [Laughs.] They can all be different and the same at the same time. Most of our lives feel like these epochs. That’s kind of what that song’s about. “Once I knew I was not magnificent.” Our lives feel like these epochs, but really we are dust in the wind. But I think there’s a significance in that insignificance that I was trying to look at in that song.“
(Genius Lyrics).

  • wahrscheinlich DER Hipster-Song der frühen 2010er-Jahre
  • Schönes Video darüber, wie es Vernon schafft, im Lied eine bestimmte  Stimmung zu erzeugen, von Nerdwriter hier.

24 Shuleni

  • Supertramp – School
  • Album: Crime of the Century (1974)
  • https://www.youtube.com/watch?v=9gkbsOywVxU
  • Supertramp war für mich lange einfach nur eine Pop-Gruppe, die mit dem Logical Song und Goodbye Stranger ein paar Chart-Hits hatten. Mit dem Soundtrack zu „Magnolia“, wo man nach 9 eher eingängigen Songs von Aimee Mann richtiggehend aufschreckt, wenn plötzlich „Goodbye Stranger“ kommt, hatte ich Supertramp öfters im Ohr und freute mich über die Abwechslung.
  • Dann fand ich in der Düsseldorfer Plattensammlung der Tante meiner Frau neben Udo Lindenberg tatsächlich „Crime of the Century“. School ist der Opener und erstreckt sich als ProgRock-Stück über eine große Bandbreite, großartig.
  • Dieses Mal leider keine Quirky Querverweise, nur ProgRock. Ach ja, viele anderen Songs mit Schule als Thema kamen nicht in die nähere Auswahl, auch wenn es sehr viele gibt…
  • Für ganz harte Insider: in der 6. Klasse wurde mit unserer Klasse mit unserer progressiven Klassenlehrerin (wir waren ihre erste Klasse) und ihren hippen Freunden vom BR als Projekt ein Musikvideo zu „Hurra Hurra die Schule brennt“ gedreht. Harter Post-Neue-Deutsche-Welle-90er-Jahre-Tobak, nicht ohne Grund gilt das Videomaterial als verschollen..

25/26 Kolonialisierung/Bastelstunde

keine Musik

 

27 Motorrad-Alltag

  • Meat Loaf – Bat out of hell
  • Album: Bat out of Hell (1977)
  • https://www.youtube.com/watch?v=Q9hLcRU5wE4
  • Philipp, 9. Klasse, hört Radio Gong, Nürnbergs Rockradio Nummer eins. (Anmerkung: damals gab es weder Mp3 noch Internetradio noch Internet. Ich hatte seit 4 Jahren eine Quelle Universum Sterero-Anlage mit CD-Player und ca. 20 CDs, vor allem Bravo Hits. Radio war Musik-Quelle Nummer eins). Philipp mag damals ein bisschen Mainstream-Rock, also die üblichen Verdächtigen der 90er Jahre: Bon Jovi (wenig), Brian Adams (mehr), Alanis Morissette (sehr), The Cranberries (oh ja). Die Jazz-Einflüsse durch das Schlagzeug spielen begannen gerade erst. Irgendwann entdeckt er auf einer Maxi-CD (!) von Meat Loaf’s „I’d do anything for love (but I won’t do that)“ ganz am Ende die Live-Version (12:10 min) dieses Liedes und BAM, das hat ihn umgehauen. Das klingt ja wie die Musicals, in die seine Eltern ihn immer mit geschleppt haben, nur irgendwie dynamischer, und so abwechslungsreich, mit Solo-Piano, und Steigerungen usw.
  • Ein wirklich tolles Lied, sehr bombastisch, geschrieben von Jim Steinmann, der als Komponist von „Tanz der Vampire“, Bonnie Tyler’s „Total Eclipse of the heart“ und später eben auch „I’d do anything for love“ einen sehr theatralischen Stil prägte. Man nannte es dann übrigens Wagnerian Rock.
  • Die CD zählt zu den erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte mit etwa 43 Millionen Kopien. Rolling Stone Magazine führt es bei den TOP 500 Alben auf Platz 343 (Nr. 1 ist Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band von den Beatles).
  • Einige Jahre später gewann ich bei Gong eine CD und dürfte sie im Studio abholen, damals mit Thomas Stengel. Im Studio konnte ich dann mit dem Fachwissen über die exakte Dauer der Live-Version protzen, da dies für einen Übergang notwendig war.
  • Und ja, Meat Loaf ist der Dicke aus Fight Club mit den „Männertitten“
    „Between those huge sweating tits that hung enormous, the way you’d think of God’s as big.“
    siehe hier.

 

 

28 A long year

  • Radiohead – Pyramid Song
  • Album: Amnesiac (2001)
  • https://www.youtube.com/watch?v=3M_Gg1xAHE4
  • Lange Zeit habe ich es nicht gewagt, Radiohead zu hören, weil einige enge Freunde (Hallo Arno) so einen großen Respekt vor dieser Band geäußert hatten. Recht spät kam ich, ca. im ersten Semester, über „Kid A“ (2000) dann doch in den Genuss und sie gehören seither zur meistgespielten Band auf meiner Playlist. Neuere Alben stehen stolz als Vinyl im Regal.
  • Einige Lieder habe ich quasi ständig im Ohr, dazu gehört vor allem „Idioteque„, dessen kongeniales Musikvideo von Dilly Gent mich immer wieder neu fasziniert und inspiriert. Der Umgang von Radiohead mit digitalem Material, das Abstrahieren und Fassbar machen dieses emotionalen Hintergrundrauschens zwischen den Bits und Bytes trifft mich immer wieder ganz tief. Dazu die manchmal sonore, manchmal unnahbare, aber überall zu sein scheinende Stimme von Thom York, die vertrackte Rhythmik und das oft gegenläufige Spiel zum Klavier, und und und.
  • Pyramid Song kam nach der Kid-A-Platte und war zumindest von der Instrumentation her wieder etwas näher am Grunge, und Text und Musik spüren einer vergangenen Erinnerung nach, in die man sich zurückwünscht, die aber nie wieder sein kann. So ungefähr.
  • weiteres zum Reinhören: Reckoner – Album „In Rainbows“ (2007), großartig! Wird von mir gerne zum Boxen-Test verwendet
  • weiteres zum Reinhören: Everything in its right place – Album „Kid A“ (2000), elektronische Experimente
  • weiteres zum Reinhören: Lotus Flower – Album „King of Limbs“ (2011), Thom Yorke pur. Gesang ab 1:00.
  • ganz spezielles Musikvideo: The Numbers – Johnny, Thom and a CR78 – Bass, Gitarre, Drum Machine und Stimme. Genial. Regisseur Paul Thomas Anderson..!
  • ganz toller Musik-Therorie-Beitrag zur Art, wie Radiohead ihre Lieder komponieren, mit einer Reflexion über ihr Image hier
    „there is a certain utter worldliness, a sense of alienation in all of Thera music and lyrics“, und genau das trifft mich!
  • noch mehr Musik-Theorie: über die Rhythmik von „Videotape“ von VOX, sehr sehenswert!
  • zum Weiterhören: Radiohead Live from the Basement

 

 

29 Tagesausflug nach Mikindani

keine Musik. Nur Pool.

 

 

30 Über das Essen

  • Abdominal – Fast Food (DJ Format Remix)
  • Album: A right earful Vol.1 (2005)
  • Label: Antidote Records / Banquet Records
  • https://www.youtube.com/watch?v=8C31f7GbJQE
  • Ok, Hip Hop. Heiße Phase in Deutschland in den späten 90ern mit Blumentopf, Eins Zwo und Dendemann habe ich leider verpasst, aber im Studium konnte ich wie so vieles nachholen. Dank Basti bekam ich „Music for the mature B-Boy“ in die Hand, die erste Platte von DJ Format, und hatte erstmalig Kontakt mit richtig gutem Turntable-HipHop: funky, originell, voller guter Samples und relaxtem Flow der Rapper Abdominal (Canada) und Chali 2na (ja, der von Jurassic 5) und seitdem habe ich immer wieder DJ Format Lieder in die Hände bekommen.
  • Der Vergleich mit den Beastie Boys liegt nahe, aber die Sprechgesänge und überhaupt der ganze Flow ist nicht so hektisch, alles ist mehr laid back. Am besten hört man es hier, am Instrumental „Here comes the Fuzz
  • zum Reinhören: Vicious Battle Raps – das Tempo des Videos passt sich dem Tempo des Flows an..
  • zum Weiterhören: We know something you don’t know – mit Chali 2na

 

 

31 Neonatal Care Training

folgt

 

32 Serving in Mission

folgt

 

to be continued…

 

(p)

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Der Hahn im Müll

Ich wollt', ich wär' ein Hahn,
dann würde nichts getan.
Ich ginge nie mehr ins Büro,
denn was ich brauchte, kriegt' ich so.
(Willy Fritsch)*

Eine kleine Geschichte aus dem Alltag in unserem Compound in Mitwero. Es ist Samstag, keine Schule, und ein Großteil der Nachbarskinder spielt in unserem Garten mit Ronja und Kalle. Es gibt inzwischen dank der angekommenen Luftfracht neben der Schaukel auch Fußbälle und eine Slackline, aber heute geht es vor allem um zwei Seile, die Kalle sich an den Stamm des großen Cashew-Baumes gebunden hat.

Cashew-Baum (mit Kindern)

Sie dienen zum Hochklettern und zum sich herunter schwingen. Später taucht noch ein weiteres gefundenes Seil auf, mit dem die Kinder Pferd und Reiter durch den Garten um das Haus herum rennen.

Wiebke ist gerade mit dem neuen Motorrad in der Stadt unterwegs und erregt als Mzungu mwanamke (weiße/europäische Frau) auf einem PikiPiki entsprechendes Aufsehen unter den meist männlichen Fußgängern. Ich bin mit Mats teils draußen beim Spielen mit dabei, und räume in freien Momenten im Haus herum.

Die neue alte Honda Ace 125

Plötzlich draußen ungewöhnlich starke Unruhe, dann kommt Ronja aufgeregt herein: in der Nachbarsmüllgrube (Neologismus?) sei ein Huhn aus der Nachbarschaft gefangen und käme nicht mehr heraus. Ich solle mir das unbedingt ansehen.

Also ziehe ich mit dem mir folgenden Kinderschwarm durch den Nachbarsgarten, wo am Ende ein ca. 1,80cm tiefes rundes Loch für die Verbrennung des Hausmülls liegt. Darin sehen wir neben Müll einen erschöpften, verschreckten Hahn aus der Hühnerschar des Nachbars.

Suchbild Nachbarsmüllgrube

Die Grube ist zu tief, um selbst heraus zu springen, was der Hahn aber dennoch häufig versucht hatte. Nach kurzer Gruppendiskussion gehen wir zum Nachbarhaus, zu den Besitzern der Hühner, und berichten (auf Englisch) dem Vater von der Situation. Gemeinsam holen wir eine Leiter aus unserem Fundus und spazieren zur Müllgrube.

Kinderschwarm mit Leiter

Ich dachte zuerst, der Hahn soll auf der Leiter hinaus hüpfen, aber das hätte er sich bei den vielen Kindern wahrscheinlich nicht getraut. Also ist der tapfere Nachbar hinein gestiegen und hat den wenig wehrhaften Hahn wieder hinaus befördert.

Danach haben wir die Leiter gemeinsam aufgeräumt und jeder hatte zu Hause eine schöne Geschichte zu erzählen. Nur Pettersson und Findus fehlten.

Zurück aus der Stadt

 

(p)

 

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Abschied

Not a word to compensate
Not a sentence to describe this desperate state
Not a picture to compare
(The Notwist)*

Letzte Woche war ich gezwungen, kurzfristig nach Deutschland fliegen, weil meine Mutter nach kurzer schwerer Krankheit im Sterben lag. Sie ist in unserem Beisein friedlich eingeschlafen. Ein tieftrauriger, intensiver, unendlich tief gehender Moment. Aktuell schon wieder zurück in Daressalam kann ich noch gar nicht fassen, was da überhaupt passiert ist.

Diese fünf Tage in Nürnberg waren für mich gefüllt mit Trauer und Erinnerungen. Allein der Flug war schon kaum fassbar: gerade noch war ich dabei, mich in der neuen Welt und dem völlig anderen Alltag Tansanias einzuleben, und musste nun Wiebke mit den drei Kindern in Lindi alleine zurück lassen. Auf dem Weg nach Deutschland aß ich noch am Flughafen von Mtwara ein Chapati als Frühstück, um nach einem nächtlichen Zwischenstopp im absoluten Chaos-Flughafen von Addis Abeba nur 22 Stunden später später am Sonntagmorgen um 5:30 Ortszeit durch die blitzblank gesäuberten und menschenleeren Hallen des Frankfurther Flughafens zur Kofferausgabe zu gehen - ein Ort wie ein vor sich hin wummernder Maschinenraum voller Laufbänder im Bauch eines großen Raumschiffes. Nur eine Stunde später blickte ich beim Landeanflug von Nürnberg über das Gebiet, in dem ich den Großteil der letzten 15 Jahre gelebt habe: Alterlangen, den Main-Donau-Kanal und in der Ferne der Burgberg. Man konnte sogar das Waldkrankenhaus erkennen. Auf der anderen Seite Nürnberg Röthenbach, der Ort meiner Kindheit und Jugend. So nah und doch so weit.

Mein sehr guter Freund Oli holte mich unerwartet am Flughafen ab und ermöglichte mir dadurch ein sehr gutes Ankommen. Kurze Zeit später stand ich zwischen den perfekt abgegrenzten Feldern des Knoblauchlandes in der Nürnberger Einflugschneise, wo wir uns 16 1/2 Jahre zuvor mit frisch bestandenem Führerschein immer getroffen hatten. So viel unaufhaltsames Älterwerden, Trauer und unendliche Weltenvielfalt auf einmal.

Alles Weitere war ein sich bewegen in tief vertrauten, und doch fremden oder irgendwie distanziert wirkenden Räumen, alles völlig aus der Zeit gefallen. Bekannte Orte, Gerüche und Geräusche der ersten 19 Jahre meines Lebens, aber doch völlig anders, ohne meine Mutter.
Der Abschied von meiner Mutter war unbeschreiblich traurig und ist wahrscheinlich in all dem Hin- und Her und Weg und wieder da noch gar nicht vollständig bei mir angekommen. Bei Taufe und Abschiedsfest war sie noch da, dann durch die Gehirnblutung nach dem Unfall schon gefühlt nicht mehr unter uns.
Nach unserem Umzug nach Tansania ließen die räumliche Distanz und die vielen Aufgaben des völlig anderen afrikanischen Lebens gar keinen Platz, all diese Veränderungen irgendwie setzen zu lassen. Unbewusst habe ich sicher hier schon begonnen, Abschied zu nehmen.

Nach vier Tagen in Nürnberg hatten wir eine sehr schöne, spirituelle Aussegnungsfeier, bei der nahezu alle Freunde und Wegbegleiter meiner Mutter dabei sein konnten. Auch meine drei besten Freunde, die meine Mutter über viele Jahre kannten, standen mir bei diesen schweren Stunden bei. Bei all der Trauer über den Verlust verspürte ich auch Freude und Ehrfurcht über die gemeinsame Zeit, die vielen Erlebnisse und schönen Erinnerungen. Der Trauerspruch für meine Mutter ist von Victor Hugo und lautet: 
„Du bist nicht mehr da, wo Du warst - aber überall, wo wir sind“.

Ich glaube ganz fest daran.

(P)

 

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No Money, no water, no power

I said high
High voltage rock 'n' roll
(AC/DC)*

(New: English summary at the end)

 

Wir leben nun seit zwei Wochen in Lindi, einer kleinen, in einem Reiseführer als verschlafen beschriebenen Küstenstadt im Süden des Landes. Berichte über Ankommen und die Stadt folgen noch. Heute ein kleiner Einblick in Alltägliches: Wasserzufuhr, Stromversorgung und Bargeldfluss!

Dass die Wasserversorgung in unserer Nachbarschaft (Wohnlage auf einer kleinen Anhöhe) ein zentrales Problem ist haben wir von unseren Vorgängern hier im Haus bereits gehört, ebenso dass es ein System gibt, dieses Problem zu lösen. Nun sind wir dabei, dieses System (und unseren Wasserverbrauch) kennenzulernen und u.U. an unsere Bedürfnisse anzupassen.

Bargeld braucht man hier ständig, da man beim Einkaufen nicht einfach seine EC-Karte zücken kann wie zu Hause. In Lindi gibt es vier kleine Banken, drei davon haben einen Geldautomaten mit VISA, zwei sogar mit Maestro-Aufkleber.

Auf diese Gegebenheiten haben wir uns mit zwei unterschiedlichen VISA-Karten und einer Dollar-Reserve vorbereitet.

Häufigen, meist abendlichen Stromausfällen wollten wir mit einer Parade von Solarleuchten begegnen. Diese hatten wir glücklicherweise im letzten Moment noch aus der Luftfracht entfernt, da die enthaltenen Akkus nicht per Luftfracht verschickt werden durften. Zu unserem Glück, ansonsten säßen wir seit Wochen regelmäßig im Dunkeln... Die Kinder haben es sich zu ihrer morgendlichen Aufgabe gemacht, die Lampen in der prallen Sonne zu positionieren und abends wieder ins Haus zu holen.

Auch der neu gekaufte Kühlschrank wirbt damit, auch nach 12 Stunden ohne Strom noch kühl zu bleiben. Und der Gasherd läuft mit Gas, eine Ersatzflasche steht im Kämmerchen. In diesem Kämmerchen stehen auch 4 große Batterie-Tanks und ein UPS (uninterrupted-Power-Supply) -Kasten, die mit den Solar-Panels am Dach verbunden sind (ungefähr so). Grundsätzlich gibt es Strom genau solange, wie man Stromeinheiten im Voraus in einem Geschäft in der Stadt gekauft hat.

Für das Wasser gibt es einen 1000l-Erdtank mit Anschluss an die städtische Wasserleitung (LUWASA, Lindi Urban Water And Sewerage Authority), dessen Inhalt für entsprechenden Druck in der Leitung regelmäßig in einen 3000l-Hochtank gepumpt werden muss.

Letzte Woche ging nun plötzlich VISA-Karte 01 nicht. Umbuchung im Online-Banking war auf Grund von Problemen mit dem ChipTAN-Lesegerät nicht möglich. Am nächsten Tag gab auch VISA-Karte 02 ohne ersichtlichen Grund auf. Die heimischen Maestro-Karten funktionierten nicht, die Bargeld-Reserven waren erschöpft, eine Wechselstube für unsere Notfall-Dollar gibt es in Lindi nicht.

Nach zwei sparsamen Tagen habe ich das ChipTAN-Gerät irgendwie zum Laufen gebracht und umbuchen können. Natürlich hatten wir im Vorfeld immer wieder alle Kartenkombinationen an allen in der Stadt existierenden Automaten ausprobiert, und so immerhin die Stadt besser kennen gelernt – der allgemeine Aufruhr ist eindeutig nochmal größer, wenn Wiebke das Auto voller Weißnasen fährt, Frauen am Steuer haben wir bislang in Lindi nicht beobachtet.

Ungefähr zur gleichen Zeit hatten wir auch für 24h kein Wasser mehr,  weil über die städtische Leitung fünf Tage lang kein Wasser nach kam. Dankenswerterweise konnte Mwajuma, unsere Büro-Chefin, nach einem Tag telefonieren jemanden auftreiben, der mit einem Mini-LKW 1.000l Wasser bei uns vorbei brachte. Gottlob lief da der Strom noch und das Wasser konnte auch in den Hochtank gepumpt werden, sonst hätte es uns nicht weiter gebracht.

Ebendieser Strom blieb ab dem nächsten Tag dann über 28 Stunden bis gestern Abend weg - ein laut tansanischem Kollegen „etwas ungewöhnlich langer“ PowerCut, was vor allem den Kühlschrank und die Ladesituation der diversen akku-betriebenen Geräte freute. Auch die Wasserpumpe ging natürlich nicht, wo doch ausgerechnet jetzt städtisches Wasser aus der Leitung gekommen und der Erdtank randvoll war.

Die große Solar-Batterie-UPS-Anlage ist seit 10 Monaten defekt, wie wir herausgefunden haben.

Die Erleichterung war groß, als sich am Abend nach einem kurzen Klicken plötzlich die Ventilatoren an der Decke wieder zu drehen begannen.

Die Mehrheit der Bevölkerung von Lindi hat übrigens überhaupt kein fließendes Wasser und holt sich die nötige Menge mit Eimern aus öffentlichen Brunnen. Hausstrom gibt es wenig.

Uns wird jeden Tag klarer, was uns alles zu Hause so selbstverständlich erscheint.

Neue Punkte auf unserer To-Do-Liste: Solar-Notstrom-System zum Laufen bringen und Regenwasserauffangsystem bauen.

 

english summary:

We have been living in Lindi for two weeks now, a small coastal town in the south of the country described as a sleepy tourist destination. 

Water supply is a problem in the neighbourhood, and in the whole country. Locals use public wells spread across the town to collect their water into small plastic bottles and carry it home. At our house our predecessors installed a system to be able to have a constant water supply - there is some municipal water supply, but it is not reliable and water comes once a week. Therefore there is a 1000-liter underground tank with connection to the municipal water supply (LUWASA, Lindi Urban Water and Sewerage Authority), whose contents have to be regularly pumped into a 3000l high tank for appropriate pressure in the pipeline.

Money is only seen in cash here, there is no way to pay by card anywhere - no simple card shaking at the cashier. We have four small banks, three of which have a cash machine with VISA, two even with Maestro stickers.

For power cuts we brought a parade of solar lamps, leading to the daily ritual of putting up the lamps in the sun in the morning and collecting and placing them inside in the evening. The newly purchased refrigerator also helps to keep cool even after 12 hours without electricity. The gas stove is running with gas, a spare bottle is in the chamber. In this chamber are also 4 large battery tanks and a UPS (uninterrupted power supply) box, which are connected to the solar panels on the roof (roughly so). 

Last week VISA card 01 suddenly stopped working. Making changing via online banking was not possible due to problems with the ChipTAN reader. The next day  VISA card 02 stopped, too, for no apparent reason. The domestic Maestro cards did not work, our cash stash was shrinking fast and a exchange of our emergency dollars is not available in Lindi.

After two "economical" days, I made the ChipTAN device work and could make the changes. 

At about the same time, we had no water for 24 hours because there was no municipal water coming in for five days. Thankfully, Mwajuma, our office boss, was able do some calling and hours later a  mini-truck arrived, bringing 1,000 liters of water (see pictures). Luckily there was no power cut, so we were able to pump the water in the high tank. 

Speaking of Power Cut, it happened the next day for over 28 hours - described by a  Tanzanian colleague as "somewhat unusually long". BTW, the enormous solar battery UPS system has been defective for 10 months, as we have found out.

The relief was great, when - after a clicking sound - the fans suddenly began to turn again.

One learns to appreciate things in a new way here!

New points on our to-do list: make Solar emergency power system to run and build rainwater collection system.

(p)

 

 

Zum Weiterlesen:

Über die Wasserversorgung in Tanzania:

https://www.unicef.org/tanzania/wes.html

https://thewaterproject.org/water-crisis/water-in-crisis-tanzania

Über Stromversorgung in Tanzania:

https://energypedia.info/wiki/Tanzania_Energy_Situation

http://www.undp.org/content/undp/en/home/ourwork/environmentandenergy/strategic_themes/climate_change/carbon_finance/CDM/tanzania.html

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Email für Dich

Bleibe auf dem Laufenden

Vielleicht, das manche mich im Land der Dänen wähnen,
oder fern von hier, wo die Hyänen gähnen.

Denn kein Schwein ruft mich an,
keine Sau interessiert sich für mich,
doch liegt es nicht an mir,
ich zahle monatlich die Telefongebühr.

(Max Raabe)*

(English version below)

Früher haben wir Rundmails geschrieben und Ihr habt die Mails bekommen, ob Ihr wolltet oder nicht. Dieses Mal haben wir uns für einen Blog entschieden und posten manchmal Infos über neue Beiträge auf Facebook, manchmal schreiben wir spontan kleine Rundmails. Entsprechend ist das Beitragsfoto ein Anachronismus: der Briefkasten im Flughafen von Addis Abeba, ein analoger Hort der Ruhe inmitten internationaler Konnektivität.

Damit Ihr nicht täglich auf dem Blog nach neuen Beiträgen suchen oder Euch mit der Installation eines RSS-Readers herumschlagen müsst, erleichtern wir Euch das Mitlesen und informieren Euch, sobald neue Beiträge online sind oder ältere Beiträge umfassend, z.B. mit neuen Fotos, aktualisiert wurden.

Dafür  werden wir einen anonymen E-Mail-Verteiler einrichten. Entsprechend der Zahl neuer Beiträge wird die maximale Anzahl an E-Mails pro Monat einige wenige nicht übersteigen.

Wer aufgenommen werden möchte, füllt bitte einfach das folgende Formular aus.

english version:

the times of mass mailing are over, we decided to write a blog about our 2-year adventure in Africa. If you are tired of checking the blog page daily for new entries, just enrolled in our anonymous mailing list and stay informed. Expect only few mails per month. Please fill out the following form.

(p)

 


Abflug verschoben

I am my mother's only one,
it's enough

(Bon Iver, "Flume")*

 

 

Liebe LeserInnen,

 

 

Wir haben aufgrund eines schweren Unfalls meiner Mutter unseren Abflug verschoben.

Für unsere Familie heißt das, die fränkische Schweiz noch ein paar Tage von einem Familienhotel aus zu erleben, während ich mich kümmern kann, bevor es nach Dar es Salam geht.

Nach Ankunft in Tansania werden wir wieder berichten.

Falscher Flughafen

 

(p)

 

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Abschied aus der Klinik

All my bags are packed
I'm ready to go
I'm standin' here outside your door

(John Denver)*

Nach 7 Jahren war es nun gestern soweit und ich habe nach meinem letzten Nachtdienst ein letztes Mal in der Frühbesprechung über die Patientenaufnahmen berichtet.

Je näher dieser Tag rückte, desto sentimentaler wurde mein Blick auf die alltäglichen Dinge, an die ich mich die letzten Jahre gewöhnt hatte. Plötzlich erscheinen die normalsten Sachen irgendwie besonders, manchmal fast schützenswert, und wahrscheinlich (manchmal auch hoffentlich) werden diese Dinge in 2 Jahren, wenn ich möglicherweise an die Kinderklinik zurück komme, nicht mehr in dieser Form vorhanden sein.
Während ich das hier schreibe, muss ich an die teils schräge Verfilmung "Troja" von Wolfgang Peterson denken, in der Achilles zur Tempeldienerin Briseis sagt.

The gods envy us. They envy us because we're mortal, because any moment might be our last. Everything is more beautiful because we're doomed.

Natürlich wird im Rückblick vieles schöner als es war, das ist menschlich und soll hier nicht Thema werden.

Ich hatte eine tolle Zeit in einem tollen Kollegium, aus vielen KollegInnen sind FreundInnen geworden und dieser Aspekt hat es mir sehr schwer gemacht, zu gehen.

Ich konnte in meiner Zeit vieles sehen, erleben und lernen und hoffe, daran gewachsen zu sein. Und immer wieder, in Krisen und schwachen Momenten, wusste ich um tolle Kollegen und einen gemeinschaftlichen Teamgeist, der trotz aller Kürzungen noch nicht ganz verschwunden ist.

Ich wünsche allen Teams, den Ärztinnen, Pflegern und Schwester, Verwaltung und Versorgung, dass sie trotz all den Widrigkeiten aus Alltagsstress, Chaos und Unterbesetzung niemals vergessen, ehrfürchtig vor dem Leben zu stehen und es vielleicht in einigen Momenten als Ehre empfinden zu können, diese lebensrettenden und lebensverbessernden Dinge tun zu können, die wir "Beruf" nennen.

Mit den Worten von Tinsley Harrison, dem Begründer der Internistenbibel, Ergänzungen von mir:

„Keine größere Chance, Verantwortung oder Verpflichtung kann einem Menschen gegeben sein als jene, Arzt (oder Pfleger) zu werden. In der Fürsorge für die Leidenden bedarf er technischer Fertigkeiten, wissenschaftlichen Denkens und menschlichen Verständnisses. Wenn er das mit Mut, mit Demut und mit Weisheit tut, leistet er einen einzigartigen Dienst an seinem Nächsten und schafft in sich selbst ein beständiges charakterliches Bauwerk. Nicht mehr als das sollte ein Arzt (oder Pfleger) von seinem Schicksal erwarten; mit nicht weniger sollte er zufrieden sein.“

 

Hier ein paar Eindrücke der letzten 7 Jahre.

Gonna be a long night
It's gonna be all right
On the nightshift
Oh you found another home
I know you're not alone
On the nightshift

(Commodores)

Nach mehreren Jahren einen Arbeitsplatz verlassen heißt ja auch irgendwie immer Reste einsammeln, und so eine große Klinik bietet unendlich viele Fächer, Ecken und Ablagen, an die man sich nach vier Stationswechseln und fünf Jahren kaum noch erinnert.

Exemplarisch hier der Inhalt meines Spinds:

Spind-Inhalt

Spannend sind auch Stofftüten mit alten Akten oder Notizen, die man hinter seinem Schreibtisch in der Ecke findet, oder auf den Stationen verteilte alte Ablagefächer mit alten Kitteltaschenbüchern oder lang gesuchten Stift-Leuchten.

Aber das ist jetzt alles sortiert und abgelegt. Bleibt nur noch der Hinweis auf die Beachtung korrekter Adressierungen:

Mal was anderes

 

 

(p)

 

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Camera Gear v1

Oh!

Do you want to see the world
Do you want to see the world?
Do you want to see the world
In a different way

(The Kooks)*

Meine geliebte Nikon D80 ist in die Jahre gekommen, auf den Tag genau 10 Jahre hat sie mich begleitet, war mit in Nepal, Costa Rica, Brasilien, Südfrankreich und Korsika und nun ist es an der Zeit, wenn auch wehmütig einen Systemwechsel anzugehen.

Nach wochenlanger Recherche, Fachdiskussionen im Freundeskreis  und Ausreizung der familiären Toleranz zu diesem Thema war die Entscheidung für das Sony Alpha System gefallen. Ausgerechnet im  Dezember kam noch ein neues Modell heraus und dank großzügiger Steuerrückzahlung konnten wir uns letztenendes für die Sony a6500 entscheiden.

 

Kamera Set Up, erste Runde. Sony a6500, Sony E35mm f1.8, Sony E18-105 f4.0

Der Wechsel von Spiegelreflex zu spiegellosen Systemkameras war für mich nicht einfach zu vollziehen, da ich im direkten, ungefilterten oder irgendwie prozessierten Blick durch das Objektiv immer für einen elementaren Teil der Fotografie gesehen habe und vor allem die digitalen Sucher bislang immer vergleichsweise rückständig und "unecht" erschienen.

Aber hier hat es vor allem in den letzten drei Jahren unglaubliche Fortschritte gegeben, nicht nur durch die zunehmende Systemkamera-Video-Filmerei (siehe Vlogs, z.b. Casey Nestat als prominentester Vertreter), so dass die digitalen Sucher nun sehr nah an die optischen Sucher klassicher SLR herankommen.

Ein nächster Punkt war die Sensorgröße: nachdem ich mit dem DX-Format (APS-C) der D80 schon gute Leistungen sehen konnte, wäre der nächste Schritt ein Vollformat-Sensor (Nikon: "FX") gewesen. Auf keinen Fall einen noch kleineren und damit bei hohem ISO rauschanfälligen Micro-Four-Thirds-Sensor der Systemkamera-Vorreiter Olympo und Panasonic.

Tests der a6500 beschreiben jedoch überraschenderweise eine Leistung, die hinsichtlich Schärfe, Details und Lichtstärke dank eines guten Post-Processings an Vollformat heranreichen kann.

Damit kommen wir zum letztlich wichtigsten Punk: Größe und Bedienbarkeit. Der Gegenkandidat zur a6500, eine Nikon D750, ist deutlich größer und machtiger (840g zu 453g). Natürlich besteht hier auch ein Zusammenhang mit der Bedienbarkeit.

Kaum etwas ist mir in den letzten Jahren so in Fleisch und Blut übergegangen, wie die beiden Drehräder von Nikon für Zeigefinger und Daumen resp. Blende und Belichtungszeit. Die Sony hat nur ein Drehrad und für den Daumen ein fiddeliges Jog-Dial. Und hundert kleine Knöpfe für die gefühlt 468 Funktionen, Autofocus-, Belichtungs- und Processing-Einstellungen, die es hier so gibt. Immerhin sind die Funktionen von 9 Knöpfen selbst wählbar (getrennt für Aufnahme &Wiedergabe) und Kritiker schreiben, man kann sich einarbeiten.

Mit den Video-Fähigkeiten (Aufnahme in 4K, intern von 6K herunter skaliert), der hohen Lichtstärke, einer integrierten 5-Achsen-Stabilisierung und einem Touch-LCD mit Touch-to-Focus hat mich letztlich die Sony a6500 überzeugt und ich lasse mich auf den Versuch ein, plötzlich so ein kleines Gehäuse in den Händen zu halten. Die ersten Fotos sind schon mal nicht schlecht. Beispiele folgen.

(P)

 

Links zum Weiterlesen:

Sony a6500:
https://www.sony.de/electronics/wechselobjektivkameras/ilce-6500-body-kit

Nikon D80:
http://www.chip.de/artikel/Nikon-D80-Digital-SLR-Test_22002921.html

Nikon D750:
http://www.nikon.de/de_DE/product/digital-cameras/slr/professional/d750

a6500 vs. D750:
http://cameradecision.com/compare/Sony-Alpha-a6500-vs-Nikon-D750
https://versus.com/de/nikon-d750-vs-sony-alpha-a6500

 

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