Not a word to compensate
Not a sentence to describe this desperate state
Not a picture to compare
(The Notwist)*
Letzte Woche war ich gezwungen, kurzfristig nach Deutschland fliegen, weil meine Mutter nach kurzer schwerer Krankheit im Sterben lag. Sie ist in unserem Beisein friedlich eingeschlafen. Ein tieftrauriger, intensiver, unendlich tief gehender Moment. Aktuell schon wieder zurück in Daressalam kann ich noch gar nicht fassen, was da überhaupt passiert ist.
Diese fünf Tage in Nürnberg waren für mich gefüllt mit Trauer und Erinnerungen. Allein der Flug war schon kaum fassbar: gerade noch war ich dabei, mich in der neuen Welt und dem völlig anderen Alltag Tansanias einzuleben, und musste nun Wiebke mit den drei Kindern in Lindi alleine zurück lassen. Auf dem Weg nach Deutschland aß ich noch am Flughafen von Mtwara ein Chapati als Frühstück, um nach einem nächtlichen Zwischenstopp im absoluten Chaos-Flughafen von Addis Abeba nur 22 Stunden später später am Sonntagmorgen um 5:30 Ortszeit durch die blitzblank gesäuberten und menschenleeren Hallen des Frankfurther Flughafens zur Kofferausgabe zu gehen – ein Ort wie ein vor sich hin wummernder Maschinenraum voller Laufbänder im Bauch eines großen Raumschiffes. Nur eine Stunde später blickte ich beim Landeanflug von Nürnberg über das Gebiet, in dem ich den Großteil der letzten 15 Jahre gelebt habe: Alterlangen, den Main-Donau-Kanal und in der Ferne der Burgberg. Man konnte sogar das Waldkrankenhaus erkennen. Auf der anderen Seite Nürnberg Röthenbach, der Ort meiner Kindheit und Jugend. So nah und doch so weit.
Mein sehr guter Freund Oli holte mich unerwartet am Flughafen ab und ermöglichte mir dadurch ein sehr gutes Ankommen. Kurze Zeit später stand ich zwischen den perfekt abgegrenzten Feldern des Knoblauchlandes in der Nürnberger Einflugschneise, wo wir uns 16 1/2 Jahre zuvor mit frisch bestandenem Führerschein immer getroffen hatten. So viel unaufhaltsames Älterwerden, Trauer und unendliche Weltenvielfalt auf einmal.
Alles Weitere war ein sich bewegen in tief vertrauten, und doch fremden oder irgendwie distanziert wirkenden Räumen, alles völlig aus der Zeit gefallen. Bekannte Orte, Gerüche und Geräusche der ersten 19 Jahre meines Lebens, aber doch völlig anders, ohne meine Mutter.
Der Abschied von meiner Mutter war unbeschreiblich traurig und ist wahrscheinlich in all dem Hin- und Her und Weg und wieder da noch gar nicht vollständig bei mir angekommen. Bei Taufe und Abschiedsfest war sie noch da, dann durch die Gehirnblutung nach dem Unfall schon gefühlt nicht mehr unter uns.
Nach unserem Umzug nach Tansania ließen die räumliche Distanz und die vielen Aufgaben des völlig anderen afrikanischen Lebens gar keinen Platz, all diese Veränderungen irgendwie setzen zu lassen. Unbewusst habe ich sicher hier schon begonnen, Abschied zu nehmen.
Nach vier Tagen in Nürnberg hatten wir eine sehr schöne, spirituelle Aussegnungsfeier, bei der nahezu alle Freunde und Wegbegleiter meiner Mutter dabei sein konnten. Auch meine drei besten Freunde, die meine Mutter über viele Jahre kannten, standen mir bei diesen schweren Stunden bei. Bei all der Trauer über den Verlust verspürte ich auch Freude und Ehrfurcht über die gemeinsame Zeit, die vielen Erlebnisse und schönen Erinnerungen. Der Trauerspruch für meine Mutter ist von Victor Hugo und lautet: „Du bist nicht mehr da, wo Du warst – aber überall, wo wir sind“.
Ich glaube ganz fest daran.
(P)
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4 Comments
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Sehr traurig – das tut mir so leid, Philipp! Fühl dich einfach mal aus der Ferne umarmt!
Tief berührt habe ich Deine Worte gelesen lieber Philipp … ich fühle mit Dir, mit Euch …
[…] 12 Abschied […]
Lieber Philipp,
Der Tod Deiner Mutter ist jetzt schon ein Jahr her, trotzdem bewegen mich Deine Zeilen. Es tut gut zu lesen, wie Du Dein Erleben mitteilst – Danke dafür.
Du hast eine schöne und einfühlsame Sprache, die den Leser an Deinem / Eurem Leben teilhaben lässt. Gerne trage ich mich in die Mailingliste ein um mehr von Euch zu erfahren.
Ganz liebe Grüße
Marga