Zanzibar im Dezember
Tonight, I’m gonna have myself a real good time
I feel alive and the world I’ll turn it inside out
Queen*
Am 8. Dezember 2018 fand die „Graduation“, soviel wie „Jahresabschlussfeier“, an Ronja´s Schule statt! Die SchülerInnen führten verschiedene Lieder und kleine Sketche auf, Sponsoren waren geladen und die neuen Erstklässler wurden geehrt.
Im Anschluss an die Feier starteten wir gegen Mittag die 450 km lange Fahrt (Dauer aufgrund von sieben Polizeikontrollen, vielfältigen anderen Verkehrsteilnehmern und zahlreichen 50er Zonen: 7-8 Stunden) nach Daressalam, um nach einem kurzen Zwischenstopp dort am kommenden Tag nach Sansibar überzusetzen!
Nach sehr bewegten, herausfordernden wie bereichernden Zeiten in Lindi seit unserem Umzug hierher im April 2017 war dies der erste Familienurlaub seit ca. zwei Jahren! Wir hatten eine Familienhütte in der Ndame Lodge in Paje an der Ostküste gebucht und hatten eine richtig schöne Zeit mit tollen Schnorcheltouren, zwei Tagen in Stonetown, Strandspaziergängen, Kite Surfen (Philipp), nette Menschen aus aller Welt kennenlernen, Seaweed Farm besuchen, … Es folgen ein Einblick in Bildern und einige Infos für Interessierte!
„Zanzibar“ ist streng genommen der Name des gesamten Archipels das aus Unguja, Pemba und rund 50 weiteren kleinen Inseln besteht. Die größte Insel dieser Gruppe ist Unguja, das als Sansibar bekannt ist. Unguja liegt 43 km östlich vom Festland und hat knapp 900 000 EinwohnerInnen. Die Bevölkerung ist zu 98% muslimischen Glaubens, was im Alltag nicht zu übersehen ist: Die Mehrheit der Frauen trägt buibuis(lange schwarze Gewänder) über der Kleidung. Auch die Männer zeigen sich in ihrer traditionellen Tracht – lange, weiße Hemden und verzierte Kopfbedeckungen (kofia). Fünfmal pro Tag hallt der Ruf zum Gebet über die Insel. Nachdem wir in Lindi einen sehr ähnlich geprägten Alltag erleben, war uns dies nicht richtig neu. Durchaus neu und teilweise befremdlich war zum einen die Existenz von Luxusresorts inmitten einer Umgebung, die von weitreichender Armut in der Mehrheit der Bevölkerung geprägt ist sowie die Durchmischung mit europäischen TouristInnen, die sich aus unserer Sicht unbeeindruckt zeigten von der unausgesprochenen aber allerorts leicht ersichtlichen Kleiderordnung.
An der Westküste liegt die Hauptstadt des Archipels, Zanzibar Town (ca. 350 000 EW), deren historisches Herzstück Stone Townheißt. Stone Town ist dem Meer zugewandt und wurde vor ca. 300 Jahren von Arabischen Siedlern aus Korallenstein erbaut – eine für Afrika untypische Bauweise. Durch die dichte, schattenspendende Bauweise installierten die Architekten sozusagen eine flächendeckende Klimaanlage. Die meisten Gebäude entstanden im 19. Jh., heute existieren kaum mehr als 40% der alten Bausubstanz im historischen Stadtkern, der 18 000 EW beherbergt. Wir waren zwei ganze Tage in Stone Town und hätten noch viele weitere Tage dort verbringen können. Überall ist etwas los, kleine Läden bieten von Zahnpasta über Obst, Gewürze, Souvenirs, Kleidung und Stoff eine bunte Mischung an und wir empfanden die Atmosphäre als freundlich und offen. Wir genossen Cappuccino und italienisches Eis und erfreuten die Menschen mit unseren Suahelikenntnissen und dem Satz „Tunatoka Lindi!“ – „Wir kommen aus Lindi!“ als Einleitung zu jeglicher Preisverhandlung. Besonders beeindruckend fanden wir die Bauten entlang der Meeresfront, dem vormals strategisch wichtigen Teil der Stadt, in der Nähe des Hafens.
Von Stone Town setzten wir einen Tag auch zu „Prison Island“ rüber. Zu Zeiten der Sultane gehörte die knapp 5 km vor Stone Town liegende Insel einem arabischen Sklavenhändler. Von der Insel konnten die Sklaven kaum fliehen, bevor sie auf dem Sklavenmarkt von Stone Town verkauft wurden. 1893 begann man mit dem Bau eines Gefängnisses, das aber nie als solches benutzt wurde. Stattdessen fungierte das Gebäude bis Mitte der 1930er Jahre als Quarantänestation, in der aus dem indischen Raum einreisende Menschen ein bis zwei Wochen zubringen mussten, bevor sie nach Stone Town weiterreisen durften. Heute ist die Insel bedeutsam als Heimat für 108 Aldabra-Riesenschildkröten, die 1920 als Gastgeschenk der Seychellen an den Sultan ins Land gebracht wurden und von denen die älteste heute 160 Jahre alt ist.
Eindrucksvoll in Erinnerung geblieben ist uns unser Ausflug zum Seaweed Center in Paje– gleich um die Ecke unserer Lodge. Für viele Frauen an der Ostküste ist der Anbau von Seetang eine wichtige Einnahmequelle. Von der Pflanzung bis zur Ernte vergehen zwei Monate. Die Frauen arbeiten ausschließlich bei Ebbe – egal, zu welcher Tageszeit nun gerade Ebbe ist. Je weiter draußen und tiefer gepflanzt werden kann, desto höher ist der Ertrag. Nach der Pflanzung an Stäben, die mit Schnüren miteinanderverbunden sind, muss der Unterwassergarten regelmäßig gepflegt und von Unkraut befreit werden. Wenn der Seetang reif ist wird er abgerissen und in großen Körben an Land gebracht. Nach dem Pflücken werden die salatgrünen Pflanzen, die man so wie man sie aus dem Meer holt auch essen kann, getrocknet und in Bündeln verpackt für den Abtransport fertig gemacht. Was auf den ersten Blick nach einem guten Geschäft für die Frauen aussieht ist oftmals ein Verlustgeschäft. Es fehlt die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung und Wertschöpfung auf Sansibar, wodurch entscheidend größere Einkommensmöglichkeiten für die Frauen entstehen könnten. Es mangelt an Infrastruktur (z.B. Strom), Maschinen und Know How. Ein Kilogramm Seetang-Pulver, das aus 5 kg Seetang hergestellt werden, könnte für den fünffachen Preis des Rohproduktes verkauft werden. Seetang-Pulver wird zum Anreichern von Kuchen, Säften, Salaten und Suppen verwendet und auch als Fleischersatz gegessen.
Das Seaweedcenter in Paje vereint 13 Seaweed Frauen in einer Kooperative und verarbeitet den Seetang in der hauseigenen Produktionsstätte. Seaweed wird hier zur Herstellung von Körperpflegeprodukten verwendet, die vor Ort verkauft und an Hotels auf Sansibar geliefert werden. Wir haben das Seaweed Center besucht, durften mit einer der Frauen auf ihre Farm gehen und im Anschluss die Herstellung besuchen. Die Frauen dort berichten von ihrer größten Sorge zurzeit: Der Anstieg der durchschnittlichen Temperatur des Meerwassers ist ein großes Problem für den Seetang und führt zu niedrigeren Erträgen.
Vor der Rückfahrt nach Lindi erstanden wir am 22.12.2018 bei 36°C und mindestens 98% Luftfeuchtigkeit bei einem Pflanzenhändler an der Straße in Daressalam unseren Weihnachtsbaum.
Links zum Weiterlesen:
Beitrag zum Seaweed Farming auf Sansibar: https://www.dw.com/en/zanzibars-seaweed-industry-at-risk/av-38816531
Seaweed Center Paje: https://www.youtube.com/watch?v=0-5QgfQp4b4