„Allein“ in Lindi

„Wo die Wellen am höchsten sind
ist das Ufer nicht weit!“
(Afrikanisches Sprichwort)

Ich weiß nicht mehr, an welcher Stelle genau, aber irgendwann in den Wochen vor der Abreise in Deutschland las ich dieses afrikanische Sprichwort und fand es – damals schon – unglaublich treffend. Nur wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie hoch die Wellen noch schlagen würden und hatte mich inmitten von Koffern und den Kopf voll mit Abschiedsfest-Zwischenmiete-Luftfracht-Einlagerungs-Logistik bereits in Ufernähe vermutet. Als klar wurde, dass Philipp kurzfristig nach Deutschland fliegen würde überfiel mich kurzfristig tatsächlich Panik. Ich bin sonst kein Mensch, der leicht in Panik gerät aber bei dem Gedanken, eine komplette Woche mit allen Kindern in Lindi alleine zu sein wusste ich nicht, wie ich das schaffen sollte. Wir waren ja bereits seit drei Wochen in unserem neuen Haus, ohne Schule (Winterferien) oder Kindergarten, ohne Auto, ohne die Sprache wirklich zu sprechen und mit wenig englischsprechenden Kontakten. Philipp war tagsüber in der Klinik und die Tagesgestaltung für mich eine konstante Herausforderung, zumal die Luftfracht (mit Spielsachen, Büchern, Fahrrädern …) nach wie vor auf sich warten ließ. Unser Haus liegt zudem ca. 8 km vom eigentlichen Stadtkern Lindis entfernt, was in Sachen Mobilität (v.a. Einkaufen) ohne eigenes Auto schwierig ist. Philipp musste diese schwere Reise gezwungener Maßen ganz alleine antreten und für mich und die Kinder war und bleibt der Verlust der Oma sehr schwer zu fassen.

 

Nun kann ich rückblickend sagen, dass wir Vier die Woche sehr gut hinter uns gebracht haben (und mittlerweile ja alle in Daressalam wiedervereint sind). Höhepunkt der Woche war unangefochten Id al Fitr (Zuckerfest)! Nach vierwöchigem Ramadan wurde zwei Tage lang das wichtigste Fest der Muslime gefeiert und jede Menge gegessen. Vielleicht aufgrund der wunderschönen Küste Lindis passierte dies in erster Linie am Strand. Die Kinder und ich wurden nachmittags von Philipps Büromitarbeiterin Mwajuma, unserem Gärtner Hamisi und einem der beiden Nachtwächter, Simon abgeholt und gemeinsam fuhren wir zum Strand. Mwajuma hatte für alle gekocht und so saßen wir staunend unter all den fröhlichen, bunten Menschen. Ronja und Kalle sprangen wie alle Kinder durch die Wellen, Mats mampfte glücklich Popcorn, Chapati, Reis, Ananas und was er noch so kriegen konnte. Ich war sehr dankbar für den schönen Nachmittag und das „mitgenommen werden“, mitten hinein in dieses lebendige Fest. Es ist doch etwas ganz Anderes, ob man als fremder Beobachter am Rande dabei ist oder mit Freunden mitten drin sitzt.

Gegen Ende der Woche konnten wir – ein weiterer Höhepunkt für Ronja und Kalle – die beim Schneider bestellten Schuluniformen abholen. Zu Hause wurden sie natürlich sofort anprobiert und vorgeführt. Ronja kann es kaum erwarten, sie endlich zum ersten Schultag Ende Juli anzuziehen!

Den Rest der Woche verbrachten wir sehr unterschiedlich – Kalle half Hamisi im Garten oder kletterte und spielte mit den Nachbarkindern. Ronja war ebenfalls viel draußen mit den anderen Kindern unterwegs, hörte viele Stunden lang Hörbücher, übte Lesen und Schreiben und malte und bastelte viel. Mats turnte zwischen allen herum und spricht schon die ersten Wörter auf Kiswahili. Wir waren am wunderschönen Mitema Beach (3 km von unserem Haus) und im Pool vom neu eröffneten Seaview View Hotel in Lindi City. Gegen Ende der Woche machte ich das Haus fertig für drei Wochen Abwesenheit – das hieß Kühlschrank leermachen, abtauen und putzen, jegliche offenen Lebensmittel verschenken oder aufessen, generell möglichst wenig rumliegen lassen. Die Krabbeltierdichte ist hier doch deutlich höher als in Erlangen…  Pünktlich zum Packen fiel der Strom aus und ich packte also mit Stirnlampe für 5 Personen und drei Wochen Daressalam. Es ist verrückt, in welch anderem Licht einem so Manches auf einmal erscheint und was alles geht oder nicht geht. Früh um 4:00 setzte ich die Kinder in ein geliehenes Auto der GIZ und fuhr damit zur Tankstelle von Lindi, von wo aus dankenswerterweise ein Fahrer der GIZ das Steuer übernahm. Diese 7 Km waren die dunkelsten, die ich je in einem Auto zurückgelegt habe! Aufgrund des Stromausfalles fielen die Lichter jeder auch noch so kleinsten Glühbirne weg, die sonst vor vielen Häusern hängen. Auch die Tankstelle war ohne Beleuchtung und Straßenlaternen gibt es eh keine. Zum Sterne gucken ist das natürlich großartig, allerdings kann ich gut verstehen, warum wir laut Arbeitgeber dazu angehalten sind, Fahrten im Dunkeln wenn möglich zu vermeiden…

Wir kamen vormittags in Daressalam an und fühlten uns schon deutlich sicherer als noch vor einigen Wochen, als wir völlig erschlagen von der Hitze und den langen Flügen aus Deutschland hier gelandet waren. Der Weg ins Onnela war vertraut und das Haus kannten wir bereits. Am Nachmittag kam auch Philipp an und wir waren sehr froh, wieder alle zusammen zu sein.

Nun verbringen wir zurzeit drei Wochen in Daressalam bei einem Sprachkurs, die Kinder sind von 8:00-12:00 in einem Kindergarten, der aufgrund der Ferien gerade ein „winter camp“ (Ferienprogramm) anbietet. Hierzu wird es einen eigenen Eintrag geben.

(w)

Ronjas Worte zum Zuckerfest:

„Heute war ja wirklich das Zuckerfest, und alle hatten wunderschöne Kleider an. Die Mwajuma hat uns mit zum Strand genommen und den Gärtner und den Wächter auch noch mitgenommen, und dann haben wir da Popcorn gekriegt, das war ganz süß, dann haben wir da noch ganz lecker gegessen, und in den Wellen gespielt. Alle die da waren, zumindest ganz viele, wollten von uns Bilder machen mit den afrikanischen Mädchen, die hatten wunderschöne Kleider an. Alle hatten Eis, auch die Muslime haben Eis gegessen und Popcorn und jede Menge andere leckere Sachen. Kalle und Mats und ich haben jeder einen Luftballon gekriegt. Da war wirklich fast die ganze Stadt versammelt, fast ganz Lindi.“

 

Zum Weiterlesen:

Facebook-Seite vom Seaview Hotel in Lindi

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