Erster Besuch aus Deutschland

I’ve been havin‘ some hard travelin‘,
I thought you knowed
I’ve been havin‘ some hard travelin‘,
way down the road

Bob Dylan*

 

Lange herbeigesehnt, endlich war der Tag da und unser erster Besuch aus Deutschland landete in Mtwara, zwei Autostunden südlich von Lindi!

Es kamen: meine Mutter Marita gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Michaela für knapp zwei Wochen (da beide im Schuldienst tätig sind kamen sie in den nordrheinwestfälischen Herbstferien). Ronja und ich starteten früh um 5:00 gemeinsam mit Mwajuma in Lindi und waren um 7:00 pünktlich in Mtwara, um den einzigen Flug in Empfang zu nehmen, der hier pro Tag landet. Es folgten schöne und intensive Tagen, in denen wir gemeinsam in Lindi unterwegs waren, Ronja´s Schule besuchten, am Strand saßen, im Garten spielten, Geburtstag feierten u.v.m.

Womit wir auch schon beim ersten Highlight wären, Ronjas siebtem Geburtstag! Am Tag selber wurde nach einem gemütlichen Geburtstagsfrühstück in der Schule mit Muffins und Saft und vielen Geburtstagsständchen gefeiert; meine Mutter, Kalle und ich durften dabei sein! Am folgenden Tag begingen wir unseren ersten tansanischen Kindergeburtstag. Der Renner unter den Kindern definitiv: Topfschlagen (frei übersetzt mit „Hit the pot“)! Auch das gemeinsame Bemalen einer Wand beim Autounterstand im Garten fand großen Anklang und wir finden das Ergebnis toll (siehe Fotos)!

 

Zweites Highlight der zwei Wochen war ein dreitägiger Ausflug nach Kilwa, ein kleines (dreigeteiltes) Dorf an der Küste, gut zwei Autostunden nördlich von Lindi (Google Maps). Wir fünf Bornis hatten hier bereits im September einmal ein gemütliches verlängertes Wochenende verbracht und uns wie im Paradies gefühlt. Auch dieses Mal war es herrlich! Wir übernachteten wieder in der Kimbilio Lodge in Kilwa Masoko direkt am Strand und machten einen Ausflug nach Kilwa Kisiwani, eine vorgelagerte Insel mit lange zurückreichender Geschichte.

Kilwa Kisiwani wurde 1981 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt und stand von 2004 bis 2014 auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes. Um die Hintergründe der einstigen Dominaz der Ruinenstadt Kilwa besser zu verstehen folgt ein kurzer Ausflug in die Geschichte:

Kilwa lag im 1. Jh. n. Chr. am Ende der Silberoute von Mosambik und Simbabwe. Die Insel war außerdem auf Grund der fruchtbaren Erde, außreichender Trinkwasserversorgung und seiner isolierten Lage für eine Besiedlung perfekt und wurde so zu einem zentralen Handelspunkt für Gold, Elfenbein, Perlen, Parfums, persische Keramik und chinesisches Porzellan. Seine Blütezeit erlebte Kilwa vermutlich vom 13. bis 16. Jh. im präkolonialen Höhepunkt der Swahili-Kultur: Kilwa war vermutlich die zu dieser Zeit mächtigste Stadt der Swahili-Küste. Die meisten heute zerfallenen Prunkbauten aus Korallenstein stammen aus dieser Zeit.

Die Portugiesen, die nach der Landung Vasco da Gamas 1502 die Küste an sich gerissen hatten bluteten die Stadt regelrecht aus. In kurzer Zeit ließen sie ein Fort errichten, verließen Kilwa jedoch nach nur acht Jahren Besatzung bereits wieder, da die großen Handelsstädte Malindi und Mombasa in Kenia strategisch wichtiger waren. Die wirtschaftliche Bedeutung der ostafrikanischen Küste schwand in kurzer Zeit und die arabischen Omanis hatten leichtes Spiel, als sie Kilwa 1700 besetzten. Die Einwohner der Insel Kilwa Kisiwani wurden aufgefordert, die Insel zu verlassen und auf dem Festland neue Siedlungen zu gründen (die bis heute bestehenden Ortsteile Kilwa Masoko und Kilwa Kivinje). 1770 erlangte Kilwa seine Unabhängigkeit zurück und wurde von nun an von den Sultanen von Sansibar regiert. Durch Sklaven- und Elfenbeinhandel blühte die Stadt im 18. und 19. Jh. erneut auf. Über Kilwa gelangten im Folgenden Abertausende versklavte Menschen aus Südtansania, Malawi und Mosambik auf die Zuckerplantagen der Maskarenen (850 km östlich von Madagaskar gelegene Inselkette).

Besonders beeindruckt waren wir auch bei diesem Besuch wieder von der Großen Kuppelmoschee. Sie stammt ursprünglich aus dem 11. Jh. und wurde als größte Freitagsmoschee Ostafrikas stets gepflegt und mehrmals renoviert sowie erweitert. Sie diente bis ins beginnende 19. Jh aktiv als Gebetshaus.

Die Insel wird heute von etwa 1.300 Menschen bewohnt, die umgeben von den historischen Stätten unter einfachsten Bedingungen, ohne Strom und fließendes Wasser leben. Ein 800 Jahre alter und überaus eindrucksvoller da sehr großer und tiefer Brunnen ist bis heute in Betrieb und wird von allen InselbewohnerInnen als Wasserquelle benutzt. Im Rahmen von Restaurationsbemühungen war vor einigen Jahren durch die Unesco ein zweiter Brunnen gebohrt worden, der mit Hilfe einer Pumpe die Wasserversorgung für die Rennovierungsarbeiten erleichtern sollte – nur etwa 10 Meter entfernt vom historischen Brunnen und dennoch kam hier ausschließlich Salzwasser an die Oberfläche. Somit wird bis heute ausschließlich der historische Brunnen benutzt.

Nach „Entdeckung“ der historischen Stätten durch die Unsesco, die Bemühungen verschiedener europäischer Geldgeber und der Fertigstellung der asphaltierten Straße von Daressalam aus nach Süden gab es einen kurzen Anstieg der Touristenzahlen. Der erwartete große Aufschwung blieb allerdings aus, so dass es heute zahlreiche zur Hälfte fertig gestellte Lodges entlang des paradiesischen Strandes gibt. Auch das Tauch- und Schnorchelzentrum ist nach Aussagen des lokalen Mangers unserer Lodge seit fünf Jahren nicht mehr in Betrieb, da die Gäste ausbleiben.

 

 

Zurück in Lindi (Philipp blieb beruflich noch bis Ende der Woche in Kilwa) nutzten wir die verbleibende Zeit unter anderem mit Besuchen bei der Schneiderin und im Stoffladen.

Die Zeit mit meiner Mutter und Tante war wunderschön und hat uns gezeigt, wie viel wir hier schon mitbekommen haben – von der Sprache, von Lindi, von Lebensgewohnheiten der Menschen, die für uns schon völlig normal und alltäglich sind, den Besucherinnen aber regelmäßig auffielen. Die Kinder waren glücklich, ihr neues Zuhause und neue FreundInnen zeigen zu können, den Besucherinnen Begrüßungsformeln auf Kiswahili beizubringen und endlich einfach mal wieder mit Oma ein Buch zu gucken. Auch wenn die Zeit schnell verging – sie war sehr intensiv und wertvoll für uns alle!

Karibu tena! (Wörtlich „Willkommen noch einmal!“)

 

 

Zum Weiterlesen:

Kimbilio Lodge in Kilwa Marokko: http://www.ed.co.tz/property/kimbilio/

Weltkulturerbe Kilwa Kisiwani: http://whc.unesco.org/en/list/144/

 

 

Für regelmäßige Updates zu neuen Beiträgen und Texten einfach hier in unsere Mailingliste eintragen.

Infos zu den Liedtexten finden sich hier.

%d Bloggern gefällt das: