Leaving Lindi, never easy

Things change
Yet no one stays the same
Life’s just a dream we have
Of reality

(lamb)

English version via Google Translate after the click..

Heute ist der dritte Mai 2019, in etwa einem Monat werden wir nach zwei Jahren Lindi verlassen und nach weiteren vier Wochen Reise durch Tansania den Heimflug antreten. Bislang war mein Kopf gefüllt mit logistischen Fragen und mein Bewusstsein beschäftigt mit Anträgen, Bewerbungen und Bescheinigungen. Aber heute hat es mich erstmals so richtig getroffen!

Ich hatte zu einem Meeting mit den pädiatrischen Kollegen und dem Chef der Klinik („Medical Officer in Charge“) eingeladen und wir konnten zwei Stunden sehr offen sprechen: über meine Erfahrungen und Beobachtungen der letzten zwei Jahre, über Dinge, die sich weiter entwickelt haben und Probleme, die weiterbestehenden. Da sich in der neuen Projektphase der GIZ inhaltlich einige Verschiebungen ergeben haben – der neue Schwerpunkt lautet nun Digitalisierung des Gesundheitswesens – wird es vorerst keinen weiteren Entwicklungshelfer für Neugeborenengesundheit in Lindi mehr geben.

Nach dem Ende des Meetings, beim Verräumen der übrig gebliebenen Mandazi (Teiggebäck) wurde es mir plötzlich klar, als würde ein riesiges leuchtendes Schild vor mir auftauchen:

Wir werden das hier alles verlassen!

Menschen, die zu FreundInnen geworden sind. Ein Haus, bei dem endlich alles funktioniert. Eine Arbeit, bei der sich langsam Übersicht einstellte. Die wunderbaren Orte um Lindi herum, Kilwa, Mchinga, Mikindani. All die Strände. Poatenge. Mehr und mehr Einblick ins Suaheli. Den Freundeskreis der Kinder. Und natürlich die mit all dem verbundene Lebensart.

Wiebke ist dieses Gefühl des herannahenden Abschieds und Zurücklassens schon länger schmerzlich bewusst. Und seit heute merke auch ich ganz deutlich, was das bedeutet und kann sie mehr und mehr verstehen.

Unser Mwera-Bajaj

Nach einem grauen Regentag gestern ist es heute Morgen regelrecht kühl aber sonnig und ich sehe den indischen Ozean am Horizont glitzern. Philipp hat heute Vormittag für den Weg zur Arbeit ausnahmsweise das Auto genommen, weshalb ich zu Fuß von unserem Haus zur Hauptstraße herunterlaufe. Die in die Höhe geschossenen, mannshohen Gräser um mich herum leuchten grün und dampfen in der Morgensonne. Am Wegrand rechts von mir mümmeln die drei Kühe der Nachbarsfamilie ihre Tagesration Gras. Unten an der Hauptstraße angekommen sehe ich bereits mein Lieblingsbajaj mit Fahrer Mwera ankommen und halte ihn durch ein kurzes Winken an. Ich steige zu und wir begrüßen uns mit den üblichen Nachfragen nach Haus, Familie, Arbeit etc. An der nächsten Ecke steigt ein älterer Herr in der traditionellen Freitagstracht (kanzu) der Muslime ein. Mwera und ich sowie der dritte Fahrgast begrüßen ihn der Reihe nach respektvoll mit „Shikamoo“, sinngemäß „Ich bin unter deinen Füßen“ und weiter geht die gemütliche Fahrt. Und so sitze ich also im Bajaj und fahre mit gemütlichem Tempo am Meer entlang die sieben Kilometer bis Lindi und habe jede Menge Zeit, all dies jetzt schon ein bisschen zu vermissen.
(Wiebke)

Es ist diese doppelte innere Zerrissenheit, die den Abschiedsprozess so schwierig macht:

Einerseits freuen wir uns alle (bis auf Mats – der vermutlich kaum weiß, was ihn erwartet) sehr auf Deutschland mit seinem uns vertrauten Umfeld, seiner Planbarkeit und unseren FreundInnen und Verwandten. Andererseits wissen wir nicht, wie wir mit dem Eigenkulturschock (hier) klar kommen: wir haben uns an manche Andersartigkeit des tansanischen Alltagslebens, an eingeschränkte Warenverfügbarkeit, Kommunikationswege, Abläufe uvm. gewöhnt und wissen, dass vieles in Deutschland ganz anders läuft, was wir ja eigentlich kennen müssten, sich aber erstmal fremd anfühlen wird. Schon wieder eine neue Eingewöhnung.

Ähnliches verspüren wir beim Gedanken an Lindi: einerseits werden wir manche Dinge vermutlich wenig vermissen, neben den großen Themen (Schule) z.B. die abendliche AntiBrumm-Dusche der gesamten Familie, Ameiseninvasionen auf Grund kleinster Zuckerkrümel, das unzuverlässige Internet und das stundenlange monoton-aufdringliche Surren der Solar-Anlage bei Stromausfall. Andererseits gefällt es uns hier wirklich gut, wir haben uns mit viel Mühe einen Alltag und ein abwechslungsreiches Leben aufgebaut, kennen und genießen die vielen verschiedenen Strände, wissen, wo man in Lindi (meistens) Käse und Butter bekommt und im Garten gibt es eine BMX-Bahn, vier Katzen und immer Kinder zum Spielen. Wir haben uns ein Stück weit in diese so andersartige und interessante Kultur mit ihren eigenen Regeln eingelebt.

In zwei Monaten geht dieser große Lebensabschnitt für uns alle zu Ende, und in Erlangen wird ein neuer Lebensabschnitt beginnen, mit vielen Neuerungen: Ronja wird erstmals auf einer deutschen Schule mit der dritten Klasse weitermachen, Kalle wird eingeschult und Mats darf in die Fußstapfen seiner Geschwister im Waldkindergarten „Die Pfifferlinge“ treten und überhaupt erst einmal Deutschland kennen lernen. Unser Alltag wird nicht mehr annähernd so sein wie vorAfrika, aber das soll ja auch irgendwie so sein.

So ist in den letzten Wochen alles im Fluss: wir sind erfüllt von Erlebnissen, Erfahrungen und Gefühlen zwischen Freude und Trauer, machen uns diese Momente bewusst und halten uns offen für das, was in den nächsten Monaten und Jahren auf uns zukommen wird.

(P+W)

Zum Weiterlesen:

Artikel in der FAZ zum Thema: https://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/das-interesse-haelt-nur-fuenf-minuten-an-1304724.html

»The more that you read,
The more things you will know.
The more that you learn,
The more places you’ll go.«

Dr. Seuss

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Serving in Mission

Above all powers, above all kings
Above all nature and all created things
Above all wisdom and all the ways of man
You are here before the world begann

Lenny Leblanc*

 

— scroll down for English version —

Vor unserem Umzug nach Lindi machten wir uns über unzählige Dinge Gedanken und versuchten, uns unser neues Leben vorzustellen. Wie würde unser Haus und seine Umgebung aussehen? Was sollten wir einpacken? Gibt es in Lindi eine gute Schule für unsere Kinder? Wie ist das Wetter während der Regenzeit? Womit wir niemals gerechnet hatten war die große Zahl christlicher Missionare und der schöne und wertvolle Kontakt zu ihnen, der sich entwickelte. „Missionare“ meint nun nicht – plakativ gesagt – alte weiße Männer, die möglichst viele Menschen taufen. Stattdessen trafen wir auf eine japanische Familie mit drei Kindern, die seit 15 Jahren in Lindi lebt sowie eine amerikanische Familie aus Texas mit zwei Kindern, die seit drei Jahren in Lindi wohnt. Im nächsten Dorf, 25 km nördlich, leben zwei amerikanische Familien mit zwei und vier Kindern zwischen vier und 14 Jahren. Von Anfang an hießen diese Familien uns sehr herzlichen willkommen, luden uns zu gemeinsamen Treffen ein und waren und sind für uns und unsere Kinder zu wirklich wertvollen Kontakten geworden. Wir möchten heute einen kleinen Einblick in diese für uns völlig neue Lebensrealität und die Motivation sowie den Alltag dieser Familien bieten und tun dies in Form eines Interviews mit Lauren Pierce, der Mutter der texanischen Familie in Lindi. Lauren und ihr Mann Jason sowie ihre zwei Jungs Silas und Noah kamen 2015 nach Lindi und arbeiten für „Serving in Mission“ (SIM). SIM ist eine internationale und interkonfessionelle christliche Missions Organisation, die 1893 gegründet wurde. Die SIM Missionare leben jeweils für zwei Jahre im Ausland, sind dann für ein halbes Jahr im Heimatland und kehren für weitere zwei Jahre zurück ins Ausland.

— English version —

Before coming to Lindi we thought about countless things – e.g. which stuff to take with us or how to learn the language as soon as possible. Also, we tried to imagine many aspects of our future life – what will the place look like where we are going to live? Is there a good school for our children? What is the weather like during rainy season? What we never expected to find in Lindi were christian missioners! Talking about missioners – we don´t mean old white men, baptizing as many people as possible! Instead we met one Japanese family (three children) who has been living in Lindi for about 15 years and one American family from Texas (two children) who has been living here for three years now. In the next village 25 km north of Lindi there are two American missionary families (two and four children). From the very beginning on these families gave us a warm welcome and invited and included us in their joint activities. We and our kids are very thankful for their friendship and with this blog entry we want to provide an insight in their motivation, their challenges and their everyday life in this region. As we do not feel ready to give this insight by ourselves I conducted an interview with Lauren Pierce, the mother of the American family in Lindi. The Piercens first came to Lindi in 2015 and belong to “Serving in Mission” (SIM). SIM is an international and inter confessional Christian mission organization, founded in 1893. The SIM missionaries stay abroad for two years and go on home assignment for six months before their return for another two years and so on.

After church everybody is invited to come to Pastor Johanna´s house.

The Interview:

Wiebke: Originally you and your husband come from Texas. What were you both working back home? Why/how did you decide to change your life radically and move to Tanzania?

Lauren: Before coming to Tanzania, I was a second-grade teacher and Jason worked as a logistics manager at a freight forwarding company. We both felt called or lead by God to quit our day jobs and move to Tanzania in obedience to the conviction that we both felt to share our faith with others.

Wiebke: When did you come to Lindi for the first time? Had you ever been to Tanzania or another foreign country before? How did you choose especially Lindi?

Lauren: Neither Jason or I had ever been in Tanzania before committing to live here long term. We both had been to Kenya and I worked as an English teacher for a short time in Hong Kong as a part of my studies at University.

After going to Kenya together we were hoping to have some sort of clarity as to what to do as missionaries. One of the things we noticed while we were there is that there were A LOT of missionaries and expat workers. We wanted to go to a place where the need was great but the ‘goers” were few. At the time we were working with our sending organization SIM to find a location. They sent us the job descriptions they had for all of East Africa. Jason and I looked through them separately (about 15 positions) and we both picked the same one. We took that as clear direction from the Lord that he wanted us in Lindi, Tanzania. Jason would be working as a Bible teacher and disciple maker and I would also be involved with church development through children’s and women’s ministry.

Wiebke: What about your preparation – which kind of preparation did you go through (e.g. language course)?

Lauren: Jason went back to school to earn his masters degree a year before leaving and I took several online courses on Bible and cross-cultural sensitivity. We also attended a 4 week training in America for language acquisition and cross cultural acclimatization. Once we arrived in Tanzania we studied Swahili for four months in Iringa.

Wiebke: What was your start like in Lindi? Which support did you get from other fellow expats/missioners?

Lauren: Start up in Lindi was very difficult. We had to get used to many things such as the extreme heat and humidity, power outages, limited water and sometimes no running water. I (Lauren) had to re-learn how to cook and do laundry, both of these things I was very capable of doing in America but in Tanzania it was totally different. I remember being so frustrated the first time I made bread from scratch! We ate many meals very late at night because I didn’t realize how long cooking would take when nothing is pre-packaged or prepared. Our teammates, the Shimizu family, were a huge help to us! In the beginning they invited us over for meals many times and would bring any left over food by. This helped me greatly as I struggled to keep food on the table at first (had not yet hired house help.) We were warmly welcomed by our teammates and they understood so many of our struggles. Of course, another big challenge was language. Even though we studied the language fulltime for four months we found that the dialect on the south coast was very different and difficult to understand. Our teammates are from Japan as well so that also presented us with another first. As we were acclimatizing to the Swahili culture we were also learning how to communicate well and be sensitive to our Japanese teammates. However, God really guided and helped us as a team! Being a part of the body of Christ can bring anyone close together. We have many of the same passions and desires and we receive great joy from serving together and learning about each other and our struggles.

Wiebke: For how long will you be living in Lindi?

Lauren: We do not know how long we will be here. We have been in Lindi now for three years and we desire to stay until we feel a peace and direction from God to return home.

Wiebke: What does your work in Lindi consist of? What does a “normal day/week” in Lindi look like for you, your husband and your two boys? 

Lauren: Our weeks can vary a lot. Most of the time however, Jason has several different meetings and Bible studies that he leads throughout the week. We both share in house work and taking care of our 2 sons. Throughout the week I am working with the women at Mama wa Nuru. Mama wa Nuru is a group of women who serve in ministry at different churches all around Lindi. Izumi, my teammate, and I have helped them to begin a small business where they make handcrafts and baked goods. Jason also preaches once or twice a month on Sunday mornings and also works with many local pastors to share the gospel of Jesus through different avenues. Some weeks he has more administrative tasks to take care of with our workers and our organization. Daily life here is very busy but often filled with very different things than you might see in a western society. We constantly have visitors through out the day that we are talking with, something always seems to need fixing around the house, and what seems to be a simple job somehow ends up being complicated in a place with limited resources. We find a lot of joy in being together so much as a family though. Our sons are ages 2 and 4 and keep things fun around the house. Our oldest attends a local pre-school 3 days a week and I also homeschool him a bit on the days he is home with me.

Wiebke: Can you tell us a little bit about the ups and down of your life in Lindi? Were there moments where you wanted or want to go home or doubt your life in Lindi? Which were/are the moments when you experience/feel that you are in the right place at the right time?

Lauren: There are so many ups and downs, sometimes you feel this in one day, and other times its more seasonal. The first month we were here we had what we like to call “oh crap!” moments. Moments when we feel like we have made a terrible mistake and life here is much harder than we ever imagined! However, God always helps us through these times. He guides us, leads us, and reminds us of his goodness and blessing in the struggle. We never came to Lindi to fulfill our own happiness, we came for the glory of God and I think this is what also helps us through hard times. We are confident, even on hard days, that we are where we are supposed to be. Explaining that confidence and how we have it is a bit difficult. The only way I really know how is through my faith. We believe that Jesus sacrificed everything, including his own life so that we might be free from the bondage of our sin. Knowing Jesus and what he has done for us, helps us to want to live selflessly for others. Now believe me, we do not do this perfectly! We struggle all the time with a desire to run from it all but like I said before, God is our strong tower and by his grace we stay for another day, another week, another month, another year. Every year seems to get better as we learn more Swahili and begin to understand the culture more and more as well. It takes time and commitment. We also receive a lot of joy from the work that we do. We love sharing our faith with others and helping people grow in their faith and knowledge of the Bible. I also really enjoy working with the women at Mama wa Nuru. It gives them so much confidence to learn new things and for them to see their talents and ability to earn income and help their families. Some of these women used to ask me for money, now they ask me for work. This is a huge accomplishment in my eyes. They can earn money for themselves which impowers and enables them in so many ways. Seeing this progress and my husband seeing his students grow in their faith and knowledge really gives us a lot of energy to keep going as well. Progress might seem slow going at times, but it’s there and we are thankful to see it!

Wiebke: How do your kids adapt to the life in Lindi? What are the main challenges when living in Lindi as a family with children compared to a life you would be living in America?

Lauren: This might be one of our biggest struggles in this season of life. Our oldest son is now four and though he has lived in Lindi longer than he has lived in America now, he still faces challenges. Just as much as we feel like outsiders at times, I think our son feels this way as well. He looks different, speaks a different language, and has more than most in our community. He does really well when we have one or two children at our home. It gives me a chance to communicate and help him to communicate with his visitors. Most of the time though, one or two kids at our house can multiply to 10 or more very quickly. I think this can be overwhelming at times. I believe he is learning though and it will take time but I hope that he can have some good local friendships in the future. He also attends a local pre-school which gives him opportunity to play with other children. We are very thankful that he is accompanied there by your son Kalle. Their friendship has been so helpful to Si! Both of our boys love the simplicity of life here. They have a nice big yard to run around in, plenty of space to be kids and so many great things that they get to see and experience. They love the ocean and the times when we get to see wildlife. In America I feel we might have many more distractions and obligations as a family. Everyone seems to have their children involved in a million activities. Activities are great, but sometimes I think a more simple life without so much busy-ness can be good for a child and their creativity. I do miss the ease of friendship for my children though. When we are in America it is effortless for my kids to play with others, which is much different than here.

Wiebke: How is your work accompanied by people in Texas? Do you have regular contact to your home church? How do people in Texas see your work in Lindi – which kinds of reactions do you get when you are home?

Lauren: As of now we do not host teams of people or volunteers from Texas. We hope that this will be an opportunity in the future. We are in the beginning stages of building a school and we believe this will be a great way for our community back home or other volunteers to get involved. Our community back home does pray for us and give to us financially. Most of our financial support comes from our home church as well as 3 other churches. We send out newsletters about every three months and we also have a facebook page. When we go home we spend a lot of time traveling to different churches and speaking about our life in Lindi. People are really encouraged by the work God does through us here and they love to hear about how God is moving in different parts of the world. Its always an encouraging time for us to be home!

Wiebke: Thank you very much for this insight!

 

(w)

 

Further Reading / Zum Weiterlesen

Homepage von Serving in Mission (SIM)

Artikel über Familie Shimizu in „SIM heute“ (Schweiz) 01/2010 

Homepage von „Missionare auf Zeit“, weltwärts Entsendeorganisation für junge Freiwillige

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Über das Essen

I got a passion for fast-food /
its undeniable /
I like my food fried until /
Everything be the same shade/
Of gold and brown

Abdominal (feat. DJ Format)*

 

Zu Beginn des Ramadan, dem muslimischen Fastenmonat, geht es heute um etwas Fundamentales: Essen! Der allergrößte Teil der Bevölkerung in Lindi fastet seit dem 17. Mai von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, Kinder beginnen ab etwa sieben Jahren. Das heißt, dass sowohl nichts gegessen, als auch nichts getrunken werden darf. Vor allem Letzteres ist für uns bei hiesigen Temperaturen schlicht unvorstellbar. Auch die körperliche Arbeit, die die meisten Menschen tagein tagaus leisten (müssen) ist ja gleichbleibend (landwirtschaftliche Flächen bearbeiten, Wasser tragen, Wege zu Fuß zurücklegen, Wäsche mit der Hand Waschen, Haus-/Straßenbau ohne Maschinen u.v.m.), so dass wir uns wirklich fragen, wie die TansanierInnen ihre Leistungsfähigkeit aufrecht erhalten. Genau wie vor ziemlich genau einem Jahr, als wir im Mai 2017 zum ersten Mal in Lindi ankamen, werden viele der kleinen Straßenküchen also nun für vier Wochen erst nach 18:00 angefeuert und es gibt tagsüber kaum Essen auf der Straße.

Fragt man unsere Kinder, was sie aus Deutschland vermissen, so fallen, nach Verwandten und FreundInnen, eigentlich unmittelbar Begriffe aus der kulinarischen Ecke: Brezen, (Gouda)käse, Gelbwurst, Wienerle, Obstquark, Spinat, „richtiges Brot“, drei im Weckla… Nun soll es aber im Folgenden nicht darum gehen, was es hier NICHT gibt, sondern viel mehr darum, was seit einem Jahr alternativ auf unserem Speiseplan steht. Der Einfachheit halber sortiere ich nach Tageszeiten und versuche auch, einen kleinen Einblick in Essen und Essensgewohnheiten der lokalen Bevölkerung zu geben, soweit wir sie bislang mitbekommen haben:

Frühstück

Unser gewohntes Müslifrühstück haben wir uns mittlerweile erfolgreich zusammengebastelt: es gibt (oft) Haferflocken, Cornflakes und Weetabix zu kaufen, auf dem Markt Rosinen und tonnenweise Cashewnüsse. Dank Philipps regelmäßiger beruflicher Verpflichtungen in Dar es Salaam waren wir die letzten Wochen sogar mit einem fertig gemischten Müsli versorgt. Milch kann man kriegen, jedoch kostete der Liter (nicht bio) knapp 2 Euro (so viel wie ein halbes Huhn). Yoghurt gibt es aus Iringa; das liegt im bergigen Hochland ca. 1000 km nordwestlich von Lindi. Obst dazu ist aktuell, zum Ende der Regenzeit, kein Problem: Ananas, Mango, Papaya, Bananen, Wassermelonen, … gibt es in Hülle und Fülle. Das wird sich in der Trockenzeit wieder ändern.

Viele TansanierInnen in Lindi frühstücken nicht, bevor sie morgens das Haus verlassen.  Sie essen in Gesellschaft in einer der Straßenküchen – typischerweise Fleischsuppe mit Chapati oder Bohnen mit Chapati – einige Zeit nach Arbeitsbeginn (ganz grob gesagt zwischen 8:00 und 11:00). Die Kinder in Ronjas Schule bekommen gegen 10:00 eine Tasse Tee und ein Brötchen und auch unser Gärtner Hamisi und Mama Fatuma machen gegen 10:00 Pause mit Snack und Tee.

Fleischsuppe mit Chapatai (Köchin hinten)
Frühstücksküche

Mittagessen

Die Kinder und ich essen mittags, sobald Ronja aus der Schule kommt (gegen 12:30). Unsere Haushälterin Mama Fatuma kocht unter der Woche das Mittagessen und hat es mittlerweile absolut raus, was beliebt ist (Popcorn) und was eher nicht (Kochbananen). Das Angebot ist generell regional und saisonal bestimmt – die Nachfrage regelt ganz klar das Angebot. Wir essen mittags also unter anderem Ughali (eine Art Polenta aus Maismehl), Reis, Bohnen, Mchicha (eine Art Spinat), Mchuzi (Tomatensoße mit Kokosmilch und variierendem Gemüse), Chipsi Mayai (Pommes im Spiegelei – die Kinder lieben es!), Chapati, Nudeln, Tomatensalat und Fisch. Aktuell gibt es jede Menge leckere Kürbisse und das ganze Jahr über (bzw. gegen Ende der Trockenzeit eigentlich nur noch) Cassavawurzeln, die man sowohl frittiert als auch gekocht essen kann. Regelmäßig kommen mobile Fischverkäufer vorbei, bei denen wir frischen Fisch bekommen. Hühner kauft man lebendig, z.B. bei unseren Nachbarn. Generell wird eigentlich jedes Gericht mit Kokos gekocht. Das Kokosfleisch hierfür wird mit einem speziellen Gerät aus der Kokosnuss ausgekratzt – Mats sitzt gerne bei Mama Fatuma, wenn sie das macht, und klaut sich die Kokosraspeln.

Mats wartet auf seine Chance auf Kokosraspeln.
Mittagessen: Ughali na mchuzi (Ughali mit Soße)

Das Mittagessen hat für die TansanierInnen einen geringeren Stellenwert als für uns: viele Erwachsene essen den Tag über (nach dem späten warmen Frühstück zwischen 8 und 11) nichts mehr. In Ronja´s Schule gibt es um 13:00 für jeden einen Teller Reis mit Bohnen. Das aufwändigste Essen des Tages findet abends statt.

Abendessen

Bei uns auch „Abendbrot“… Um Körnerbrot zu vermissen, muss man nicht bis Tansania reisen – da reicht auch die Fahrt über die deutsche Grenze, eigentlich ziemlich egal in welche Richtung. Nun gibt es in Lindi durchaus Brot zu kaufen, dieses würde jedoch in Deutschland bestenfalls als helles Toast durchgehen. Wir haben also ziemlich schnell angefangen, selber Brot und Brötchen zu backen, was nach einer kleinen Annäherungsphase an den Gasherd mittlerweile auch super klappt. Was kommt aufs Brot drauf? Gesalzene Margarine gibt es in Hülle und Fülle, seit Anfang Mai sogar Butter! Derselbe indische Händler verkauft seit kurzem tatsächlich auch Käse – 1kg tiefgefrorenen Cheddar aus Neuseeland bekommt man für schlappe 28 Euro (entspricht 70.000 tansanischen Shilling; durchschnittliches Monatsgehalt eines ungelernten Arbeiters: 200.000 TSH). 1,8 kg Le Gruyere aus der Schweiz kann man in Dar es Salaam für 137 Euro kaufen – der Preis spiegelt ein Stück weit den Beschaffungsaufwand wider, was bei vielen Nahrungsmitteln in Deutschland meiner Meinung nach nicht gegeben ist. Zur Freude der Kinder schafft es Nutella (im flüssigen Zustand) bis nach Lindi (das bringt einen zum Nachdenken, wenn man bedenkt, was es alles nicht bis nach Lindi schafft), das haben wir allerdings nicht konstant im Haus.

Luxus-Käse (nur im Laden!)
Frisch aus dem Ofen

Für die TansanierInnen ist das Abendessen das aufwändigste Essen des Tages. Es gibt generell warme Speisen (sehr beliebt: Pilau, Gewürzreis mit u.a. Zimt und Kardamom) und die Tatsache, dass wir von „nur Brot“ abends satt werden führt regelmäßig zu Kopfschütteln – die ersten Monate fragte Mama Fatuma generell, was sie für abends kochen sollte, bevor sie nach Hause ging.

Mwajuma knetet Teig für Samosa.

Manche der tansanischen Familien, die wir bislang kennengelernt haben, essen nicht wie wir am Tisch, sondern sitzen zum essen auf dem Boden und essen von einer gemeinsamen Schale. Gegessen wird in diesem Fall nicht mit Besteck, sondern mit den Händen, was uns vor verschiedene Herausforderungen stellt. Zum einen ist das Essen natürlich heiß (Finger verbrennen beim Essen führt zu großer Erheiterung bei den Gastgebern), zum anderen geht unter Umständen das ein oder andere auf dem Weg zum Mund verloren, wenn man eigentlich Besteck gewöhnt ist. Mats kommt dieses Vorgehen allerdings sehr entgegen.

Street Food (oder auch „frittierte Kohlenhydrate zum mitnehmen“)

Zu unserer großen Freude gibt es (wenn nicht gerade Ramadan ist) eine Vielzahl von Möglichkeiten, unterwegs und unkompliziert günstiges Essen zu kaufen. Ein sehr typisches und an jeder Ecke erhältliches Essen ist „Mandazi“ (auch „Suaheli Brötchen“ oder „Ostafrikanischer Doughnut“) – ein frittiertes Gebäck, am ehesten zu beschreiben als Krapfen (oder „Berliner“) ohne Marmelade und Puderzucker. Ebenfalls in die frittierte Ecke gehören die Samosa, mit Gemüse und/oder Fleisch gefüllte Teigtaschen aus Indien. Auch Chipsi Mayai bekommt man an jeder Ecke – Pommes, die in speziellen kleinen Pfannen in Rührei eingebacken werden. Weiterhin kaufen wir regelmäßig Chapati, Fleischspieße und Chicken, um es mit nach Hause oder auf eine Autofahrt zu nehmen. Sehr praktisch bei längeren Autofahrten sind die Verkäufer mit Cashew Nüssen, die generell am Straßenrand auf Kundschaft warten. Beliebtes Street Food ist außerdem die Cassava Wurzel, im essbaren Zustand „Mihogu“ genannt. Sie wird in Sonnenblumenöl frittiert oder gekocht und mit Salz gegessen. Tansania steht laut Agrarstatistik der FAO von 2016 mit 5,5 t jährlich an Platz 11 der größten Cassavaproduzenten weltweit (im spanischsprachigen Lateinamerika spricht man von „Yuka“, im Ursprungsland der Pflanze Brasilien, Argentinien und Paraguay von „Mandioca“).

Chicken- und Spießegrill

Einkaufen (von der Hand in den Mund)

Gekocht wird so gut wie ausschließlich aus frischen Zutaten. Die Mehrheit der Häuser ist ohne zuverlässigen Stromanschluss und ohne Kühlschrank, so dass alles, was zum kochen benötigt wird, unmittelbar vorher eingekauft oder geerntet wird. Übrigbleibendes Essen aufzubewahren ist für hiesige Verhältnisse wirklich ungewöhnlich und geht in unserem Haus so richtig gut auch erst seitdem wir die leistungsstarke Solaranlage auf dem Dach reparieren lassen konnten, die seitdem übernimmt, wenn der staatliche Strom in ca. 50% der Zeit nicht da ist. Problem bei der Vorratshaltung ist – neben der fehlenden Kühlmöglichkeit – das Ungeziefer. Die Häuser sind an allen Ecken und Enden offen (keine Fensterscheiben, Türen generell offen, vielfach keine Zimmerdecken), so dass Mäuse und Ratten ein und aus gehen. Krabbeltiere (Ameisen etc.) sind eh an der Tagesordnung, so dass das Aufbewahren von Nahrungsmitteln zur Herausforderung wird. Einfacher ist daher: Was gekocht wird, wird im Vorfeld gekauft und anschließend gegessen. Fertiges Essen ist somit nicht konstant verfügbar (nach dem Motto Kühlschrank auf, Yoghurt raus) und etwas sehr Besonderes. Das merken wir vor allem an den Kindern, die zum spielen zu uns kommen und gerne zugreifen, wenn wir Obst oder Kekse auspacken. Ein Kollege von Philipp sagte kürzlich zu mir (nachdem ich eine Einladung zur Teepause dankend abgelehnt hatte): „Wir haben hier eine chronische Nahrungsmittelknappheit in Afrika – wenn es Essen gibt, dann essen wir es!“

 Wenn nicht selbst geerntet so werden die Nahrungsmittel auf dem Hauptmarkt im Stadtzentrum oder bei kleineren Obst- und Gemüseständen eingekauft. Zusätzlich gibt es verschieden große „Tante Emma Läden“, die von Spül- und Waschmittel über Zucker und Salz, Reis, Nudeln und Bohnen, Schuhputzzeug, Besen, Küchenutensilien und oftmals ein paar Bahnen Stoff alles führen, was man zum Leben braucht. Dazu kommen indische Händler, die vor allem indische Lebensmittel anbiete, denn bis Mitte der 60er Jahre lebten schätzungsweise 15.000 indisch stämmige Menschen in Lindi – heute sind es deutlich weniger, aber es gibt immer noch eine große indische Gemeinde sowie einen Hindutempel. Mitte April 2018 eröffnete ein Supermarkt einer überregionalen Kette in Lindi, der aktuell kontinuierlich seine Regale füllt. Die Produktpalette bleibt abzuwarten!

Im indischen Großhandel in Lindi
Preisverhandlungen mit dem Fischhändler

Dass Lebensmittel entweder selbst angebaut oder auf dem Mark für den jeweiligen Tagesbedarf gekauft werden hat den großen Vorteil, dass kaum Verpackungsmaterial anfällt. Dies passt wiederum zum aktuellen Müllmanagement in Lindi – alles, was nicht in irgendeiner Form weiterverwendet werden kann wird privat verbrannt. Die Zukunft dieses Themas bleibt abzuwarten – wenn sich parallel zum neuen Supermarkt und dem deutlich anderen Warenangebot (Windeln, Konservendosen, Sprühdeos, …) nicht auch die städtische Müllabfuhr entwickelt kann ich mir aktuell nicht vorstellen, wo die neuen Mengen und Sorten von Müll bleiben werden.

Orangeneinkauf

Und was wollen wir trinken?

Während der Regenzeit (Februar – Mai) gibt es kein Wasserproblem – Alle fangen das Regenwasser in mehr oder weniger professionellen Regenrinnensystem auf (je nach Finanzkraft gibt es Regenwasserreservoirs von bis zu 50.000 Liter) und füllen Tanks und Eimer damit. Auch wir haben einen 3.000 l Regenwasssertank am Haus nachgerüstet, der sich regelmäßig füllt. Das Wasser fließt dann per Pumpe in den Hochtank und von dort aus ins Haus.Nun neigt sich die Regenzeit aber dem Ende zu und spätestens im Juni ist sie dann ganz vorbei.  In der Trockenzeit holen die Menschen in Lindi ihr Wasser aus Brunnen, die es in der Stadt an vielen Ecken gibt. In den Bereichen, wo kein Grundwasser erreichbar ist (wie zum Beispiel in unserem Stadtteil Mitwero) müssen die Menschen für ihr Wasser sehr weit laufen, oder aber Wasser kaufen. Wir trinken sowohl das Regenwasser als auch gekauftes Wasser ausschließlich nach Durchlaufen durch unseren Keramikfilter; die Einheimischen trinken das Wasser auch ohne Vorbehandlung. Wenn auswärts gegessen wird gibt es in der Regel „Soda“, also Softdrinks wie Fantavariationen u.ä. Alkohol wird wenig konsumiert. Bier in Kästen gibt es an genau einer Stelle in der Stadt zu kaufen und die Staubschicht auf den Flaschen zeugt von eher längeren Lagerzeiten. Frische Fruchtsäfte gibt es für unseren Geschmack in Lindi zu selten, betrachtet man das vielfältige Obstangebot. Zu Hause machen wir regelmäßig Maracuja-, Orangen-, Ananas- und Mangosaft.

Neben Wasser, Bier und Fruchtsäften sind wir auf eine gewisse Menge an Koffein täglich angewiesen – die lokale Variante mit Instant-Kaffepulver machen wir nur in Notfällen mit. Wir führten mehrere Field-Researches durch und kuckten uns von Anfang an die System der verschiedenen anderen ausländischen Familien an, um richtigen Kaffee zu kochen. Mittlerweile haben wir einen optimalen Weg gefunden: 92°C heißes Wasser durch einen Edelstahlfilter mit leckerem Kaffeepulver aus Dar es Salaam. Keep it simple! Und der Kaffee schmeckt!

Hamisi presst Orangensaft
Käffchen?

Zusammenfassend finde ich, dass wir eine gute Mischung aus dem lokalen Angebot mit Altbekanntem gefunden haben. Vor allem in der ersten Zeit war es für die Kinder wichtig, bei all der neuen Umgebung mittags am Essenstisch nicht mit noch mehr extrem Neuem konfrontiert zu werden – mittlerweile essen sie Ughali mit den Händen wie die Profis, spielen Chapati rollen statt Pfannkuchen machen und freuen sich weiterhin über Pudding aus mitgebrachtem Puddingpulver. Und eins ist gewiss: in unseren zwei Wochen Deutschlandurlaub Anfang Juni werden wir so viele Eisbecher essen wie möglich – dem Eis in Lindi merkt man die ständigen Stromausfälle eindeutig zu sehr an…

(w)

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Tagesausflug nach Mikindani

Heute kommt ein kleiner Einblick in unser letztes Wochenende! Nachdem Philipp nach fast vierzehn Tagen Reise (Fortbildung für 64 Krankenschwestern in Kilwa, WHO Konferenz in Uganda) wieder zurück nach Lindi kam feierten wir zunächst seinen Geburtstag und machten heute einen Tagesausflug nach Mikindani,90 km südlich von Lindi und laut Reiseführer (Loose, Stefan 2014: Tansania) „ein wahres Juwel tief im Süden“. Dies lässt aufhorchen, da unser Reiseführer die Region, in der wir aktuell leben ansonsten eher launisch schildert: „Je weiter südlich man fährt, desto stärker wird das Gefühl, in einem einem längst vergessenen Niemandsland unterwegs zu sein. (…) Heute gibt es in der Gegend von Lindi weder Industrie noch eine nennenswerte Agrarwirtschaft (…) Einige Missionare, Lehrer und Ärzte karitativer Organisationen halten unbeirrt die Stellung. (…) Für Touristen hat der Ort kaum Bedeutung, außer als Zwischenstopp zum Einkauf von Gemüse.“ (Loose 2014, S. 242f).

Mikindani war im 15. Jahrhundert – wie zahlreiche weitere Häfen an der Swahili Küste – ein bedeutender Umschlagplatz für Elfenbein, Sklaven und andere Waren. Es verfügt über einen gut geschützten Naturhafen und war somit Anlaufstelle für arabische und indische Handelsschiffe. Eine Gedenktafel im Ort erinnert heute an Livingstones letzte Reise auf der Suche nach den Quellen des Nils, die 1866 in Mikindani begann. In den 1880er Jahren erreichten die Deutschen Mikindani, bauten einen Verwaltungssitz („Boma“) sowie Befestigungsanlagen und verschifften die Agrarerzeugnisse des Umlandes (v.a. Sisal, Kokosnüsse, Kautschuk) nach Deutschland. Auch der Sklavenhandel wurde wieder aufgenommen.

Mit dem Bau von Mtwara (10 km südlich von Mikindani) wurden alle wichtigen Einheiten dorthin verlegt und Mikindani verlor (ebenso wie Lindi) schlagartig an Bedeutung. Der ehemalige deutsche Verwaltungssitz von 1895 wurde nach aufwendiger Restauration 2001 als Hotel eröffnet und gilt heute als das beste Hotel Südtansanias. Für uns ist es ein willkommenes Ausflugsziel. Die Kinder (und wir) lieben mittlerweile bereits die Fahrt dorthin, den Pool, das leckere Essen, Milcheis zum Nachtisch und die vielen Affen, die in den Palmen rund um den Pool herumturnen.

Blick ins Foyer mit Korallengestein wie in Kilwa
Blick aus dem ersten Stock

Ein willkommener Unterschied zu Lindi ist die Selbstverständlichkeit, mit der man dort als AusländerIn begrüßt und behandelt wird. Durch die Vielzahl an Touristen und Tagesgästen ist man als „mzungu“ keine Sensation sondern Normalität, die wir in Lindi oft vermissen. So trifft man in der Regel auch zufällig Bekannte. Heute: ein holländisches Paar, Pim und Inge aus Nijmegen, mit ihrem dreijährigen Sohn Mess, die zur Zeit als Ärzte im St. Walburgs Krankenhaus in Nyangao, 75 km südwestlich von Lindi arbeiten. Außerdem machten wir Bekanntschaft mit einem französisch/britischen Paar, dass vor zwei Tagen aus Costa Rica nach Tansania kam und nun überlegt, eine aktuell stillgelegte Tauchbasis in Mikindani, das eco2 Dive Center, zu kaufen und mit neuem Leben zu füllen. Eine spannende Entwicklung, die wir sicher weiter verfolgen werden! Außerdem fand dann noch die Jahrestagung deutscher christlicher MissionarInnen statt (Schwerpunkt Mbesa) – in kürzester Zeit füllte sich die Poolregion am Nachmittag also mit deutsch sprechenden Menschen, was wir regelrecht verwirrend fanden. Gegen 18:00 traten wir den Rückweg an, um nicht zu lange in der Dunkelheit unterwegs zu sein.

 

(w)

Zum Weiterlesen:

 

Mikindani - Sklavenmarkt und Boma

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Motorrad-Alltag

I’m gonna hit the highway like a battering ram
On a silver black phantom bike.
Meat Loaf, Bat out of hell*

 

Heute ein kleiner Alltagsbericht: wir wohnen nicht unmittelbar in der Stadt Lindi, sondern in Mitwero, 7km nördlich. Damit ich nicht mit dem Familienauto in die Klinik tuckern muss, haben wir uns bei unserem Aufenthalt für den Sprachkurs in Daressalam ein Motorrad gebraucht gekauft, eine nette Honda ACE 125.

Normalerweise läuft es am Morgen so ab, dass ich vor der Arbeit mit der Honda Ronja zur Schule fahre (Start ist 7:30), die praktischerweise auch in dem Vorort Mitwero gleich um die Ecke ist. Ein Großteil der Strecke geht über eine Dust-Road zwischen Feldern und einzelnen Häusern, bis man bei der Schule ankommt. Zurück auf der Hauptstraße sind es dann ca. 10 wunderbare Minuten auf einer Küstenstraße mit abwechslungsreichen Blicken auf die Bucht von Lindi bis zum Krankenhaus.

Manchmal nehme ich auch noch Kalle mit, dessen Kindergarten in der Nähe des Krankenhauses ist.

Kürzlich hatte ich also beide Kinder dabei; kurz vor Ronjas Schule auf der unebenen Straße fing das Motorrad plötzlich an zu rattern und hatte keinen Zug mehr nach vorne, Motor und Schaltung funktionierten aber problemlos. Wir hielten an und standen mitten im Nichts zwischen hohem Gras und matschiger Straße.

Hier kommt nun die Tatsache ins Spiel, die schon mein Vorgänger Martti immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt hat:

In Tansania ist alles möglich… Man muss nur die richtigen Telefonnummern haben.

Praktischerweise war mit der Honda genau das gleiche Problem schon drei Wochen zuvor an fast genau der gleichen Stelle passiert. Damals hatte ich keine Telefonnummer und habe das Motorrad zur nächsten Tankstelle geschoben – immerhin konnte ich einen Großteil des Weges bergab auf der Maschine rollen. Die Tankstellenleute holten einen befreundeten Fundi PikiPiki (Motorrad-KfZ-Mechaniker), der das Problem auch direkt lösen konnte: die Kette war herausgesprungen, weil sie sehr locker gespannt war. Ich hatte mir natürlich seine Nummer geben lassen.

Nachdem ich also das Motorrad abgestellt und gemeinsam mit Kalle Ronja das letzte Stück zu Fuß in die Schule gebracht hatte, konnte ich ganz entspannt diese Nummer anrufen. 10 Minuten später war der Fundi vor Ort und hatte gleich eine neue Kette mitgebracht. Während der Wartezeit waren ein paar Jungs auf uns aufmerksam geworden, die um die Ecke auf ihren Arbeits-LKW warteten. Es wurde direkt nach dem Problem gefragt („shida nini?“) und Hilfe angeboten („unahitaji kusaidia?“). Später halfen sie dem Fundi beim Anpassen der neuen Kette.

Nach 20 Minuten und Bezahlen von 20.000 Schilling (7,10 EUR) konnten Kalle und ich wieder weiterfahren und ich musste an Marttis Satz denken…

 

(P)

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Opferfest am Strand

Durch das Gedränge der Menschenmenge
Bahnen wir uns den altbekannten Weg

Die Toten Hosen*

Heute begann das Opferfest Eid Al-Hadha, das einen der höchsten Feiertage im islamischen Kalender und den Beginn der Wallfahrt nach Mekka darstellt.

Da sich der genaue Zeitpunkt nach dem islamischen Kalender und damit nach der Neumondsichtung richtet, wussten wir erst Anfang der Woche vom Feiertag am Freitag und die in dieser Woche stattfindende Fortbildung über "patient safety in obstetric surgery" mit deutscher Delegation musste einen Tag früher beendet werden.

Wie beim Fastenbrechen trafen wir uns mit Freunden am Stadtstrand in Lindi. Mwajuma hatte wieder extra für uns leckeren Gewürzreis mit Fleischsoße und Chapati (Maisfladen) gekocht. Immerhin konnten wir nach mehrwöchiger Testphase einen selbst gebackenen Apfelkuchen aus dem Gasofen beisteuern.

Ohne viel weiteren Text hier die Bilder des Tages, die hoffentlich einen kleinen Eindruck von der bunten und fröhlichen Atmosphäre bieten.

 

 

(p&w)

 

Zum Weiterlesen:

 

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Der Hahn im Müll

Ich wollt', ich wär' ein Hahn,
dann würde nichts getan.
Ich ginge nie mehr ins Büro,
denn was ich brauchte, kriegt' ich so.
(Willy Fritsch)*

Eine kleine Geschichte aus dem Alltag in unserem Compound in Mitwero. Es ist Samstag, keine Schule, und ein Großteil der Nachbarskinder spielt in unserem Garten mit Ronja und Kalle. Es gibt inzwischen dank der angekommenen Luftfracht neben der Schaukel auch Fußbälle und eine Slackline, aber heute geht es vor allem um zwei Seile, die Kalle sich an den Stamm des großen Cashew-Baumes gebunden hat.

Cashew-Baum (mit Kindern)

Sie dienen zum Hochklettern und zum sich herunter schwingen. Später taucht noch ein weiteres gefundenes Seil auf, mit dem die Kinder Pferd und Reiter durch den Garten um das Haus herum rennen.

Wiebke ist gerade mit dem neuen Motorrad in der Stadt unterwegs und erregt als Mzungu mwanamke (weiße/europäische Frau) auf einem PikiPiki entsprechendes Aufsehen unter den meist männlichen Fußgängern. Ich bin mit Mats teils draußen beim Spielen mit dabei, und räume in freien Momenten im Haus herum.

Die neue alte Honda Ace 125

Plötzlich draußen ungewöhnlich starke Unruhe, dann kommt Ronja aufgeregt herein: in der Nachbarsmüllgrube (Neologismus?) sei ein Huhn aus der Nachbarschaft gefangen und käme nicht mehr heraus. Ich solle mir das unbedingt ansehen.

Also ziehe ich mit dem mir folgenden Kinderschwarm durch den Nachbarsgarten, wo am Ende ein ca. 1,80cm tiefes rundes Loch für die Verbrennung des Hausmülls liegt. Darin sehen wir neben Müll einen erschöpften, verschreckten Hahn aus der Hühnerschar des Nachbars.

Suchbild Nachbarsmüllgrube

Die Grube ist zu tief, um selbst heraus zu springen, was der Hahn aber dennoch häufig versucht hatte. Nach kurzer Gruppendiskussion gehen wir zum Nachbarhaus, zu den Besitzern der Hühner, und berichten (auf Englisch) dem Vater von der Situation. Gemeinsam holen wir eine Leiter aus unserem Fundus und spazieren zur Müllgrube.

Kinderschwarm mit Leiter

Ich dachte zuerst, der Hahn soll auf der Leiter hinaus hüpfen, aber das hätte er sich bei den vielen Kindern wahrscheinlich nicht getraut. Also ist der tapfere Nachbar hinein gestiegen und hat den wenig wehrhaften Hahn wieder hinaus befördert.

Danach haben wir die Leiter gemeinsam aufgeräumt und jeder hatte zu Hause eine schöne Geschichte zu erzählen. Nur Pettersson und Findus fehlten.

Zurück aus der Stadt

 

(p)

 

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No Money, no water, no power

I said high
High voltage rock 'n' roll
(AC/DC)*

(New: English summary at the end)

 

Wir leben nun seit zwei Wochen in Lindi, einer kleinen, in einem Reiseführer als verschlafen beschriebenen Küstenstadt im Süden des Landes. Berichte über Ankommen und die Stadt folgen noch. Heute ein kleiner Einblick in Alltägliches: Wasserzufuhr, Stromversorgung und Bargeldfluss!

Dass die Wasserversorgung in unserer Nachbarschaft (Wohnlage auf einer kleinen Anhöhe) ein zentrales Problem ist haben wir von unseren Vorgängern hier im Haus bereits gehört, ebenso dass es ein System gibt, dieses Problem zu lösen. Nun sind wir dabei, dieses System (und unseren Wasserverbrauch) kennenzulernen und u.U. an unsere Bedürfnisse anzupassen.

Bargeld braucht man hier ständig, da man beim Einkaufen nicht einfach seine EC-Karte zücken kann wie zu Hause. In Lindi gibt es vier kleine Banken, drei davon haben einen Geldautomaten mit VISA, zwei sogar mit Maestro-Aufkleber.

Auf diese Gegebenheiten haben wir uns mit zwei unterschiedlichen VISA-Karten und einer Dollar-Reserve vorbereitet.

Häufigen, meist abendlichen Stromausfällen wollten wir mit einer Parade von Solarleuchten begegnen. Diese hatten wir glücklicherweise im letzten Moment noch aus der Luftfracht entfernt, da die enthaltenen Akkus nicht per Luftfracht verschickt werden durften. Zu unserem Glück, ansonsten säßen wir seit Wochen regelmäßig im Dunkeln... Die Kinder haben es sich zu ihrer morgendlichen Aufgabe gemacht, die Lampen in der prallen Sonne zu positionieren und abends wieder ins Haus zu holen.

Auch der neu gekaufte Kühlschrank wirbt damit, auch nach 12 Stunden ohne Strom noch kühl zu bleiben. Und der Gasherd läuft mit Gas, eine Ersatzflasche steht im Kämmerchen. In diesem Kämmerchen stehen auch 4 große Batterie-Tanks und ein UPS (uninterrupted-Power-Supply) -Kasten, die mit den Solar-Panels am Dach verbunden sind (ungefähr so). Grundsätzlich gibt es Strom genau solange, wie man Stromeinheiten im Voraus in einem Geschäft in der Stadt gekauft hat.

Für das Wasser gibt es einen 1000l-Erdtank mit Anschluss an die städtische Wasserleitung (LUWASA, Lindi Urban Water And Sewerage Authority), dessen Inhalt für entsprechenden Druck in der Leitung regelmäßig in einen 3000l-Hochtank gepumpt werden muss.

Letzte Woche ging nun plötzlich VISA-Karte 01 nicht. Umbuchung im Online-Banking war auf Grund von Problemen mit dem ChipTAN-Lesegerät nicht möglich. Am nächsten Tag gab auch VISA-Karte 02 ohne ersichtlichen Grund auf. Die heimischen Maestro-Karten funktionierten nicht, die Bargeld-Reserven waren erschöpft, eine Wechselstube für unsere Notfall-Dollar gibt es in Lindi nicht.

Nach zwei sparsamen Tagen habe ich das ChipTAN-Gerät irgendwie zum Laufen gebracht und umbuchen können. Natürlich hatten wir im Vorfeld immer wieder alle Kartenkombinationen an allen in der Stadt existierenden Automaten ausprobiert, und so immerhin die Stadt besser kennen gelernt – der allgemeine Aufruhr ist eindeutig nochmal größer, wenn Wiebke das Auto voller Weißnasen fährt, Frauen am Steuer haben wir bislang in Lindi nicht beobachtet.

Ungefähr zur gleichen Zeit hatten wir auch für 24h kein Wasser mehr,  weil über die städtische Leitung fünf Tage lang kein Wasser nach kam. Dankenswerterweise konnte Mwajuma, unsere Büro-Chefin, nach einem Tag telefonieren jemanden auftreiben, der mit einem Mini-LKW 1.000l Wasser bei uns vorbei brachte. Gottlob lief da der Strom noch und das Wasser konnte auch in den Hochtank gepumpt werden, sonst hätte es uns nicht weiter gebracht.

Ebendieser Strom blieb ab dem nächsten Tag dann über 28 Stunden bis gestern Abend weg - ein laut tansanischem Kollegen „etwas ungewöhnlich langer“ PowerCut, was vor allem den Kühlschrank und die Ladesituation der diversen akku-betriebenen Geräte freute. Auch die Wasserpumpe ging natürlich nicht, wo doch ausgerechnet jetzt städtisches Wasser aus der Leitung gekommen und der Erdtank randvoll war.

Die große Solar-Batterie-UPS-Anlage ist seit 10 Monaten defekt, wie wir herausgefunden haben.

Die Erleichterung war groß, als sich am Abend nach einem kurzen Klicken plötzlich die Ventilatoren an der Decke wieder zu drehen begannen.

Die Mehrheit der Bevölkerung von Lindi hat übrigens überhaupt kein fließendes Wasser und holt sich die nötige Menge mit Eimern aus öffentlichen Brunnen. Hausstrom gibt es wenig.

Uns wird jeden Tag klarer, was uns alles zu Hause so selbstverständlich erscheint.

Neue Punkte auf unserer To-Do-Liste: Solar-Notstrom-System zum Laufen bringen und Regenwasserauffangsystem bauen.

 

english summary:

We have been living in Lindi for two weeks now, a small coastal town in the south of the country described as a sleepy tourist destination. 

Water supply is a problem in the neighbourhood, and in the whole country. Locals use public wells spread across the town to collect their water into small plastic bottles and carry it home. At our house our predecessors installed a system to be able to have a constant water supply - there is some municipal water supply, but it is not reliable and water comes once a week. Therefore there is a 1000-liter underground tank with connection to the municipal water supply (LUWASA, Lindi Urban Water and Sewerage Authority), whose contents have to be regularly pumped into a 3000l high tank for appropriate pressure in the pipeline.

Money is only seen in cash here, there is no way to pay by card anywhere - no simple card shaking at the cashier. We have four small banks, three of which have a cash machine with VISA, two even with Maestro stickers.

For power cuts we brought a parade of solar lamps, leading to the daily ritual of putting up the lamps in the sun in the morning and collecting and placing them inside in the evening. The newly purchased refrigerator also helps to keep cool even after 12 hours without electricity. The gas stove is running with gas, a spare bottle is in the chamber. In this chamber are also 4 large battery tanks and a UPS (uninterrupted power supply) box, which are connected to the solar panels on the roof (roughly so). 

Last week VISA card 01 suddenly stopped working. Making changing via online banking was not possible due to problems with the ChipTAN reader. The next day  VISA card 02 stopped, too, for no apparent reason. The domestic Maestro cards did not work, our cash stash was shrinking fast and a exchange of our emergency dollars is not available in Lindi.

After two "economical" days, I made the ChipTAN device work and could make the changes. 

At about the same time, we had no water for 24 hours because there was no municipal water coming in for five days. Thankfully, Mwajuma, our office boss, was able do some calling and hours later a  mini-truck arrived, bringing 1,000 liters of water (see pictures). Luckily there was no power cut, so we were able to pump the water in the high tank. 

Speaking of Power Cut, it happened the next day for over 28 hours - described by a  Tanzanian colleague as "somewhat unusually long". BTW, the enormous solar battery UPS system has been defective for 10 months, as we have found out.

The relief was great, when - after a clicking sound - the fans suddenly began to turn again.

One learns to appreciate things in a new way here!

New points on our to-do list: make Solar emergency power system to run and build rainwater collection system.

(p)

 

 

Zum Weiterlesen:

Über die Wasserversorgung in Tanzania:

https://www.unicef.org/tanzania/wes.html

https://thewaterproject.org/water-crisis/water-in-crisis-tanzania

Über Stromversorgung in Tanzania:

https://energypedia.info/wiki/Tanzania_Energy_Situation

http://www.undp.org/content/undp/en/home/ourwork/environmentandenergy/strategic_themes/climate_change/carbon_finance/CDM/tanzania.html

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